Tom Sawyers Abenteuer und Streiche. Mark Twain. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Mark Twain
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Книги для детей: прочее
Год издания: 0
isbn: 9788726642728
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sich förmlich um eine verbotene Gesellschaft rissen und alles drum gegeben haben würden, wenn sie hätten sein dürfen, wie er. Tom, wie alle die andern ordentlichen, anständigen Jungen’, beneidete Huckleberry um seine verlockende Existenz, und es war ihm streng untersagt worden, je mit dem ,schlechten Kerl‘ zu spielen. Gerade darum tat er es denn auch gewissenhaft, wenn sich nur irgend Gelegenheit dazu fand — und tat es mit Wonne. Huckleberry steckte immer in alten, abgelegten Kleidern von Erwachsenen, deren Fetzen und Lumpen nur so um ihn herum hingen. Sein Hut war nur die Ruine einer vormaligen Kopfbedeckung, deren Rand zerfetzt auf die Schultern niederbaumelte. Sein Rock, wenn er überhaupt einen trug, hing ihm bis auf die Füsse und zeigte die hintern Knöpfe etwa in der Gegend der Kniekehlen. Nur ein Träger hielt seine Hosen an Ort und Stelle, Hosen, deren geräumige Sitzpartie zu leer war und sich nur zuweilen im Winde blähte, während die ausgefransten Enden im Schmutz nachschleiften, wenn sie nicht zufällig aufgekrempelt waren. Huckleberry kam und ging, wie es ihm beliebte. Bei schönem Wetter schlief er auf Treppenstufen oder sonst wo, bei schlechtem in leeren Fässern, alten Kisten, oder wo er eben unterkriechen konnte, wählerisch war er keineswegs. Er brauchte nicht zur Schule, nicht zur Kirche, brauchte niemanden als Herrn anzuerkennen, brauchte keiner lebenden Seele zu gehorchen. Er konnte schwimmen und fischen gehen, wann und wo er wollte, konnte bleiben, so lang es ihm behagte. Niemand verbot ihm, sich mit andern zu prügeln, und abends konnte er aufbleiben bis Mitternacht und länger, ihn zankte keiner. Er war der erste, der barfuss lief im Frühling und der letzte, der im Herbste wieder in das lästige Leder kroch. Zu waschen brauchte er sich nie, zu kämmen auch nicht, noch frische Wäsche anzuziehen und fluchen konnte er wie ein Alter, wundervoll. Mit einem Wort alles, alles, was das Leben schön und angenehm macht, besass dieser beneidete Huckleberry im reichsten Masse. So dachte und fühlte jeder einzelne der armen, geplagten, ,anständigen’ Jungen in St. Petersburg. Tom rief also natürlich diesen für ihn romantischsten aller Helden sofort an:

      „Holla, Huckleberry!“

      „Holla, du selber!“

      „Was hast du da?“

      „Tote Katze.“

      „Zeig her, Huck. Herrgott, wie steif! Woher hast du’s?“

      „Gekauft von ‘nem Jungen.“

      „Was hast du dafür gegeben?“

      „‘ne Schweinsblase und ‘nen blauen Zettel.“

      „Woher war denn der blaue Zettel?“

      „Von Ben Rogers, dem hab’ ich vor vierzehn Tagen ‘ne prachtvolle Gerte dafür gegeben.“

      „Zu was kann man denn tote Katzen brauchen, Huck?“

      „Zu was? Ei, um Warzen zu vertreiben.“

      „Nein! Wahrhaftig? Ich weiss noch was Besseres.“

      „Du? Wird was recht’s sein! Was denn?“

      „Wasser aus faulem Holz!“

      „Wasser aus faulem Holz! Ist den Kuckuck nix wert.“

      „Nichts wert? Hast du’s probiert?“

      „Ich nicht, aber Bob Tanner.“

      „Wer hat dir’s gesagt?“

      „Wer? Ei er hat’s dem Willy Thatcher gesagt und der dem Johnny Bäker und der dem Jim Hollis und der dem Ben und der Ben ‘nem alten Nigger und der mir. Da, nun weisst du’s!“

      “Na und was weiter? ‘s ist ja doch nur gelogen! Die lügen alle miteinander, bis auf den Nigger, den kenn’ ich nicht. Aber ich kenn‘ auch keinen Nigger, der nicht lügt, oder du? Jetzt aber erzähl’ wie’s der Bob Tanner gemacht hat mit den Warzen, Huck!“

      „Na, der hat seine Hand in ‘nen alten Baumstumpf gesteckt, in dem Regenwasser war.“

