Im Sinne der Gerechtigkeit. Anne Gold. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Anne Gold
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783724524465
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Fabian wirklich der Täter ist, weshalb liess er dann die Tatwaffe nicht verschwinden?»

      «Eine gute Frage.»

      «Ganz schön dumm von ihm. Trotzdem, es kann Notwehr gewesen sein.»

      «Davon wirst nicht einmal du einen Richter überzeugen.»

      «Wieso?»

      «Schoch wurde von hinten erschossen.»

      «Hm! … Fahren wir zuerst zu Peter. Vielleicht gibts schon erste Resultate.»

      Gerichtsmediziner Peter Strub sass neben der Leiche, ass ein Sandwich und schlürfte eine Tasse Kaffee. Offensichtlich machte er eine Pause.

      «Auch einen Kaffee?»

      «Nein, danke. Können wir uns in deinem Büro unterhalten?», fragte Ferrari, der sich sichtlich unwohl fühlte.

      «Keine Sorge, wir sind unter uns. Dieser Schoch ist mausetot, toter geht nicht mehr. Ich dachte mir schon, dass ihr reinschneit. Schliesslich ist der Mörder ein Freund eines eurer Freunde. Allerdings bewegt ihr euch da in einer zwielichtigen Gesellschaftsschicht. Man könnte sagen, der Pate ruft und sein Lakai erledigt die Drecksarbeit.»

      «Wenn du nicht in einer deiner Kühlkammern landen willst, solltest du dich ein wenig zurückhalten.»

      «Deine Reaktion sagt alles, Francesco.»

      «Du kannst dir weitere Beleidigungen sparen.» Strub blickte irritiert zu Nadine. «Ich meine es ernst. Dein Spruch ist vollkommen daneben, Francesco arbeitet sehr seriös. Und übrigens, Mark ist auch mein Freund. Ich stehe sogar auf seiner Lohnliste. Was glaubst du, wer mein Luxusleben samt Porsche finanziert?»

      «Mann, heute seid ihr beiden aber besonders empfindlich. Ich darf doch wohl noch einen Scherz machen.»

      «Schlechter Joke. Was kannst du uns zu dem Toten sagen?»

      «Noch nicht sehr viel. Er hatte Kokain im Blut und wurde von hinten erschossen. Ich vermute, dass er sich beim ersten Schuss abgewendet hat. Die Kugel drang hier auf dieser Seite ein», Strub legte den Leichnam frei und deutete auf ein Einschussloch. «Die Kugel blieb stecken, vermutlich handelt es sich um eine 9mm-Waffe. Dieser Schuss war nicht tödlich.»

      «Gibt es ein zweites Einschussloch?»

      «Ja, unterhalb des Herzens. Der Mann scheint trotz des Koks ziemlich in Form gewesen zu sein, sonst hätte er sich mit dieser schweren Verletzung nicht noch einige Hundert Meter bis zum Hammering Man schleppen können. Die Ärzte operierten ihn sofort, doch er war zu schwach. Mich erstaunt, dass er überhaupt noch bei Bewusstsein war, als er ins Unispital eingeliefert wurde. Ach ja, die zweite Kugel haben wir nicht gefunden. Es war ein klarer Durchschuss.»

      «Die liegt bestimmt im Büro von Nader.»

      «Nein, dort haben wir nichts gefunden. Vermutlich ist Nader ihm nachgerannt und hat nochmals auf ihn geschossen. Das kann auch auf der Strasse gewesen sein. Die Kugel ist nirgends auffindbar … Wo ist eigentlich Francesco?»

      «Eine gute Frage.»

      Der Kommissär sass bleich, mit einem Papiertaschentuch vor dem Mund im Büro des Gerichtsmediziners.

      «Du kotzt mir aber nicht mein Büro voll», mahnte Strub.

      «Es … es geht schon wieder.»

      «Lass ihm einen Kaffee raus, Nadine. Nimm am besten zwei der schwarzen Kapseln … Du bist und bleibst ein Weichei! Das war noch gar nichts. Wenn du noch eine halbe Stunde bleibst, kannst du zusehen, wie wir ihn aufschneiden.»

      Das war des Guten zu viel. Ferrari schoss hoch und rannte aus dem Büro in Richtung Toilette.

      «Wo ist denn Francesco?», fragte Nadine verwundert mit einem Pappbecher Kaffee in der Hand.

      «Er musste kurz austreten. Es ist jedes Mal kurzweilig mit euch, ihr solltet öfters bei mir reinschauen.»

      «Das hättest du wohl gerne.»

      «Du solltest nach ihm sehen. Und sag ihm, dass er immer herzlich willkommen ist. Soll ich dir morgen den Abschlussbericht bringen?»

