Herr Erlings Magd. Karl Friedrich Kurz. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Karl Friedrich Kurz
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788711518441
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verächtlich Bertina, und damit geht sie weiter.

      Er aber bleibt an ihrer Seite, ei, er ist jetzt sicher und obenauf, und er meint, ein paar Hiebe müsse sie schon haben für all ihren Übermut. „Kongshaugen ist fertig. Wenn Autun nur will, kann er deinen jungen Herrn auf die Strasse werfen.“

      Bertina gibt darauf keine Antwort mehr; sie geht in den Stall. Aber er bleibt an ihrer Seite und fährt fort, Kongshaugen und den jungen Herrn zu verhöhnen. Auf einmal wendet Bertina sich ihm zu. Sehr bleich ist sie, und ihre dunklen Augen funkeln: „Jedesmal machst du dich gemeiner, Leif. Das muss jetzt genug sein. Höre: Auf der Stelle, wo du jetzt stehst, stand er — und er küsste mich ... Ich wäre trotzdem niemals, hörst du, niemals, nach Kongshaugen gegangen, wenn du dich nicht so gemein benommen hättest — du und Marlene und ihr alle ...“

      „Aber jetzt — jetzt gehst du also zu ihm?“ fragt Leif atemlos.

      „Wenn er mich noch einmal fragen sollte — ja, dann würde ich nach Kongshaugen gehen ... nichts und niemand könnte mich hindern ...“

      Leif besinnt sich lange, dann fragt er hoffnungslos: „Und was wird dann aus uns beiden?“

      „Zwischen uns hat es nie etwas Ernstes gegeben, du ... Ich ging ein paarmal neben dir her und verstand es nicht besser.“

      Mit hängenden Armen und gekrümmtem Rücken schleicht Leif davon. Das Leben war ihm nicht gnädig. Was ist im Grunde Leifs Leben? Er besitzt dieses Stücklein Land, dazu ein baufälliges Häuslein, vier magere Kühe, eine alte Mähre und Schulden. Ja, was ist sein Leben? „Dreck auf Dreck!“ ruft Leif bis zur Auflösung verzweifelt und erbittert.

      Zuweilen marschiert er, zuweilen hält er inne; das wird ein sorgenvoller Heimweg.

      „Hallo — ist das nicht Leif von Sudalen?“

      Herr Erling ... Herr Erling auf dem Rücken Jarls, zwischen den braunen Föhrenstämmen. In gewaltigem Schreck duckt sich Leif.

      Herr Erling betrachtet seinen Nebenbuhler. „Du kommst gewiss von Mykja?“ fragte er, und da Leif sich nur vorbeugt und von der Seite zu ihm heraufschielt, fügt er streng hinzu: „Dieses sollst du in Zukunft lieber unterlassen ...“

      Was aber zuviel ist, das ist zuviel, selbst in einem einsamen Föhrenwalde. Hatte Leif denn nicht schon mehr als genug erduldet? Soll er dazu auch noch Herrn Erlings Hohn erdulden? Nein, jetzt fürchtet er weder Himmel noch Hölle; er hat ja nichts mehr zu verlieren. Seine Blicke schweifen über den Erdboden hin, genau so, als suche er einen passenden Stein oder einen geeigneten Ast.

      Jedoch die Vorsehung, die Leif seine Liebste genommen, legt ihm im richtigen Augenblick weder Ast noch Stein auf den Weg. Nichts anderes bleibt ihm also, als das Messer unter der Jacke hervorzuholen.

      Vom Pferderücken herab folgt Herr Erling dieser Vorbereitung. Fast sieht es so aus, als sollte sogleich etwas Ernsthaftes geschehen. Doch als Leif sich mit seinem Messer an Jarls Seite heranmacht, erhebt Herr Erling seinen Arm. „Toller Kerl“, sagt er spöttisch. „Sogleich steh still ...“

      Wenn Leif glaubte, mit seinem Messer eine rasche Tat zu vollbringen, mit einem Stoss sich zu rächen für erlittene Schmach, so ward er auch hierin genarrt. Er schaut in die kleine Mündung eines Stahllaufs und gibt es auf. Sein Unternehmen ist aussichtslos; alles ist aussichtslos. Das Leben erzeigt sich Leif mehr als abscheulich.

      „Steck dein Messer weg!“ wird ihm befohlen.

      Er gehorcht, wenn auch widerstrebend. Er gehorcht nicht, weil er sich vor dem Tode fürchtet, sondern weil ihm jetzt alles gleichgültig ist.

      Doch als Herr Erling in dieses von Wut und Erbitterung verzerrte Gesicht blickt, empfindet er aufrichtiges Mitleid, denn er fühlt sich nicht frei von Schuld. Herr Erling verlangt nicht nach Leifs Blut. „Hattest du wirklich ernste Absichten?“ fragt er.

