Herr Erlings Magd. Karl Friedrich Kurz. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Karl Friedrich Kurz
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788711518441
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      Und als der Herr von Kongshaugen auf den Gaard von Mykja trabt, steht, weiss Gott, die Pächterstochter auf dem Tun. Und als Herr Erling aus dem Sattel springt, sagt sie: „Ja, ich stand dort am Fenster und sah Sie durch den Wald reiten.“

      Der Karren soll laufen

      Bertina sträubte sich nicht länger. Als alle Welt gegen Herrn Erling stand, stand sie zu ihm. Sie zog in ihr prächtiges Zimmer auf Kongshaugen ein.

      Sie wartete zwar noch eine ganze Woche lang und kam erst vom Mykjatal herab, als Leif mit seinem Geld das Postschiff bestiegen und südwärts gedampft war. Aber dann kam sie — hoch, dunkel und ein wenig seltsam.

      Nun war doch alles gut.

      Wenigstens hätte alles gut sein können. Wenn der alte Autun nicht abermals an den Fäden in seiner Hand gezogen hätte ... Es ging stets ein wenig anders, als Autun es sich ausdachte. Er steuerte und steuerte; aber das Schiff segelte immer wieder seinen eigenen Kurs.

      Der alte Kontorist war durchaus nicht der Ansicht, dass Herr Erling seine Aufgabe so vorzüglich löste. Vieles mochte daher rühren, dass Autun den ewigen Zauber frischer Frauenlippen nicht ahnte und dass er nie erschüttert worden war von einem verheissungsvollen leisen Lachen aus der süssen Tiefe einer Frauenbrust. Wie hätte er sich sonst beim Preis für Sudalen lange aufhalten können. „Sie haben den Gaard drei- und vierfach überzahlt“, tadelte er.

      „In diesem Falle, lieber Autun“, wandte Herr Erling mit leisem Vorwurf ein.

      Just in diesen Tagen, da auf Kongshaugen alles auf Biegen und Brechen stand, habe eine solche Summe sehr viel zu bedeuten, meinte Autun in seiner Einfalt. Dass Herr Erling dazu noch in einer Weise handelte, die der Abmachung zuwiderlief und vielleicht nicht ganz gesetzlich war, das wagte der gute Autun nicht einmal anzudeuten.

      In Herrn Erling war eine heftige Krankheit ausgebrochen, und er war durch Fieberhitze getrieben worden. Er rief den Bankdirektor Simonsen aufs Privatkontor und nahm eine Anleihe auf — eine schicklich grosse Anleihe; erstens zur Deckung des Hofkaufes und zweitens für weitere Bedürfnisse. Zu Beginn der Unterredung hob Simonsen wie zur Abwehr seine Hand und zögerte; das überschreite seine Befugnisse, meinte er und wollte zuerst dem Bankrat einen Antrag stellen. Aber zur Hölle mit allen Bankräten — Herr Erling konnte unmöglich warten. Daher bot er Pfänder und Unterpfänder, doppelte Sicherheit. Blieb denn Kongshaugen nicht immer Kongshaugen und die hohe Burg über dem Städtchen? Gut. Auch dieses erfüllte sich.

      Abermals hatte Herr Erling viele Scheine und Silberkronen in der Hand. Nun durfte er schalten und walten. Es war vielleicht Sündengeld; ausserdem verstiess es gegen eine gewisse Abmachung. Doch Herr Erling rechnete damit, dass Autun ihn nicht würde fallen lassen — er war doch so verliebt und leichtsinnig, Herr Erling. Er war ein feuriges Pferd, dem man sowohl Trense als Kandare anlegen wollte. Das Pferd bäumte sich und schlug aus.

      Aus seiner Haut zu fahren vermag niemand; nicht einmal der alte Autun, der möglicherweise einzig dazu in diese Welt gesetzt worden, seinem jungen Herrn beizustehn. Durfte Autun jemals seine Ansprüche geltend machen? Ausgeschlossen.

      „Es eilte, lieber Autun“, sagte Herr Erling. „Und, Autun, der Gaard Sudalen grenzt doch an die Stadt? Wir wollen ihn aufteilen und Bauplätze verkaufen ...“

      Leider hatte diese Stadt es seit undenklichen Zeiten in sich, nur langsam und bedächtig zu wachsen. Ein Menschenalter ging dahin, bis eine neue Strasse entstand, und vielleicht entstanden nur ein paar elende Holzhäuser. Nein, Autun erwartete nichts von der Spekulation mit Bauplätzen.

      „Wir werden wieder ankurbeln!“ rief Herr Erling feurig. „Der Karren soll laufen ...“ Und da Autun noch immer nicht warm werden wollte, rief er: „Warte nur, lieber Autun, bald sollst du blaue Wunder erleben!“

      Die Liebe machte Herrn Erling zuversichtlich und draufgängerisch. Vor keinem Hindernis und vor keinem Wagnis schreckte er zurück. Und er ist doch der Sohn des seligen Herrn Nikolaj, so und nicht anders kennt ihn der alte Autun, der gute Geist ...

