Das deutsche Herz. Adolf Schmitthenner. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Adolf Schmitthenner
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788726642926
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sagte Hannes, der breitbeinig mitten im Torweg stand, „wenn ich die Herrschaft wär’, ich tät’ all mein Geld in Niederland verzehren.“

      „Hä“, erwiderte Peter und biß in ein Käsebrot.

      „Keinen Kreuzer gäb’ ich den Odenwälder Bauern zu verdienen. Das sind Halunken! Ich tät’ mich in meine Kutsche setzen und tät’ durchs Niederland fahren, immer auf und ab. Da ist schöner, ebener Weg. Und ich hätt’ einen Papagei bei mir, der müßt’ immer sagen: ‚Neckarschleim — pfui Teufel‘.“

      In diesem Augenblick klopfte es an das Tor. Hannes warf einen halben Blick hinter sich nach der Pforte und sagte vor sich hin: „Wollte Gott, unsre Herrschaft säße in der Kutsche zwischen Gent und —“

      Er besann sich.

      „Zwischen Gent und selbiger andern großen Stadt in Niederland, dann hätten wir doch unsre Ruh’.“

      Es hatte derweilen, während Hannes sich besann und seinen Satz vollendete, zum zweiten und dritten Male gepocht.

      „Wird’s bald?“ rief eine bekannte Stimme.

      Hui, wie schnell war der Riegel zurückgeschoben.

      Peter geriet in Verlegenheit und stopfte sich den Mund voller Brot.

      „Der Malefizriegel geht so schwer“, sagte Hannes und machte sich an ihm zu schaffen.

      „Besonders wenn man ihn nicht anrührt“, rief der Junker unmutig. Er trat ein und stellte sich vor den Torwärter in der Absicht, ihn zu schelten. Peter sah ihn mit einem rührenden Blicke an und schob ein weiteres großes Stück Brot in den Mund. Friedrich mußte bei diesem Anblick lachen; sein Unmut war dahin. Er wandte sich zu Hannes, der unters Tor getreten war, dem Hunde zu pfeifen.

      „Wo bleibt denn das Vieh!“ rief er und schaute dienstbeflissen rechts und links hinunter.

      „Ich habe keinen Hund bei mir“, sagte Friedrich.

      Hannes pfiff trotzdem noch eine Weile fort, dann kam er herein, drückte beide Daumenballen auf seinen Mund und murmelte durch den Spalt hindurch: „Die Backen tun mir weh, so hab’ ich mich angestrengt.“

      Friedrich schaute belustigt von einem seiner Torwärtel zum andern.

      „Ihr lungert etwas zusammen, ihr Tagdiebe! Das gäbe genug für eine ganze Armee im Winterquartier. — Ist die Kutsche gekommen?“

      „Gestern abend“, sagte Hannes. „Der Meister aus Gent hat sie selber gebracht. Er hat zwei Apfelschimmel — wenn ich der Junker wär’, tät’ ich —“

      „Wo ist die Kutsche?“

      „Sie steht droben in der Wagenscheuer. Der Kutschenbauer aus Gent wohnt drunten im ‚Löwen‘. Vorhin ist er heraufgekommen, nachzusehen, ob die Kutsche recht geschmiert worden ist. Ich mein’, zu einer so vornehmen Kutsche sollte man keine Odenwälder Wagenschmier nehmen, sondern lauter Schweineschmalz. Wir haben’s ja!“

      „Meinst du? Geh mal hinunter in die Stadt und sag dem Bürgermeister, daß ich gekommen bin. Ich bleibe hier bis morgen mittag.“

      Der Junker ging langsam über den zweiten Graben und durch das innere Tor in den Burghof. Von allen Seiten sprangen ihm die Hunde entgegen, und die Knechte und Mägde kamen heran und begrüßten ihren Herrn.

      Im inneren Burghof beim rauschenden Brunnen stand der Prachtwagen. Er war so groß, daß der ganze Hof angefüllt schien. Friedrich begrüßte den Meister aus Gent, der ihm den Wagen gebaut und hergeführt hatte, und ließ sich die Kutsche in all ihren Teilen und ihren Zusammenhängen erklären. Er erkundigte sich, ob sie auch glatt und ohne anzustreifen durch alle Tore und Wege der Burg fahren könne, worauf ihm der Meister erwiderte, daß die ihm angegebenen Maße genau berücksichtigt seien. Nachdem sich der Junker noch hatte zeigen lassen, wie die gewöhnlichen Schmiede und Wagner bei einem etwaigen Achsenbruch Abhilfe schaffen können, erklärte er sich für befriedigt und bereit, den bedungenen Lohn zu zahlen. Er führte den Meister in die Schreibstube, ließ eine Kanne Muskateller und einen Imbiß bringen, und während sich der Niederländer gütlich tat, zählte er die Goldstücke auf den Tisch.