      Gewiss hatte Leif die Absicht, den Herrn von Kongshaugen zu erstechen. Finster erwidert er: „Ich hatte nur Bertina, und Sie hatten viele ...“

      „Bertina — sie wohnt ja noch immer auf Mykja ... Bertina, das ist ein Mädchen, das sich nicht nehmen lässt.“

      „Sie wird zu Ihnen kommen“, entfährt es Leif.

      „Ach, das bildest du dir ja bloss ein.“

      „Wenn sie es mir doch soeben selber sagte ...“

      Eine gute Nachricht für Herrn Erling, eine strahlende Nachricht; sie stimmt ihn noch um vieles milder. Ja, nun möchte er gerne so viel als möglich wieder gutmachen an Leif. Es kommt ihm ein anderer Einfall. „Daran ist nun nichts mehr zu ändern, und du musst darüber hinwegkommen. Bertina war eben nicht für dich bestimmt. Aber finden sich denn nicht noch Mädchen im Überfluss in dieser Welt? Du brauchst ja nicht gerade in unserer Gegend zu suchen ...“

      Das, was darauf folgt, mag ein bisschen komisch wirken; aber es bleibt dennoch eine ausgezeichnete Lösung, eine feine und gesittete Neuordnung der Dinge. „Ich will dir helfen, Leif“, sagt Herr Erling. „Ich will dir deinen Gaard abkaufen. Ich bezahle einen Überpreis ...“

      „Das sagen Sie nur so“, knurrt Leif, den der Zorn von neuem übermannt.

      „Nein, was fällt dir ein? Lass uns jetzt gleich in aller Ruhe und gründlich darüber verhandeln.“

      Leif lässt sich im weichen Moos nieder, und sie unterhandeln. Leif rupft einen Grashalm aus, kaut daran und versucht, so viel als möglich aus seinem Unglück herauszuschlagen. „Es kommt ganz darauf an, was Sie zahlen wollen“, meint er. „Machen Sie ein Angebot.“ Und als er Herrn Erlings Angebot hört, zieht eine linde Wärme in seine zerfleischte Brust.

      Es ist ein fürstliches Angebot; aber Leif hat nun sein Eisen im Feuer. Er besinnt sich nicht lange und verlangt mehr. Er erhält auch mehr. Herr Erling nickt. „Abgemacht.“

      Diese glatte Zusage macht Leif doch ein wenig misstrauisch; ei, er ist jetzt ganz bei Kaufen und Verkaufen. „Nein, nein, ich verstehe schon, dass Sie auch dabei nur Ihren Spass mit mir treiben.“

      Herr Erling runzelt die Stirn. „Was schwätzest du da?“

      „Können wir es gleich schriftlich machen?“

      „Warum denn nicht“, sagt Herr Erling, indem er schon sein Büchlein und den goldenen Bleistift aus der Tasche zieht. Auf dem Sattelknopf schreibt er den Kontrakt. Setzt seinen Namen darunter, so flott und rundhändig wie je.

      Leif studiert den Vertrag lange und gründlich, kratzt sich unter dem Mützenrand. „Sie haben nicht kontante Auszahlung hingesetzt.“

      „Nein, das versteht sich von selber.“

      „Ja — vielleicht, aber besser ist, wenn Sie es hinsetzen.“

      Noch einmal runzelt Herr Erling die Stirn; doch er setzt die kontante Zahlung hin.

      Leif hat eine neue Sorge: „Wird Autun das Geld herausgeben?“

      „Autun?“ ruft Herr Erling ärgerlich. „Ja, das sollte nur fehlen ... Heute ist Freitag, morgen schliesst die Bank schon am Vormittag; aber am Montag kannst du zu mir kommen und dein Geld abholen. Melde dich auf dem Privatkontor.“

      Abgemacht. Ein verteufelt feiner Einfall. Der Weg ist frei; Herr Erling lässt die Zügel los, und Jarl, der schon längst ungeduldig scharrte, weil er kein Verständnis hatte für Handel und Wandel der Menschengeschöpfe, schiesst davon.

      Jarl jagt durch den dunklen Föhrenwald; Jarl jagt durch den lichten Birkenwald, setzt über Gräben und Steine und Büsche und trägt seinen Herrn nach Mykja. Es wird ein toller Ritt, oft muss der Reiter sich tief niederbeugen, muss den untersten Ästen flink ausweichen, sonst könnte ihm der unerwartete Erfolg leicht den Hals brechen.

      Fast könnte man glauben, es habe der Herr von Kongshaugen dem Hofbauern Leif die Braut abgehandelt. Aber es bleibt trotzdem ein guter Handel nach allen Seiten hin, keine Feindschaft mehr, kein Blutgericht.

      Der Hofbauer Leif zieht befriedigt seines Weges; restlos glücklich ist er wohl nicht. Wer ist