Coco nahm das Funkgerät zur Hand, mit dem sie Kontakt zur Insel, und damit auch zu einem Mitglied des Technikstabs aufnehmen konnte. »Triton-1 an Zentrale, Triton-1 an Zentrale; bereit zum Inspizieren des Rohrs, tauchen jetzt in den Canyon hinein.«
Es knisterte ein paar Sekunden und währenddessen betrachteten die beiden Insassen des U-Boots schweigend den Abhang, der zum Zielpunkt ihres Tauchgangs hinabführte. Schließlich erklang ein Rauschen im Lautsprecher und eine Männerstimme meldete sich: »Verstanden, Triton-1, wir sind sehr auf Ihren Bericht gespannt, over.«
Coco wandte sich daraufhin zu Mick. »Fertig?«
Er grinste zur Antwort. »Rock ‘n’ Roll!«
Coco neigte das U-Boot nach vorn, bis die Nase nach unten zeigte, und erhöhte dann den Schub, jedoch nicht ohne dabei extrem genau auf die Wände des Grabens zu achten, die ihr zerbrechliches Fahrzeug von allen Seiten umschlossen. Sie zeigte auf eine bestimmte Stelle.
»Dort habe ich das U-Boot gestern beschädigt.«
Mick schaute durch die Kuppel. »Ich sehe aber gar keine verbogenen Wrackteile.« Als er sich zu ihr umdrehte, lächelte er wieder.
»Freu dich nicht zu früh … was nicht ist, kann ja noch werden.«
Er wiegte seinen Kopf hin und her, während Coco das U-Boot durch die enge Gesteinsformation lenkte wie einen Faden durch ein Nadelöhr.
»Du steuerst dieses Ding auf jeden Fall besser, als ich es je könnte, soviel steht fest.«
Binnen kürzester Zeit erreichten sie eine Stelle, die Coco wiedererkannte … den nahezu senkrechten Sturz in den eigentlichen Canyon. Sie überprüfte noch einmal die Messanzeigen und wischte sich dann mit dem Ärmel des Sweatshirts, das sie wegen der kühlen Luft in der Kabine angezogen hatte, den Schweiß von der Stirn.
»Los geht’s!« Da in einer Tiefe von zweihundertfünfzig Fuß nur dürftige Lichtverhältnisse herrschten, schaltete sie nun die Scheinwerfer ein. Obwohl es kein komplizierter Handgriff war, war es doch besser, es sofort zu erledigen, denn sobald sie ihr Ziel erreicht hatten, würden sie genug zu tun haben. Statt vornüber zu tauchen, ließ sie das U-Boot in einer horizontalen Lage sinken. Mick verrenkte sich den Hals, um hochzuschauen, als sich die Oberfläche immer weiter entfernte und das Schelf aus Korallen kleiner wurde, je tiefer sie hinabstiegen.
In einer Tiefe von etwa hundert Fuß, passierten sie eine Sprungschicht, wo eine warme Oberströmung deutlich kühlere Wassermassen überlagerte. An solchen Punkten kam es gelegentlich zu unvorhergesehenen Turbulenzen, und tatsächlich ruckelte das U-Boot ein wenig, als sie die Linie durchdrangen. Bald darauf glitt es jedoch wieder sanft hinab, und zwar einzig aufgrund der Schwerkraft, ohne dass ein zusätzlicher Antrieb nötig gewesen wäre.
»Zweihundert Fuß«, rief Coco nach ein paar Minuten. Mick griff zu einem Schalter am Bedienfeld, mit dessen Hilfe er den Punktscheinwerfer am Rumpf des Fahrzeugs ausrichten konnte. Er kippte ihn nach unten und schwenkte dann langsam von links nach rechts, um das Ansaugrohr zu finden.
»Die haben es doch genau an diesem Abschnitt des Canyons verlegt, oder?« Coco schaute kurz von der Steuerung auf, um das Wasser auf der linken Seite abzusuchen.
»Ja, doch mittlerweile ist es bestimmt schon überwuchert und nicht mehr leicht zu erkennen. Aber da haben wir es ja schon!« Er zeigte senkrecht hinunter auf ein Stück Rohr mit einem weiten Umfang, das unter einer Schicht mariner Ablagerungen gerade noch weiß genug war, um ein wenig hervorzustechen.
»Ich sehe es ebenfalls.« Coco passte ihre Fahrtrichtung geringfügig an. »Genau in der Mitte, ja?«
»Richtig, und die Öffnung sollte sich gleich …«
»Da ist sie! Noch dreißig Fuß tiefer. Exakt wie beschrieben.«
»Großartig. Oh je!« Mick beugte sich näher an die transparente Kuppel heran, um die Helligkeit der Lampen am Armaturenbrett ausblenden zu können.
