Im Sinne der Gerechtigkeit. Anne Gold. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Anne Gold
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783724524465
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Borers sarkastischer Unterton war nicht zu überhören.

      «Das wissen wir noch nicht, doch wir sind ihm auf der Spur.»

      «Aha.»

      «Schoch wurde mit zwei verschiedenen Pistolen erschossen.»

      «Ist nicht wahr!!!»

      «Nader verletzte ihn nur leicht. Er rannte davon und wurde beim Hammering Man vom wirklichen Täter niedergestreckt.»

      «Interessant.»

      «Der Täter lag sehr wahrscheinlich auf der Lauer. Als Schoch verletzt aus dem Haus von Nader schwankte, folgte er ihm.»

      «Beeindruckend.»

      «Wir werden den wirklichen Täter fassen und Ihnen bald präsentieren.»

      «Hervorragend. Wann kann ich damit rechnen?»

      «Spätestens morgen Abend.»

      «Ausgezeichnet. Ich gratuliere Ihnen, Ferrari.»

      «Danke.»

      «Dann wünsche ich allseits einen geruhsamen Feierabend, Herrschaften. Einfach genial, wie unser Kommissär auch die höchsten Hürden mit einer Leichtigkeit sondergleichen überspringt. Besser und schneller als Karsten Warholm. Was heisst Hürden? Er versetzt ganze Berge zum Wohle der Menschheit.»

      Das schallende Gelächter des Staatsanwalts hallte im ganzen Kommissariat.

      «Was sollte denn das?»

      «Borer wird immer seltsamer. Soll ich dich nach Hause fahren?»

      «Nein, danke. Ich nehme den Dreier. Dem wird sein Lachen noch vergehen.»

      Der Dreier bremste abrupt und fuhr nun im Schritttempo auf die Haltestelle zu. Eine ältere Frau war nur dank des blitzartigen Eingreifens zweier Schülerinnen nicht vom Tram erwischt worden. Doch anstatt sich für ihre Unvorsichtigkeit zu entschuldigen, drohte sie dem Tramchauffeur mit der Faust. Eine verkehrte Welt. Ferrari stieg kopfschüttelnd ein. Wie immer zu Stosszeiten waren fast alle Sitzplätze belegt. Mit Wehmut dachte Ferrari an früher. Da gab es noch Tramzüge mit Anhängewagen und sein Lieblingsplatz befand sich im hintersten Wagen vorne rechts. Tja, wie heisst es so schön: Das einzige Beständige ist der Wandel. Die Fahrt verlief ohne weitere Störungen. An der Endstation überquerte der Kommissär die Strasse und ging durch ein Waldstück nach Hause. Aus dem Garten vernahm er Frauenstimmen. Oh nein, Hexenbasar! Aber heute ist doch nicht Donnerstag. Sehr seltsam. Da stimmt etwas nicht. Monika hätte mich ruhig vorwarnen können, dass ihre Freundinnen ausnahmsweise am Dienstagabend zu uns kommen. Am Anfang trafen sie sich immer am ersten Donnerstag im Monat, dann wurde es plötzlich jeden Donnerstag. Hm, am besten ich kehre um und bleibe eine oder zwei Stunden im Dorf oder tauche bei einem Nachbarn unter. Puma, die kleine schwarze Katze, begrüsste ihn lautstark und schmiegte sich an seine Beine. Pst, kleine Maus. Zu spät! Eine der Hexen ist bereits auf uns aufmerksam geworden.

      «Francesco ist da! Oh, wie schön.»

      Die nächste halbe Stunde war gelaufen. Ferrari liebte es zwar, von attraktiven Frauen umgarnt zu werden, aber die Ansammlung von akademischen Intelligenzbestien war über seinen Verhältnissen. Ein Glas Wein hier, ein Häppchen da, selbstgemacht versteht sich, dann ein Stück Kuchen, eine Eigenkreation von Stefanie, obwohl sie eigentlich keine freie Minute hat, weil sie im Moment an der Uni voll ausgelastet ist. Alles untermauert mit passenden, meistens lateinischen Zitaten oder sonstigen überkandidelten Bemerkungen. Und mittendrin Monika, die das Ganze in vollen Zügen geniesst.

      «Noch ein Stück Kuchen?»

