Herr Erlings Magd. Karl Friedrich Kurz. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Karl Friedrich Kurz
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788711518441
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Polster und lehnte sich zurück. Herr Erling wagte hinzuschauen. Lieber Gott, dachte er überquellenden Herzens.

      Da er hiermit abermals ein Kavalier und ein grosser Herr war, griff er in die Tasche und holte ein Päcklein hervor. „Sei so gut, Bertina — öffne es.“

      Ein Ringlein. Ein goldenes Ringlein mit drei hellen Steinen, mit drei Sonnensplittern, die blaue Blitze warfen. Sie spiegelten sich in Bertinas Augen; eine feine Röte zog ihr langsam vom Halse empor.

      „Trag ihn in Gesundheit“, sagte Herr Erling.

      Hierauf kam eine Überraschung.

      Das Brillantengefunkel in Bertinas Augen wurde noch lebhafter, ja ihre Augen schimmerten verräterisch, und ihr rundes Kinn zuckte ein wenig. Aber sie lächelte und sagte: „Tausend Dank ... Nein, den Ring darf ich nicht annehmen.“

      Was in aller Welt?

      „Es ist das wenigste, was ich dir zum Willkommensgruss schenken könnte“, sagte Herr Erling.

      Aber nein.

      „Nein“, erklärte Bertina, „dieses darf nicht sein.“

      „In des Himmels Namen!“ rief Herr Erling bestürzt.

      Das war ihm neu. Doch er musste sich darein finden, denn er begriff bald, dass es nein blieb, wenn Bertina nein sagte.

      „Sie sollen sich meinetwegen keine unnötigen Ausgaben machen“, sagte Bertina noch. „Sonst darf ich nicht auf Kongshaugen bleiben ... Sie hätten das nicht tun sollen ... und nun lege ich ihn wieder hier auf den Tisch.“

      Auf der Messingplatte des Rauchtisches lag ein Ring und funkelte. „Hat man je so etwas erlebt“, staunte Herr Erling. „Willst du ihn nicht wenigstens einmal anprobieren?“

      Zum erstenmal senkte Bertina ihren Blick und sagte leise: „Wenn ich doch noch zu Ihnen kam, so kam ich nicht um Gold und Gut.“

      Grosser Gott, dachte Herr Erling abermals bei sich selber.

      Sicherlich übertrieb Bertina ein wenig. Aber es war doch grossartig, wie sie hierauf gehorsam den Goldring an ihren Finger steckte, in rührender Befangenheit Herrn Erling ihre Hand überliess, so dass er den Ring daran betrachten konnte, und wie sie den Ring dann wieder auf den Tisch legte. Doch es war auch unheimlich zu gleicher Zeit.

      Herr Erling griff nach ihrer Hand, zog sie an sich und fragte mit einem Beben in der Stimme: „Warum, Berlina, bist du denn zu mir gekommen?“

      „Ich hörte, dass es Ihnen nicht gut ging“, gestand Bertina offen.

      Bertinas Einzug auf Kongshaugen gestaltete sich doch ganz anders, als Marlene und alle Welt erwarteten. Wohl am schlimmsten traf es Herrn Erling selber. Der Pächterstochter gegenüber fühlte er sich vollständig hilflos ... Dieses Mädchen verlässt sein Vaterhaus, nimmt das Geschwätz der Stadt auf sich und kommt nach Kongshaugen, nicht um zu nehmen, sondern um zu geben. Das begriff Herr Erling nicht, nein, das begriff er durchaus nicht. „Wie?“ fragte Herr Erling sich selber, „wie soll denn dieses Mädchen behandelt werden?“

      Alle seine Erfahrungen und Kenntnisse der in- und ausländischen Frauenwelt halfen ihm wenig. Sie alle, die früher in seinem Leben auftauchten, sie kamen und nahmen irgendwie und gingen wieder. Und er vergass sie bald. Dieses hier war etwas Neues und Unbegreifliches schon vom ersten Augenblicke an. Mit einem Gemisch von Neugierde und Ängstlichkeit ruhte Herrn Erlings Auge auf seiner neuen Magd.

      Wohl kam dann schliesslich doch noch das, was kommen musste. Aber es kam nicht am ersten Tage und auch nicht am zweiten, und es kam überhaupt so unbegreiflich und fast feierlich. Wenn Herr Erling seine Magd auch schliesslich eroberte, so war er deswegen noch lange nicht der Sieger. Der Sieger? Gott helfe Herrn Erling, er musste wahrlich noch viel lernen zu dem, was er schon konnte.

