Lost Island. Annika Kastner. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Annika Kastner
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783947115204
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fin­de es er­qui­ckend, dass sie kein Blatt vor den Mund nimmt und mei­ne Lau­ne steigt immer weiter. »Klar willst du das, du kannst ru­hig ehr­lich sein. Auch wenn du jetzt so un­schul­dig guckst, du hast mich eben­so ge­mus­tert, Fräu­lein. Aber weißt du, das ist okay. Guck so viel, wie du willst.« Ich brei­te die Ar­me vor ihr aus, wo­rauf­hin sie die Augen ver­dreht. Sie wird rot, herr­lich. Er­tappt! Ich ha­be schre­ckli­chen Spaß da­ran, sie zu är­gern.

      »Wunsch­den­ken, mein Freund. Wunsch­den­ken«, kon­tert sie, noch immer die­se leich­te Rö­te auf den Wan­gen, die ih­re Som­mer­spros­sen stär­ker her­vor­he­ben.

      Mein Freund? Mhh, klingt gut und ge­fällt mir, was wirk­lich be­äng­sti­gend und ver­rückt zu­gleich ist. Even­tu­ell ent­wi­ckle ich mich doch zu ei­nem Psy­cho. Ich hof­fe nicht, doch man weiß ja nie. »Mein Freund? So schnell bin ich nicht«, ne­cke ich sie weiter. »Ein paar Da­tes vor­her wä­ren schon nett, den­noch ver­ste­he ich, dass du Nä­gel mit Köp­fen ma­chen willst. So ein Mann wie ich, ist ratz­fatz weg vom Markt. Ich kann dich be­ru­hi­gen, denn ich bin noch zu ha­ben. Eigent­lich woll­te ich da­ran in näch­ster Zeit nichts än­dern, aber mal schau­en, was kommt?«

      »Wahn­sinn, Mis­ter Ar­ro­ganz per­sön­lich. Was willst du von mir? Da rennt Storm ei­nen ver­rück­ten über den Hau­fen und ich muss es aus­ba­den? Wer­de ich dich wie­der los?« Sie ver­dreht die Augen gen Himmel.

      »Mhh, kommt drauf an. Fürs Er­ste ist ein Na­me ganz nett. Da­nach viel­leicht ein Drink zur Ent­schul­di­gung, das wä­re durch­aus an­ge­mes­sen.«

      »Du brauchst dich nicht zu ent­schul­di­gen, ich will nur mei­ne Ru­he«, teilt sie mir mit, legt zu­dem ei­nen Gang zu, um mich zu um­run­den.

      So schnell ge­be ich nicht auf. Sie ver­wirrt und be­ein­druckt mich zu­gleich. Erst flir­tet sie, da bin ich mir ganz si­cher, und dann macht sie plötz­lich dicht? Ich mer­ke, dass sie hin und her­ge­ris­sen ist. Ich wet­te, da­hin­ter steckt ei­ne in­te­res­san­te Ge­schich­te, die ich un­be­dingt wis­sen will. Wenn ich ehr­lich bin, bin ich noch nie so neu­gie­rig auf ei­ne Frau ge­we­sen wie jetzt ge­ra­de. Der Po­li­zist in mir will je­des Ge­heim­nis er­grün­den – rei­ne Be­rufs­krank­heit. Ich möch­te alles über sie wis­sen, wo­her sie kommt und wie lan­ge sie bleibt, doch für den An­fang reicht es, nur mit ihr zu re­den. So viel Spaß ha­be ich ewig nicht mehr mit ei­ner frem­den Frau, die nicht zu mei­nen Freun­den zählt, ge­habt – was je­doch da­ran liegt, dass mich Tou­ris­ten nicht fas­zi­nie­ren. Die Zeiten, wo man sich ein Tou­ri mit nach Hau­se nimmt, sind ir­gend­wie vor­bei. Ich bin nicht an ei­ner Be­zie­hung in­te­res­siert, mein Job ist mo­men­tan alles, was zählt. »Wie­so ich? Du musst dich ent­schul­di­gen. Du hast mich fast um­ge­bracht. Oh, ich mei­ne na­tür­lich dein Hund. Aber Eltern haf­ten für ih­re Kin­der, du dem­nach auch für dei­nen Hund.«

      Sie beißt auf ih­re Lip­pe, ich er­ken­ne ein kur­zes Zu­cken ih­res Mund­win­kels. Ah, das ge­fällt mir, da­rauf kann ich auf­bauen. »Das ist nur ein Krat­zer. Bis du hei­ra­test, ist das ver­schwun­den«, lässt sie mich fach­män­nisch wis­sen.

      »Oho, jetzt willst du durch die Blu­me er­fah­ren, ob ich viel­leicht doch ei­ne Freun­din ha­be? Nein, ich bin Sing­le, wie ich be­reits ge­sagt ha­be. Du hät­test mich das ger­ne direkt fra­gen kön­nen. Nur kei­ne Scheu, ich bin wie ein of­fe­nes Buch.«

      Jetzt lacht sie laut, das ge­fällt mir noch mehr. »Oh Gott, du bist ja von dir über­zeugt. Das ist echt schre­cklich. Kann man das Buch auch wie­der schlie­ßen?« Ihr La­chen ver­mischt sich mit dem Schrei­en der Mö­wen über uns und dem Rau­schen der Wel­len. Es passt per­fekt zu­sam­men. Ich will mehr da­von, es macht mich schon jetzt süch­tig. Der hei­se­re Klang ver­ur­sacht ein Zie­hen in mei­ner Brust. Ich muss sie noch­mal la­chen hö­ren, egal wie krank das ge­ra­de klingt, aber es jagt klei­ne Schau­er über mei­ne Haut.