»Was ist?« Da sich Coco aufs Steuern konzentrieren musste, konnte sie nicht so lange hinausschauen, wie Mick es tat. Langsam setzte sie ihren Abstieg zum Ende der Leitung fort.
»Ist ziemlich übel zerbeult.« Mick passte den Lichtkegel noch ein paar Sekunden lang an, bevor er die Videokamera nahm und sie einschaltete. Coco ließ das U-Boot auf zweihundertfünfzig Fuß auslaufen und bemerkte, wie dunkel es hier unten war. Als sie hochschaute, sah sie zwar einen grauen Lichtschleier, doch unterhalb von ihr herrschte abgesehen von den Scheinwerfern des Fahrzeugs nichts als Finsternis.
Sie näherte sich der Ansaugöffnung so weit, wie sie es für vernünftig hielt, und sah dann ebenfalls, wie schwer das Rohr beschädigt war.
»Halt dich bloß von dem Loch fern«, ermahnte sie Mick. »Der Sog könnte eine ziemlich starke Strömung verursachen.«
»Ich werde drumherum fahren.« Coco tippte den Knüppel gefühlvoll an und steuerte das U-Boot hinter die Öffnung des Rohrs. Dort hielt sie es in der Schwebe, während sie das ramponierte Metall genauer begutachteten. Mick ließ die Kamera mehrere Minuten lang laufen, bevor er sie niederlegte und mit bloßem Auge auf die Leitung schaute.
»Kein Wunder, dass dieses Ding kein Wasser mehr nach oben pumpt. Sieh dir das mal an.« Sein Interesse galt dem L-Stück am Ende, dessen kurzer Schenkel die Öffnung einnahm, wohingegen der Rest des Rohrs an dem langen Segment bis ganz nach oben zum Riff und in das Hotel führte. Der Teil unmittelbar hinter dem Ansaugloch war stark verbogen und vielfach aufgerissen. Selbst, wenn man Wasser ansaugen konnte, verlor man alles, was in das Rohr gepumpt wurde, durch diese Lecks. Was Coco allerdings wunderte, war der Verlauf der Risse.
»Was meinst du, ist hier passiert, Mick?«
Der Australier kraulte seine Bartstoppeln, während er über die Frage nachdachte. Sie ließ sich anscheinend nicht leicht beantworten. Die Ansaugöffnung befand sich ein gutes Stück von den Wänden des Grabens entfernt, der Leitungsabschnitt über ihnen hatte keinen offensichtlichen Schaden davongetragen, und der Einlass war offenbar auch nicht verstopft.
»Keine Ahnung. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Bruchstücke des Riffs, die abgesunken sind, so etwas angerichtet haben können, du etwa?«
Coco fuhr langsam hinter dem Rohr im Kreis, um eine Erklärung zu finden. Gerade als sie umkehren wollte, bremste sie abrupt.
»Hast du etwas gesehen?« Mick nahm die Kamera sofort wieder zur Hand.
Coco schaute mit zusammengekniffenen Augen auf die Leitung und auf einen der scharfkantigen Risse. Ihr war nämlich ein weißes Funkeln darin aufgefallen.
»Ja, habe ich. Mick, wie gut kannst du mit dem Greifer umgehen?« Das U-Boot war nur mit einem einzigen Werkzeug ausgestattet, und zwar einem schwenkbaren Arm mit einer Kralle am Ende zum Festhalten und Bewegen kleinerer Objekte. Auf den Besichtigungsfahrten, für welche das Resort das Vehikel vorgesehen hatte, brauchte man ihn zwar nicht, doch er gehörte zur Herstellung und sah noch dazu cool aus, wie Coco fand, also hatte man ihn nicht abmontiert. Jetzt würde er sich sogar als nützlich erweisen.
Mick betrachtete das mechanische Glied zweifelnd. »Mit dem Ärmchen werden wir rein gar nichts an diesem zerquetschten Stück Metall reparieren können.« Er nannte das Kind offen beim Namen. Coco war seine Direktheit bereits gewohnt und hieß sie sogar gut, vor allem in Situationen wie dieser.
»Natürlich nicht, aber ich glaube, dass etwas in dem Rohr steckt. Wenn wir es herausziehen können, gibt es uns vielleicht einen Hinweis darauf, was hier geschehen ist.«
Mick fokussierte daraufhin die Steuerung des Greifers. »Ich bin bereit, wenn du es bist.«
Er bewegte den Knüppel, um den Arm zu lenken und ein Gefühl dafür zu bekommen, dann zog er ihn zurück, legte ihn nach links und rechts um und drückte die Taste, mit der man die Kralle schließen konnte.
Coco fuhr behutsam näher an das Rohr heran, wobei sie den bedrohlichen Abgrund unter sich einfach nicht ausblenden konnte. Als sie nur noch ungefähr