      Welch seltsamer Kampf ... Die Magd unterwarf sich dem Herrn in Demut; aber ihre grosse Demut machte ihn schwach. Der weiche Widerstand der Magd machte ihn wild und verrückt. Er wusste es selber nicht; aber er kämpfte nicht um ihren Leib, er kämpfte um ihre Seele. Und weil er in dieser Beziehung so unwissend war, wandte er die verkehrten Mittel an: er wollte Bertinas Seele kaufen.

      Mit jedem Tage bot er mehr; er bot schliesslich mehr, als er selber besass. „Nein, nein“, sagte Bertina sachte.

      Er verzweifelte und wollte um jeden Preis ein Ende machen; darum bot er Bertina seine Hand.

      Nein.

      „Du sollst Herrin auf Kongshaugen werden“, rief er.

      Nein.

      „Was verlangst du denn, Bertina — sag nur ein Wort ...“

      Nichts.

      „Hör mich an, Bertina! Keine Macht der Welt kann mich daran hindern, dich zu heiraten ...“

      „Aber ich kann nicht.“

      „Wenn es doch mein heiliger Wunsch und Wille ist?“

      „Zu diesem bin ich nicht geboren“, sagt darauf Bertina. „Ich bin als Magd geboren.“

      Da hatte Herr Erling also gar nichts mehr zu bieten, und er liess seine Arme sinken. Sein Blick wurde verzagt und traurig. Geschlagen kauerte er in seinem Ledersessel. Nun kam eine andere Überraschung.

      Bertina beugte sich zu ihm nieder, legte den Arm um seinen Nacken, flüsterte ihm irgend etwas ins Ohr und küsste ihn, küsste ihn mitten auf den Mund. Wahrscheinlich schenkte sie ihm da manches, gab alles für nichts.

      Sie sagte wohl ungefähr dieses: „Sieh, mir wurde in dieser Welt nichts gegeben als ein bisschen Liebe; die will ich dir heute schenken ...“

      Vielleicht sagte Bertina an jenem Abend auch etwas anderes. Man hat das später nie erfahren. Man erfuhr nur, dass Herr Erling aufsprang und seine beiden Arme um Bertinas Leib schlang und dass er über alle Massen heiss und stürmisch wurde. Woher Marlene es wusste, ist nicht gut zu erraten. Marlene hatte ja scharfe Augen und scharfe Ohren, und es ist durchaus nicht bewiesen, dass sie an jenem Abend am Schlüsselloch gestanden. Nein.

      Sicherlich hasste Marlene die Pächterstochter; darum darf man ihre Schilderung nicht ganz wörtlich nehmen. Aber Marlene erzählte später: „Man kann sich davon gar keine Vorstellung machen, was dieses mystische Frauenzimmer bei dem guten und unerfahrenen Herrn für ein Unheil anrichtete. Früher ging er herum und war fröhlich; aber jetzt ist er sich selber nicht mehr ähnlich. Weder bei Tag noch bei Nacht findet er seine Ruhe. Und oft schreit er im Traume ...“

      „Nein — wieso weisst du das, Marlene?“ fragten die Freundinnen und lachten. „Hihihi ...“

      „Was gibt es dabei zu lachen?“ fragte Marlene mit funkelnden Augen. „Muss ich denn nicht jeden Morgen und jeden Abend heisses Wasser auf sein Zimmer tragen? — Nein, es war mehr als grausam, wie sie ihn zappeln liess. Er sass am Tisch, schaute sie an und seufzte; mehr als zwei Wochen lang. Ich an seiner Statt wäre ihrer längst überdrüssig geworden und hätte sie wieder zum Haus hinausgeworfen: Krieche, Schlange, zurück in deine Höhle ... Aber dann musste es also derart kommen, dass sie seinen Ring auf den Tisch legte und nicht einmal seine Frau werden will ... Wo zielt sie nur hin mit ihrem unnatürlichen Getue?“ fragte Marlene. „Ja, das möchte ich wissen!“ rief sie empört.

      Im Städtchen entstand ein lebhaftes Gerede und Gerate; in aller Mund war Bertina, die Pächterstochter. Man glaubte vielleicht nicht alles haargenau, was Marlene erzählte; aber man verstand doch, dass auf Kongshaugen seltsame Dinge vor sich gingen.

      Jeden Abend versammelte sich eine Schar junger Mädchen um Marlene und erhitzten sich sehr an ihren Berichten. Marlene schaut sich im Kreise um, schüttelt ihren Kopf und fragt: „Könnt ihr nur ahnen, was sie an sich hat und womit sie ihn so toll macht?“

      „Nein, nein“, antworten die jungen Mädchen und können der verzweifelten Marlene nicht helfen. „Sträubt sie sich denn noch immer?“

      „Ach die! — Alles nur Komödie und Verstellung ... aber ich frage: Hat sie denn etwas anderes an sich als wir alle ...?“

      „Oh,