Die bekanntesten Kinder- & Jugendbücher. Magda Trott. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Magda Trott
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Книги для детей: прочее
Год издания: 0
isbn: 9788027221226
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Knien des Onkels herunter.

      »O, ich muß ja sticken, sonst werde ich nicht fertig.«

      So saß denn Pommerle jetzt öfters im Garten auf einer durch Gebüsch versteckt gelegenen Bank und stickte. Eines Tages erschien Jule. Er brachte seiner kleinen Freundin einen Strauß Anemonen.

      »Für dich,« sagte der Knabe. »Weißt du, wo ich die her habe?«

      »Sag'!«

      »Aus der kleinen Schneegrube. Die hast du doch auch gesehen, weißt du, als wir mit deinem Onkel gingen.«

      »Ja, ich weiß, Jule.«

      »Was machst du denn da?«

      »Ich sticke.«

      »Was machst du da?« Jule schrie es entsetzt heraus.

      »Ich sticke für meine Tante ein Nadelkissen.«

      Jule griff nach der angefangenen Arbeit und entriß sie den Kinderhänden.

      »Das darfst du nicht!« rief er erregt.

      »Aber, Jule!«

      »Nein, die kleine Anna ist daran gestorben!«

      »Weil sie ihrer Tante ein Nadelkissen gestickt hat?«

      »Ich weiß es genau, – du darfst nicht sticken.«

      »Jule, du bist ja dumm, der Onkel hat gesagt, ich kann es tun. Gib mir rasch die Arbeit wieder.«

      »Nein!«

      »Jule, du bist häßlich, du hast mir doch versprochen, immer artig zu sein.«

      »Du wirst auch krank werden,« erwiderte der Knabe. »Die Leute haben es fast alle im Hirschberger Tale erzählt, daß die kleine Anna am Stickhusten gestorben ist. Den kann sie doch nur bekommen haben, weil sie immerfort gestickt hat.«

      »Kriegt man wirklich vom Sticken den Husten?«

      »Die Leute haben es doch gesagt, daß sie den Stickhusten bekommen hat.«

      »Vielleicht weiß das der Onkel nicht. Ich will ihn mal fragen.«

      In diesem Augenblick schritt Professor Bender durch den Garten. Pommerle eilte ihm entgegen und sagte mit glühenden Wangen:

      »Onkel, bekomme ich auch den Husten, wenn ich der Tante das Nadelkissen arbeite?«

      »Nein, mein Kind, warum denn?«

      »Na, der Jule sagt es doch.«

      Der Professor schaute den Knaben an, der noch immer die Stickerei in den Händen hielt.

      »Was hast du denn da wieder geschwatzt, Junge?«

      »Die Anna hat auch den Stickhusten bekommen.«

      »Jule!« sagte der Professor lachend, »du bist und bleibst doch ein Dummkopf. – Weißt du denn nicht, daß der Stickhusten eine Krankheit ist, die nichts mit dem Sticken zu tun hat, die vielmehr ein Husten ist, bei dem man nur schwer Luft bekommt, so daß es den Anschein hat, als ersticke man. – Schäme dich, Jule, so dumm zu sein! Was Stickhusten ist, weiß doch jedes Kind.«

      Der Knabe schüttelte den Kopf. »Die Anna hat aber immerzu gestickt!«

      »Nun laß endlich diese dummen Reden, es wird höchste Zeit, daß du etwas lernst. Du bist fast fünfzehn Jahre alt. Andere Knaben in deinem Alter gehen schon lange in die Lehre, um ein Handwerk zu lernen. Du aber bummelst von Monat zu Monat herum. – Was soll denn später aus dir werden, Junge?«

      »Ich bringe Ihnen doch Steine und Käfer.«

      »Das ist doch keine Beschäftigung für einen Mann. Willst du dein Leben lang nichts Ordentliches tun? Ist es nicht wunderschön, wenn man was Ordentliches gelernt hat? Was sagst du dazu, Jule, wenn ich dich in die Lehre zu einem braven Meister gäbe?«

      »Dann kann ich ja nicht mehr ins Gebirge laufen.«

      »Der liebe Gott hat den Menschen zum Arbeiten, nicht zum Bummeln erschaffen, merk' dir das. Ueberlege dir meine Worte, Jule, – ich denke, es wird das beste sein, wenn du zum Herbst zu einem Schuhmacher oder einem Schmied, einem Tischler oder irgend einem anderen Handwerksmeister gehst. Du kannst mir Bescheid sagen, was du lernen möchtest, Junge. Besprich das mit deiner Mutter. Ich werde dann einen Meister suchen, der aus dir einen tüchtigen und geschickten Handwerker macht.«

      Jule zog zunächst ein langes Gesicht, aber er nickte schließlich zustimmend mit dem Kopfe.