      »Das nennt man ge­sun­des Selbst­be­wusst­sein.« Ich zwin­ke­re ihr zu, wo­rauf­hin ih­re brau­nen Augen verg­nügt fun­keln. Es macht ihr of­fen­sicht­lich doch Spaß, sieh an. Ih­re Stim­mung wech­selt se­künd­lich, al­so will ich sie et­was weiter her­vor­lo­cken. »Ein Drink ist das Min­de­ste. Wo­mög­lich be­hal­te ich ei­ne Nar­be, wer weiß das schon … Für die Jungs auf der Wa­che muss ich mir aller­dings ei­ne bes­se­re Ge­schich­te aus­den­ken. Die la­chen mich sonst aus. Kannst du dir vor­stel­len, was das für ein Ge­re­de ge­ben wür­de?«

      »Du bist Po­li­zist?« Ihr Ge­sicht ent­gleist kurz, aber sie fängt sich schnell. Jeg­li­cher Schalk, der eben noch in ih­ren be­zau­bern­den Augen ge­stan­den hat, ist fort. Sie nimmt ei­ne un­be­wuss­te Ab­wehr­hal­tung ein, wirkt fast pa­nisch, schaut sich kurz um, als wür­de sie che­cken wol­len, ob außer uns noch an­de­re Men­schen am Strand sind. Ihr Hund spürt es eben­falls, tritt dich­ter an sein Herr­chen he­ran, wäh­rend sie sich an­schei­nend sche­ma­tisch über die Ar­me reibt. Den meis­ten Frau­en ge­fällt es, ei­nen Poli­zis­ten zu daten, sie hin­ge­gen guckt mich an, als hät­te ich ihr er­öff­net, dass ich Toi­let­ten put­ze und das nackt vor lau­fen­der Ka­me­ra. Ich ken­ne die­ses Ver­hal­ten von mei­ner Dienst­zeit auf dem Fest­land. Ih­re Körper­spra­che ver­rät es mir. Die­se Frau hat et­was Schlim­mes er­lebt. Nur was? Der Ge­dan­ke raubt mir ei­nen Mo­ment den Atem, weil mir sämt­li­che schre­ckli­chen Fäl­le im Kopf um­her­schwir­ren, die ich im Lau­fe der Jah­re be­ar­bei­tet ha­be. Häus­li­che Ge­walt, Ver­ge­wal­ti­gung, Miss­hand­lung. Ei­ne end­lo­se Lis­te im Le­ben ei­nes Poli­zis­ten. Nicht immer bin ich recht­zei­tig vor Ort ge­we­sen, um den be­trof­fe­nen Frau­en zu hel­fen – die­se Fäl­le ver­fol­gen mich an grau­en Ta­gen noch immer.

      »Ja, ich bin ein Cop.«

      Kapitel 4 - Hazel

      Ach du mei­ne Gü­te, er ist ein Po­li­zist. So­fort wird mir heiß und kalt gleich­zei­tig, ich rei­be mir die Ar­me, um die Käl­te zu ver­trei­ben, die sich über mei­nen Körper legt. Er sieht über­haupt nicht aus wie ein Kri­mi­nal­be­am­ter, so gar nicht. Sein lin­ker Arm ist vom Hand­ge­lenk an tä­to­wiert. Die Tä­to­wie­rung ver­schwin­det un­ter sei­nem en­gen T-Shirt, wel­ches ei­nen trai­nier­ten Körper ver­mu­ten lässt, wenn ich mir sei­ne Ober­ar­me und brei­te Brust an­se­he, an de­nen sich die Mus­keln ab­zeich­nen. Wel­cher Po­li­zist ist denn bit­te so be­malt? Ich ken­ne kei­nen. Nicht, dass ich viele ken­ne … Fuck! So ha­be ich mir nie­mals ei­nen Poli­zis­ten vor­ge­stellt. So … ro­ckig und … schel­misch. Ich bin zu leicht­sin­nig. Wie­so hat er auch so hart­nä­ckig sein müs­sen? Ich bin zwar ex­tra zi­ckig und un­ge­nieß­bar ge­we­sen, um ihn los­zu­wer­den, ha­be mich dann je­doch in die­ses Ge­plän­kel ver­wi­ckeln las­sen.

      Ich spü­re, wie ich immer ner­vö­ser wer­de und ei­ne leich­te Wel­le der Pa­nik sich an­bahnt, Storm tip­pelt ne­ben mir auf und ab, von mei­ner Stim­mung an­ge­steckt. Er be­merkt mei­nen Ge­müts­um­schwung, we­delt mit dem Schwanz – un­si­cher, was er tun soll. Nicht mal ich weiß, wie ich mich ver­hal­ten soll. Mir ist be­wusst, dass ich ver­mut­lich über­trei­be, doch die Angst sitzt in mei­nen Kno­chen. Kalt, fins­ter und prä­sent. Ich ha­be das Ge­fühl, plötz­lich nicht mehr ge­nü­gend Luft zu be­kom­men, le­ge mir die Hand an den Hals, rei­be leicht da­rüber. Am liebs­ten möch­te ich da­von­lau­fen, was aller­dings ei­nen noch ab­sur­de­ren Ein­druck ver­mitteln dürf­te. Gut, dann ist er eben Po­li­zist, aber er kennt mich nicht und er ge­hört nicht zu de­nen. Immer­hin hat Storm ihn um­ge­rannt, nicht er hat den Kon­takt ge­sucht. Oder et­wa doch, flüs­tert ei­ne lei­se Stim­me in mei­nem Kopf.

      Das