      „Am Tag?“

      „Natürlich.“

      „Mit dem Gesicht nach dem Baum zu?“

      „Gewiss, ich glaub’ wenigstens.“

      „Hat er was dazu gesagt?“

      „Was weiss ich? — wahrscheinlich nicht!“

      „Aha! Da haben wir’s! Und dann will der Kerl Warzen mit faulem Wasser kurieren und stellt sich so an! Da kann’s natürlich nichts nützen. Ich will dir sagen, wie man’s macht. Erst geht man ganz mutterseelenallein mitten in den Wald, wo man einen alten Baumstumpf mit Wasser weiss und dann, wenn’s Mitternacht ist, stellt man sich mit dem Rücken nach dem Stumpf zu, tunkt die Hand ins Wasser und sagt: Schreit die Eule, quakt der Frosch, scheint der Mond darauf, Faules Wasser, Zauberwasser zehr’ die Warzen auf!

      „Danach tritt man rasch mit geschlossenen Augen elf Schritt vor, dreht sich dreimal um sich selbst und geht heim, ohne mit jemand ein Wort zu reden. Denn wenn man das tut, ist der Zauber gebrochen!“

      „Na, das lässt sich hören, so aber hat’s der Bob nicht gemacht, das weiss ich gewiss!“

      „Ja, da hast du wahrlich recht, denn der ist jetzt noch der warzigste Jung’ in der Schule und wenn er sich mit dem faulen Wasser nicht dumm angestellt hätte, so brauchte er keine einzige mehr zu haben. Ich bin so schon über tausend Warzen los geworden, Huck. Ich greif’ so viele Frösche an, dass ich immer ein paar Dutzend Warzen an den Händen habe. Manchmal nehm’ ich auch eine Bohne.“

      „Ja, Bohnen sind gut. Das hab’ ich schon selbst probiert.“

      „Wirklich? Wie machst du’s?“

      „Ei, ich nehm’ die Bohne und schneid‘ sie in zwei Stücke, ritz’ dann die Warze blutig und tröpfle das Blut auf das eine Stück der Bohne und vergrab’ das um Mitternacht beim Vollmond am Kreuzweg. Das andere Stück wird verbrannt. Jetzt zieht und zieht das blutige Stück und will das andre nachziehen, und das Blut zieht mit und zieht, bis die Warze fort ist. So mach’ ich’s.“

      „Und das ist auch ganz richtig, Huck, nur hilft’s noch mehr, wenn du beim Vergraben sagst: ,Fort die Bohne, Warze fort, komm’ nicht mehr zum alten Ort.‘ Das ist ausgezeichnet, sag’ ich dir. So macht’s Joe Harper und der war schon beinahe in Cronville und fast überall. Aber das mit der toten Katze, das weiss ich nicht.“

      „Na, das ist einfach. Du nimmst die tote Katze und gehst auf den Kirchhof, so um Mitternacht herum, auf das Grab von irgend einem schlechten Kerl. Schlag zwölf kommt dann der Teufel, vielleicht auch zwei oder drei, man sieht sie nur nicht und hören tut man nur so was wie Wind. Und wenn sie dann den Kerl mit sich fortnehmen, schmeisst man ihnen die Katze nach und ruft:

      Will der Deubel sich versehn,

      Muss die Katze noch drein gehn,

      Warze fliegt auch hinterdrein,

      Werd’ alle drei los dann sein!

      „Das vertreibt dir jede Warze noch vor der Geburt.“

      „Klingt nicht übel. Hast du’s mal probiert, Huck?“

      „Nee, aber die alte Mutter Josephine hat’s mir gesagt.“

      „Na, die muss es wissen, das soll ja ‘ne Hexe sein.“

      „Soll sein! Ist’s, Tom, ist’s, das weiss, ich genau. Die hat meinen Alten behext, das sagt der immer. Wie der einmal an ihr vorbeigegangen ist, hat er grad‘ gesehen, wie sie ihn behext hat und da hat er einen Stein genommen und den nach ihr geschmissen; wenn die sich nicht gebückt hätt’, wär‘ sie längst keine Hex‘ mehr. Na, und in derselbigen Nacht ist mein Alter von einer Mauer gefallen, auf der er gelegen hat und geschlafen, weil er betrunken war und hat den Arm gebrochen.“

      „Puh, das ist ja grässlich! Woran hat er denn gemerkt, dass sie ihn behext?“

      „Woran? Ei, das weiss mein Alter ganz genau. Er sagt, wenn sie einen immerzu anstarren und was dazu brummen, dann behexen sie einen, besonders, wenn sie brummen und was vor sich hin murmeln. Dann sagen sie das Vaterunser rückwärts.“

      „Sag’