      »Ach ja, Jule,« sagte Pommerle und klatschte in die Hände. »Du mußt ein Tischler werden, wie es bei uns der Meister Hinsche war. Ich bin oft bei ihm in der Werkstatt gewesen. Das war ein gar lieber Mann. – Jule, du mußt auch solch ein Tischler werden!«

      »Ich will es mir überlegen,« erwiderte der Knabe.

      »Das tu nur,« meinte Professor Bender, »und gib mir bald Nachricht, damit ich dich beizeiten unterbringe. Wir haben tüchtige Handwerker am Ort, bei denen kannst du viel lernen.«

      Jule ging davon. Wenn das Pommerle wollte, daß er ein Tischler wurde, wollte er sich die Sache wohl überlegen. Dann konnte er dem Pommerle mal einen schönen Stuhl machen, auf dem es recht bequem saß. Oder für die Puppe einen feinen Schrank, den wollte Pommerle doch schon lange haben. – Es war vielleicht gar nicht so übel, ein Tischler zu werden. Je länger der Knabe darüber nachdachte, um so größer wurde in ihm der Wunsch, dieses Handwerk zu erlernen.

      Er blieb jetzt des öfteren vor der Werkstatt des Tischlers Reichardt stehen und schaute dessen Arbeiten interessiert zu. Wie lustig war es doch, wenn die Hobelspäne nur so umherflogen, wenn sich die Bretter zu einem Ganzen zusammenfügten.

      Bereits nach wenigen Tagen erklärte Jule dem Professor, daß er wohl ein Tischler werden möchte.

      »So ist es recht, mein Junge, ich will nun noch mit deiner Mutter reden, und dann werde ich hören, ob dich Meister Reichardt zum Herbst als Lehrling einstellen kann.«

      Der Professor sprach auch noch mit seiner Frau.

      »Das ist brav von Jule,« sagte Frau Bender, »ich wollte ohnehin heute zu Jules Mutter gehen, um zu hören, wie es ihr geht. Bei der Gelegenheit kann ich ihr gleich von Jules Zukunft sprechen.«

      »Ich hätte dich gerne begleitet, habe aber heute nachmittag eine Verabredung und werde erst spät heimkehren.«

      »Geh nur ruhig, mein lieber Mann, ich bin ja bald wieder zurück.«

      So kam es, daß an diesem Nachmittage Pommerle allein mit dem Dienstmädchen im Hause weilte. Pommerle war wieder im Garten und begoß dort die Blumen. Das Mädchen hantierte in der Küche, erklärte dann aber dem Kinde, daß es noch rasch einholen müsse, doch sei es gleich wieder zurück, Pommerle solle inzwischen im Garten bleiben.

      Das kleine Mädchen zupfte eifrig das Unkraut aus den Beeten. Es war so in seine Arbeit vertieft, daß es nicht bemerkte, daß zwei Wanderburschen am Gartenzaune stehen blieben und sich umschauten. Die Kleidung der beiden Männer war reichlich zerrissen, besonders die Schuhe waren sehr schlecht. Einer der Burschen hatte die Sohle mit einem Bindfaden festgebunden.

      »Guten Tag,« rief der eine der Männer ziemlich laut.

      Pommerle schaute von der Arbeit auf, erhob sich, machte einen Knicks und sagte freundlich: »Guten Tag.«

      »Du bist wohl allein zu Hause?«

      »Ja, ich bin allein, der Onkel und die Tante sind fortgegangen, und die Anna kauft noch rasch etwas ein. Sie wird aber gleich wieder zurück sein.«

      »Da kannst du uns wohl nichts zu essen geben? Wir haben großen Hunger.«

      Pommerles Mitleid erwachte sofort. Die beiden armen Männer hatten Hunger, und das war etwas sehr Schlimmes. Die Tante hatte oft genug gesagt, daß man Hungernde nicht fortschicken dürfe.

      »Ihr müßt etwas warten,« sagte das Kind. »Wenn Anna zurückkommt, wird sie euch etwas geben.«

      »Kannst