      «Danke, ich bin randvoll. Wieso trefft ihr euch heute? Normalerweise kommt ihr doch am Donnerstag zusammen.»

      «Krisensitzung!»

      Ferrari schaute überrascht von seinem Teller auf.

      «Was für eine Krisensitzung, Sandra?»

      «Soll ich es ihm sagen?»

      Die Hexen sassen stumm am Tisch. Diese Ruhe, dass ich das noch erleben darf. Ich höre sogar Pumas Schmatzen aus der Küche.

      «Vielleicht kann er uns helfen. Er ist schliesslich Kommissär.»

      Drei, vier, fünf. Es fehlen zwei. Nadine und?

      «Wo ist Cloe?», die mag ich von allen am besten. Bei der fühl ich mich nicht wie ein Volltrottel.

      «Wissen wir nicht.»

      «Was heisst das? Du steckst doch immer mit ihr zusammen, Li.»

      «Seit unserem letzten Treffen meldet sie sich nicht mehr.»

      «Bei niemandem von uns. Ich war sogar bei ihr zu Hause. Philipp weiss auch nicht, wo sie ist.»

      «Ich verstehe euch richtig, Cloe ist seit letztem Donnerstag verschwunden und niemand weiss, wo sie ist? Hattet ihr eine Auseinandersetzung?»

      «Nein. Wir streiten nie.»

      «Was ist mit Philipp?»

      «Er war an einem Zahnärztekongress in Hamburg. Er ist erst gestern Abend zurückgekommen. Offenbar telefonierten sie jeden Tag und alles schien in bester Ordnung. Als er gestern nach Hause kam, war Cloe nicht da.»

      «Sie ist verschwunden.»

      «Blödsinn. Cloe verschwindet nicht einfach, Stefanie.»

      «Eigenartig. Und niemand hatte seit letztem Donnerstag Kontakt zu ihr?»

      «Mir schrieb sie am Freitag eine Whatsapp. Willst du sie sehen?» Birgit hielt dem Kommissär ihr iPhone hin.

      «Bin extrem müde. Brauche ein Timeout … Stress mit Phil? … Es wächst mir alles über den Kopf … Kann ich dir helfen? … Ich komm klar, aber danke … Wir sind für dich da, wenn du uns brauchst.»

      Die Korrespondenz endete mit einem Herz, einem lachenden und zwei weinenden Smileys.

      «Wo wohnen sie?»

      «In der Maulbeerstrasse im Haus ihrer Eltern. Nicht gerade meine liebste Gegend, aber Cloe gefällts.»

      Die Hexen schauten den Kommissär erwartungsvoll an.

      «Ich unterhalte mich mit Philipp. Dass Cloe alles hinwirft und abhaut, passt nicht zu dem Bild, das ich von ihr habe.»

      «Wir begleiten dich.»

      «Lieber nicht. Ein Grossaufgebot ist meist nicht effizient.»

      «Glaubst du, dass Phil sie festhält?»

      «Vielleicht liegt sie gefesselt im Keller.»

      «Oder sie ist bereits tot.»

      «Dann rächen wir sie. Wir foltern ihn, bis er um Gnade winselt.»

      «Nun mal langsam. Bevor hier jemand massakriert wird, sollten wir ein vernünftiges Gespräch mit dem potenziellen Täter führen. Es gibt bestimmt eine einfache Erklärung. Ihr bleibt jetzt ruhig hier sitzen. Monika, wo sind die Autoschlüssel?»

      «Ich fahre dich.»

      Zwanzig Minuten später hielt Ferraris Lebensgefährtin vor einem schönen kleinen Haus in der Maulbeerstrasse.

      «Soll ich auf dich warten?»

      «Du kommst nicht mit rein?»

      «Wenn Phil etwas mit dem Verschwinden von Cloe zu tun hat, erfährst du es eher in einem Gespräch unter Männern. Francesco, ich muss dir noch etwas beichten. Vor drei Wochen bat mich Cloe um ein Darlehen.»

      «Wie viel?»

      «Zwanzigtausend.»

      «Erwähnte sie, wofür sie das Geld braucht?»

      «Nein, und ich fragte nicht danach. Sie wollte es mir in zwei Monaten zurückzahlen.»

      «Was verdient Cloe als Werberin im Monat?»

      «So genau weiss ich es nicht. Wir gehören alle sieben zu den sehr gut verdienenden.