      „Den silbernen Becher, aus dem Ihr trinkt, nehmet mit zum Gedenken an Burg Hirschhorn“, sagte er und hielt dem Meister die Quittung hin. Dieser unterzeichnete. Dann strich er das Geld in seinen Lederbeutel, besah wohlgefällig den geschenkten Becher und leerte ihn auf das Wohl all derer, die in der Kutsche zum Schloß Hirschhorn aus- und einfahren würden.

      „Eine solche Kutsche, wie Ihr sie habt, ist nur noch ein zweites Mal vorhanden“, sagte er.

      Der Junker, der gerade ein Wandschränkchen öffnete, um die Quittung hineinzulegen, fragte gleichgültig: „Wem gehört die andre?“

      „Der Beußerin von Ingelheim“, sagte der Meister, zog ein Stück Hirschleder aus der Tasche und wickelte den silbernen Becher darein.

      Der Junker war bei dem Namen zusammengezuckt.

      „Ihr kennt die Dame?“ fragte der Genter und schob den Becher in das Wams.

      Der Junker hatte sich gefaßt.

      „Früher habe ich sie einmal gesehen.“

      „Das ist eine grausam reiche Frau und immer noch schön trotz ihrer fünfundsechzig Jahre. Ich habe ihr den Wagen nach Mainz geführt, zugleich mit dem Eurigen.“

      „Ist sie in Mainz?“ rief Friedrich erschrocken.

      „Nicht mehr. Aber sie war dort bis vor wenig Tagen.“

      „Wohnt sie denn nicht mehr zu Erfurt?“

      „Sie ist wieder Witwe.“

      „So ist der Kanzler von Eberbach gestorben?“

      „Freilich. Sie wohnte eine Weile in Mainz. Aber das war ihr zu langweilig, sagte sie mir. Sie wolle in ihrem Schlosse Handschuhsheim wohnen. Kennt Ihr dieses Schloß?“

      „Ich kenne es“, sagte Friedrich. Er war bleich geworden.

      „Aber vorher will sie die Welt besehen. Sie ist nach Italien gefahren.“

      „Gott sei Dank!“

      „Wie meint Ihr?“

      „Glückliche Reise.“

      „Grausam reich muß sie sein.“

      „Ich glaube es.“

      „Ich habe beide Kutschen zusammen nach Mainz geführt. Dort erst habe ich die Wappen gemalt. Auch sie trägt Lehen von Mainz. Auf der kurfürstlichen Kanzlei hat man mir die Bilder gegeben und die Farben gewiesen.“

      Friedrich nickte mit dem Kopf.

      Der Wagenbauer stand auf und rückte seinen Stuhl an den Tisch. Friedrich trat auf ihn zu, seines Abschieds gewärtig. Aber der Genter wollte seine Geschichte zu Ende erzählen.

      „Sie hat mich in meiner Herberge aufgesucht, als ich im Hofe die Wappen malte. ‚Ei, da ist ja noch eine zweite Kutsche‘, sagte sie ärgerlich; ‚wer bekommt denn die?‘ Sie ging um den Wagen herum und sah das Wappen.

      ‚Hirschhorn!‘ rief sie aus. ‚Das ist doch wunderlich.‘

      ‚Hirschhorn am Neckar‘, sagte ich.

      ‚Hirschhorn, Hirschhorn‘, sagte sie ein Mal übers andre Mal. Sie öffnete den Kutschenschlag und sah hinein.

      ‚Ich möchte spüren, wie man drinnen sitzt‘, sagte sie und wollte hineinsteigen.

      ‚Das hier ist Eure Kutsche‘, sagte ich, ‚diese ist dem Hirschhorner seine.‘

      ‚Eben deswegen‘, meinte sie und stieg in den Wagen und setzte sich zuerst auf den Rücksitz und dann auf den Vordersitz.

      ‚Ich habe sie eingeweiht‘, sagte sie, als sie herausgestiegen war. ‚Erzählt ihm dies, erzählt ihm dies.‘

      ‚Es wird ihn