Lost Island. Annika Kastner. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Annika Kastner
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783947115204
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eben­falls. In ei­nem an­de­ren Le­ben wä­re ich mit ihm et­was trin­ken ge­gan­gen und hät­te si­cher­lich viel Spaß ge­habt.

      »Dein Freund? Ern­ste Ge­schich­te?«, fragt er mit ei­nem Aus­druck im Ge­sicht, als wür­de er in ei­ne Zi­tro­ne bei­ßen. Ich zö­ge­re nur ei­ne Se­kun­de, ehe ich ant­wor­te. Er ge­fällt mir, lei­der. Doch in mei­nem Um­feld ist kein Platz für an­de­re, erst recht nicht für Poli­zis­ten. Egal wie at­trak­tiv und lus­tig er ist oder was für brei­te Schul­tern er hat – und mal voll­kom­men da­von ab­ge­se­hen, dass die­se mich qua­si ein­laden, mich in sei­ne mus­ku­lö­sen Ar­me zu wer­fen, um mich vor der Welt zu ver­ste­cken. Ich bin ein­fach schon zu lan­ge allei­ne, das hat mich ei­nen Mo­ment weich wer­den las­sen.

      »Fin­dest du dei­ne Fra­ge nicht sehr dreist? Aber ja. Wir sind seit Ewig­kei­ten zu­sam­men.« Ich ver­su­che, ent­schul­di­gend zu lä­cheln, zu­cke da­bei mit den Ach­seln. Los, nun hör auf, zu boh­ren, bit­te ich still! Geh ein­fach!

      Er fährt sich durch das dun­kel­brau­ne Haar, es bleibt in allen Rich­tun­gen ste­hen, was ihm et­was Jun­gen­haf­tes ver­leiht. Zu gern wür­de ich die Dis­tanz über­win­den und … Stopp! Jetzt ge­hen mei­ne Ge­dan­ken zu weit. Er hat Cha­ris­ma und ei­ne so char­man­te Art an sich, dass es mich noch trau­ri­ger macht, ihn ver­let­zen zu müs­sen. Und sein Körper ist wahr­haf­tig … Wow! Ich muss ihn ein­fach noch­mal mus­tern. Er ist groß und schlank, nicht ma­ger, eher außer­or­dent­lich gut ge­baut. Un­ter sei­nem en­gen Laufs­hirt zeich­nen sich statt­li­che Mus­keln ab, die mich weich wer­den las­sen … Und sein Bizeps … Oh ja. Sein Haar reicht ihm knapp über die Oh­ren, ist voll­kom­men ver­wu­schelt. Die leicht ge­bräun­te Haut ver­rät mir, dass er viel Zeit in der frei­en Natur ver­bringt. Aber was mei­nem Herz ei­nen Hüp­fer ver­setzt, sind sei­ne Augen. Die­ses tie­fe Grün, wun­der­schön. Es er­in­nert mich an die Wäl­der in mei­ner Heimat. Da­zu sein schie­fes Lä­cheln. Selbst die klei­ne Nar­be an der lin­ken Augen­braue passt per­fekt zu ihm. Was sie wohl für ei­ne Ge­schich­te er­zäh­len wür­de? Er wirkt eher wie ein Bad­boy und nicht wie ein Ge­set­zes­hü­ter. So kann man sich täu­schen und für je­man­den wie mich, der so­lan­ge kei­nen Kon­takt zu männ­li­chen We­sen ge­habt hat, ist er ein wah­rer Le­cker­bis­sen.

      »Das heißt, dass du nichts mit mir trin­ken willst?« Hoff­nung blitzt in sei­nen Augen auf.

      »Ge­nau, das heißt es. Mein Freund fin­det so et­was nicht wit­zig.« Eigent­lich ist sei­ne Fra­ge ziem­lich un­ver­schämt, wä­re ich wirk­lich ver­ge­ben, aber das ver­zei­he ich ihm. Immer­hin bin ich auf den Flirt zu­vor ein­ge­gan­gen. Hät­te ich tat­säch­lich ei­nen Freund, wür­de das kein gu­tes Licht auf mich wer­fen.

      »Wie­so lässt er dich so ganz allei­ne an den Strand ge­hen? Ich wür­de je­de Mi­nu­te mit mei­ner Freun­din nut­zen, wenn ich mit ihr im Ur­laub bin.«

      »Wir woh­nen hier«, rutscht es mir her­aus und ich tre­te von ihm weg.

      Sein Ge­sicht ent­gleist. »Du lebst hier? Seit wann? Wo?«

      Ich Idio­tin. Jetzt ha­be ich sei­ne Neu­gier­de er­neut ge­weckt. Wie blöd kann man denn sein? »Ähm, ich muss los.« Mir fällt nichts Bes­se­res ein, als mich um­zu­dre­hen und den Strand ent­lang zu jog­gen. Nur weit weg von die­sen grü­nen Augen und sei­nem in­ten­si­ven Blick.

      »Hey, ich weiß nicht mal dei­nen Na­men«, ruft er, doch ich wer­de ge­ret­tet, denn zwei Mäd­chen kom­men auf mich zu und win­ken ihm.

      »Nick. Hey«, grüßt ei­ne von ih­nen – ei­ne kur­vi­ge Brü­net­te. Sie strahlt ihn mit ei­nem Hun­dert-Watt-Lä­cheln an, streckt die Brust raus, mar­schiert dann ent­schlos­sen über den Sand, ih­rem Opfer ent­ge­gen. Es ist mehr als deut­lich, was sie von ihm will. Ich bei­ße mir auf die Lip­pe, schaue nicht zurück. Es ist bes­ser so. Ver­mut­lich ist er oh­ne­hin der letz­te Schür­zen­jäger, so wie er sich gibt. Ein Hauch von Eifer­sucht wallt in mir auf, ob ich will oder nicht.