      «Wenn es keine neuen Erkenntnisse gibt, kannst du ihn Borer auf den Tisch legen.»

      «Gut, mach ich. Dieser Nader wird mit einer satten Strafe rechnen müssen. Das war Totschlag. Falls Borer die Anklage übernimmt, wird er vermutlich sogar auf Mord plädieren.»

      Der Kommissär wartete draussen. Nach über dreissig Jahren konnte er noch immer keine Leichen sehen. Schon allein der Geruch in der Pathologie trieb ihm den Schweiss auf die Stirn.

      «Das war aber harmlos.»

      «Allein beim Gedanken, dass er ihn aufschneidet und dann wieder zusammenflickt, wurde mir schlecht.»

      «Du hättest Peters Grinsen sehen sollen. Er wird seine Spässchen in Zukunft rund um seine Toten machen. Da kann er dich am besten vorführen.»

      «Pervers, schlicht pervers. Den ganzen Tag schnippelt er an leblosen Körpern herum.»

      «Ich sage es ungern, aber das Obduzieren ist wichtig. Er konnte uns schon viele wertvolle Hinweise geben. Was hast du mitbekommen?»

      «Schoch schleppte sich von der Langen Gasse einige Hundert Meter bis zum Aeschenplatz. Dort brach er zusammen.»

      «Nader schoss zweimal auf ihn.»

      «Das ist mir neu. Und trotzdem gelang es Schoch, zu fliehen?»

      «Ja, offenbar. Nehmen wir uns jetzt Nader zur Brust?»

      «Gleich, zuerst muss ich im Büro einen heissen Kaffee trinken.»

      Ferrari traute seinen Augen nicht. Auf seinem Tisch türmten sich zwei Aktenberge. Achtlos schob er sie zur Seite.

      «Gfeller bedankt sich für Ihre Unterstützung.» Staatsanwalt Borer trat ohne Klopfen ein. «Wenn Sie Informationen benötigen, nur anrufen.»

      «Bis ich diese Dossiers durchgeackert habe, ist Weihnachten.»

      «Sehen Sie es sportlich. Wenn Sie den Fall lösen, wird Ihnen die Regierung ein Denkmal setzen. Eigentlich ist nur der linke Stoss relevant, das sind die vier Morde. Auf dem rechten finden Sie die Gerichtsakten. Die vier Toten waren … nun, wie soll ich sagen? … ziemliche clevere Typen.»

      «Mir wäre die Akte Schoch-Nader lieber.»

      Staatsanwalt Borer nahm das oberste Dossier vom Stapel und klatschte es Ferrari auf den Tisch.

      «Ich arbeite Ihnen zu. Sechs von Ihren achtundvierzig Stunden haben Sie bereits verplempert. Ich bin gespannt, wie Sie Nader rausboxen wollen. Ich war inzwischen nicht untätig.» Borer öffnete das Dossier. «Während Sie Freunde besuchten, nahm ich das Protokoll auf. Es ist zwar nicht mein Job, aber da kein Ermittler zur Stelle war, sprang ich ein. Anina tippte es ab. Ein lupenreines Geständnis. Ohne Druck anzuwenden, es sprudelte nur so aus Nader heraus. Er ist ohne Zweifel der Täter. Mit etwas Glück kommt er mit Totschlag davon. Übrigens, fair, wie ich bin, baute ich ihm sogar eine Brücke. Auf Seite zwei nachzulesen. Ich fragte ihn, ob Schoch auf ihn losgegangen sei. Die Antwort war ein deutliches Nein.»

      «Sie sind ein richtiger Wohltäter.»

      «In der Tat. Nun, ich will nicht weiter stören. Die Zeit läuft. Und glauben Sie ja nicht, dass Sie einen Aufschub kriegen. Nach zwei Tagen ist Schluss. Dann gehts ganz anders zur Sache. Man sieht sich, Herrschaften.»

      Ferrari las zuerst das Vernehmungsprotokoll und vertiefte sich dann in die Akte Schoch. Knapp vierzig und mehrfach wegen Diebstahl verurteilt. In einer Anklageschrift ging es um Vergewaltigung. Obwohl Richter Kohler von seiner Schuld überzeugt war, konnte ihm das Vergehen nicht nachgewiesen werden. Ein Freund bezeugte zudem vor Gericht, dass er zur Tatzeit mit Schoch unterwegs gewesen sei. Der letzte Fall betraf die Anzeigen von Rakic, Hotz und einigen Stiftungen. Auch hier war Richter Rupf der festen Überzeugung, dass Schoch die Gelder kassiert hatte, was dieser nicht einmal bestritt. Die Anklage warf Schoch Veruntreuung