      Hierauf erschien also Bertina. Der Pächter Asbjörn selber brachte sie mit dem Wagen aus dem Mykjatal herunter, dazu ihre grosse, buntgemalte Kiste.

      Dieser Pächter schaute nicht mehr umständlich vor sich nieder und suchte die Stelle am Boden aus, auf die er seinen grossen Fuss setzen durfte. Ganz im Gegenteil; Asbjörn schritt selbstbewusst über den Hof von Kongshaugen und schnaufte lauter als nötig, als er Bertinas Kiste vom Wagen hob. „Steh nicht nur so herum, du Mädchen“, sagte er barsch zu Marlene. „Fass an!“

      Damit kam er allerdings bei Marlene nicht ganz an die Richtige. „Was brüllst du so?“ erkundigte sie sich, indem sie ihren Blick ungefähr auf des Pächters Knie richtete. „Du hast hier nichts zu kommandieren, alter Knebel“, sagte sie hochfahrend. „Und wenn deine Kiste nicht Beine hat, musst du sie schon selber tragen.“

      „Das sollst du bereuen“, verhiess der Pächter, hob Bertinas Effekten ohne fremden Beistand auf die Schulter und trug sie ins Haus. Er trug sie nicht ohne Würde und wandte sich dem Haupteingang mit den zwei geschnitzten Eichentüren und den schweren Messingbeschlägen zu. Aber Marlene huschte flink wie ein Wiesel an ihm vorbei und verschloss die Tür vor seiner Nase. „Was ficht dich nur an, du Mann mit deiner Kiste?“ rief sie. „Siehst du denn nicht, dass dieses der Herrschaftseingang ist?“

      Da half dem Pächter aller Hochmut nichts; er musste den Küchenweg nehmen. Nun wohl, Asbjörn war der Mann, der auch diesen Weg mit Würde zu gehen vermochte.

      Der Empfang auf Kongshaugen war nicht so unmässig glänzend; Herr Erling stand nicht selber am Fenster und winkte mit der Hand. Wie hätte jemand solches erwarten dürfen? Dem Pächter Asbjörn schien es auch ohnedies ein rechter Glückstreffer, denn er war ein vernünftiger Mann und zufrieden mit dem, was ihm das Schicksal freiwillig bescherte. Die Magd Marlene, die ihm voranschritt und ihn herausfordernd betrachtete, würdigte er keines Wortes mehr. „Hier ist ihr Zimmer“, sagte Marlene und stiess eine Tür auf. Der Pächter stellte die Kiste nieder, ging wieder durch die Küche hinaus und bestieg seinen Wagen.

      Aber er schnalzte zuversichtlich mit der Zunge. Asbjörn hatte jetzt selber zwei Mägde auf Mykja und konnte nach Herzenslust kommandieren und dominieren ... Heissa, hussa — trabe ein wenig, gutes Pferdchen! Du kannst dich darauf verfluchen, vom Gaard Mykja wird hinfort kein Pachtschilling mehr eingetrieben ...

      Möglicherweise war selbst dieses noch nicht ganz moralisch, doch die Dinge entwickelten sich dabei hervorragend.

      „Du sollst gleich zu ihm hinübergehen“, sagte in der Küche Marlene zu Bertina.

      Gut. Was geschehen muss, das geschieht stets und überall und lässt sich durch Menschenlist und Menschenwillen nimmer aufhalten. Die Tür des Privatkontors öffnete sich, und herein schritt Bertina; ihr Gesicht war noch undurchdringlicher als das erstemal ... In sieben schillernde Schleier gehüllt, schwebte Bertina heran. Sie richtete ihre dunkelglühenden Augen auf Herrn Erling und wartete neben der Tür. Und als Herr Erling sich nicht bezähmen konnte, sondern hinter seinem grossen Tisch hervorsprang, spielte ein verstohlenes, sanftes Lächeln um ihren Mund.

      Wie ein kleines Mädchen führte er sie an der Hand zu einem der mächtigen Ledersessel hin. Darin versank die Tochter von Mykja, versank in einer weichen Wolke. Wie ein Märchen wurde alles auf einmal: Reichtum, traumhafte Pracht und ein Ahnen von überirdischen Freuden. Barhäuptig kam Bertina nach Kongshaugen.

      Ihr Kleid war einfach, doch vom Schnitt der Tagesmode; also sehr kurz und liess ein gutes Stück von den schlanken Beinen sehn. Sie war doch wohl nicht so völlig unwissend, die schöne Tochter Asbjörns — weshalb hätte sie sonst diese feinen Seidenstrümpfe über ihre Beine gezogen? Hauchdünne, schwarze Seidenstrümpfe, durch die ihre Haut hell und zart schimmern durfte. Ach, das mag auch nur der Zug der Zeit gewesen sein — alle Weiblichkeit wollte die Beine zeigen. Hätte Bertina allein einen langen Rock und Wollsocken anziehn und sich schämen sollen?

      „Ich bin sicher“, sagte am Abend Marlene zu ihren Freundinnen im Städtchen, „sie schnitt noch Handbreit von ihrem Rock ab, ehe sie die Höhle