      Den rest­li­chen Tag ver­krie­che ich mich im Gar­ten, le­ge ein Hoch­beet für Ge­mü­se an, um et­was zu tun zu ha­ben und mich ir­gend­wann selbst ver­sor­gen zu kön­nen. Um­so sel­te­ner muss ich un­ter Men­schen und hin­un­ter in den klei­nen Laden ge­hen. Außer­dem ist es be­frie­di­gend, sein ei­ge­nes Ge­mü­se an­zu­bauen und zu ern­ten. Lei­der muss ich da­bei immer wie­der an die grü­nen Augen den­ken, was mich schre­cklich nervt. Bin ich wirk­lich so leicht zu be­ein­drucken? Als hät­te ich kei­ne an­de­ren Sor­gen als ei­nen Ty­pen. Po­li­zist, er­in­ne­re ich mich si­cher­heits­hal­ber noch ein­mal. Ich bin ei­ne Idio­tin. Vor al­lem, da die­ser Typ zu ein­hun­dert Pro­zent je­dem weib­li­chen We­sen auf der In­sel nach­jagt. Ty­pen, die so aus­se­hen wie er und sich so be­neh­men, sind Frau­en­helden, das ken­ne ich noch aus mei­ner Schul­zeit. Und da­zu ist er ein Cop, das ist der wich­tigs­te Punkt. Ta­bu, ta­bu und ta­bu. Drei­mal ta­bu. »Hör auf, über­haupt an ihn zu den­ken«, knur­re ich mich selbst an. Storm hebt den Kopf und schaut mich ver­wun­dert an. Ver­mut­lich glaubt er, dass ich den Ver­stand ver­lie­re. Viel­leicht hat er auch recht da­mit, wenn ich Selbst­ge­sprä­che füh­re. Aber mit wem soll ich denn sonst re­den? Ich kann ja wohl kaum je­man­den an­ru­fen.

      Ich put­ze mir die Hän­de an der Ho­se ab, ste­cke mir die Stöp­sel mei­nes MP3 Play­ers in die Oh­ren, um mich mit Musik ab­zu­len­ken. Das be­ru­higt mich. Es lenkt mich ab und sorgt da­für, dass mei­ne Stim­mung sich hebt. Weiß Gott, das ha­be ich heu­te nö­tig. Ich muss die­sen Ty­pen aus mei­nem Kopf ver­ban­nen. All die­se Sehn­sucht liegt nur an mei­ner Ein­sam­keit, ganz si­cher, nicht an die­sen grü­nen Augen. Da­durch, dass ich jetzt hier ein Zu­hau­se ha­be, weckt dies an­de­re Wün­sche in mir. Frü­her bin ich ein ge­sel­li­ger Fa­mi­lien­mensch ge­we­sen. Frü­her … Heu­te be­vor­zu­ge ich das Allein­sein. Wann ha­be ich das letz­te Mal mit ei­nem an­de­ren Men­schen so rich­tig herz­haft ge­lacht? Ich kann mich nicht er­in­nern. Die­ses Wis­sen schmerzt mich und ich dre­he die Musik lau­ter.

      Lei­se sum­me ich ei­nes mei­ner Lie­blings­lie­der mit, ver­lie­re mich in der Musik, wie ich es ge­plant ha­be. Es tut so gut. Die grü­nen Augen wan­dern tie­fer in mei­ne Ge­dan­ken, be­reit, mich spä­ter er­neut zu trie­zen, wäh­rend ich mich im Augen­blick voll­kom­men der Ar­beit hin­ge­be. Es ist ein wun­der­ba­res Ge­fühl, et­was Sinn­vol­les zu­stan­de zu brin­gen. Und es fühlt sich gut an, mir et­was Ei­ge­nes auf­zu­bauen, et­was, von dem ich lan­ge zer­ren kann. Ich er­schaf­fe et­was. Es sorgt noch mehr da­für, dass ich mich hei­misch füh­le, auch wenn un­ter mei­nem Bett ei­ne Not­fall­ta­sche mit mei­nem Geld und dem ge­fäl­schten Pass liegt. Start­klar, direkt auf­zu­bre­chen. Nur so ha­be ich lan­ge über­le­ben kön­nen. Ein­mal ist es knapp ge­we­sen, da bin ich mir si­cher, dass er mich an­fangs bei­nahe er­wischt hät­te, als ich un­vor­sich­ti­ger­wei­se zu na­he an mei­nem Zu­hau­se ge­blie­ben bin.

      Ja, hier ist mein neu­es Zu­hau­se, doch ich blei­be vor­sich­tig. Denn ich darf nicht ver­ges­sen, dies ist nur ei­ne vor­über­ge­hen­de Sta­tion auf mei­nem Weg, der nie­mals en­den wird. Für immer wer­de ich hier nicht si­cher sein. So naiv, das zu den­ken, bin ich nicht. Nein, ich bin rea­lis­tisch, aber ei­ne Wei­le kann es klap­pen. Des­we­gen darf und will ich nie­man­den ken­nen­ler­nen oder mich gar mit Men­schen von hier an­freun­den. So kann ich mei­ne Zeit auf ein Ma­xi­mum aus­deh­nen. We­nig Kon­tak­te be­deu­tet immer­hin we­ni­ger Men­schen, die Fra­gen stel­len.

      Die Son­ne brennt auf mei­nen Kopf, Schweiß rinnt mir den Rü­cken