Lost Island. Annika Kastner. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Annika Kastner
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783947115204
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Nicht, dass ich schon mal ei­ne ge­se­hen hät­te, außer na­tür­lich auf Bil­dern in der Pa­tho­lo­gie. Das hat ge­reicht. Ich möch­te nicht in Er­in­ne­rung blei­ben. Rei­ner Schutz­me­cha­nis­mus. Auch wenn ich es frü­her ge­liebt ha­be, mich schön zu ma­chen. Häss­lich bin ich heu­te de­fi­ni­tiv nicht. Ich ha­be ge­nü­gend Selbst­be­wusst­sein. Frü­her bin ich … bes­ser in Schuss ge­we­sen. Ob dies das rich­te Wort ist? Na ja, eben nicht so blass oder ma­ger wie jetzt. Mei­ne Kur­ven ha­ben mir immer ge­fal­len, doch jetzt sind sie nur noch zu er­ah­nen. Ich muss es in den Griff be­kom­men. Ich will mich wie­der rund­he­rum gut füh­len, mich er­ho­len und ein we­nig zu mir selbst fin­den. Mei­ne See­le braucht dies. Self­ca­re oder wie nennt man es ak­tu­ell so mo­disch in den Me­dien.

      Sa­men für Sa­men set­ze ich in die Er­de, be­wäs­se­re sie. Ich ha­be heu­te zu viel ris­kiert. Auf ei­nen lä­cher­li­chen Flirt kann man ein­ge­hen, aber nicht mit ei­nem Kerl mit Dienst­mar­ke. Vor­sich­tig schie­be Sand auf die klei­nen Lö­cher, klop­fe ihn fest, ehe ich ihn er­neut be­gie­ße. Es ist schon fast Abend, als ich end­lich fer­tig wer­de. Ich wünsch­te, Gran­ny könn­te es se­hen, sie wä­re to­tal stolz auf mich – ihr klei­ner Gar­ten hat immer wie ei­ne Feen­land­schaft mit Schmet­ter­lin­gen, Hum­meln und Bie­nen, die in all der Far­ben­pracht her­um­ge­schwirrt sind, aus­ge­se­hen. Zu­frie­den be­wun­de­re ich mein Werk, klat­sche in die Hän­de, die ganz schwarz von der Er­de sind. Wie ich so bin, ha­be ich die blö­den Gar­ten­hand­schu­he ver­ges­sen. Vor mir er­streckt sie ein gro­ßes Hoch­beet, gu­te sieben mal zehn Me­ter. Es ist wun­der­schön, ich kann es kaum er­war­ten, die er­sten Trie­be zu ent­de­cken. Ge­duld ist nicht mei­ne Stär­ke, von mir aus kann es gleich mor­gen so weit sein.

Seil

      Ich ma­che mir zu Abend­brot ein paar Nu­deln mit ei­ner fri­schen Sau­ce aus Kräu­tern, To­ma­ten und bun­tem Ge­mü­se, wel­ches ich vom Markt mit­ge­bracht ha­be. Es schmeckt wun­der­bar. Ich ge­nie­ße je­den Bis­sen und ze­le­brie­re ihn ge­ra­de­zu. Da­nach schlen­de­re ich pap­pen­satt mit Storm ei­ne letz­te Run­de über den Strand, wäh­rend die Son­ne im Meer ver­sinkt.

      Die er­sten Ster­ne er­schei­nen am Himmel, der noch in sat­te Far­ben ge­taucht ist. Ein Ge­fühl der Zu­frie­den­heit durch­fährt mich in die­sem Augen­blick, wie ich ihn lan­ge nicht ge­spürt ha­be. Ich lau­fe dicht am Was­ser ent­lang, las­se die Wel­len mei­ne Fü­ße um­spie­len. Es fühlt sich be­frei­end an und weckt Er­in­ne­run­gen an mei­ne Kind­heit, wenn ich mit mei­nen Eltern am Strand ge­we­sen bin. Zum er­sten Mal seit lan­gem schaue ich nicht hin­ter mich, son­dern vor­aus. Die Luft ist merk­lich küh­ler als heu­te Nach­mit­tag, des­halb zie­he ich mei­ne Strick­ja­cke um mei­nen Körper fest zu­sam­men.

      In der Ferne hö­re ich Musik und Stim­men, schaue auf. Eins der Häu­ser am Strand muss ei­ne Par­ty fei­ern, ein Grund für mich, wie­der um­zu­dre­hen. Immer­hin su­che ich kei­ne Ge­sell­schaft, ich möch­te nur Ru­he und Frie­den.

      Kapitel 5 - Nick

      »Ni­cki, hal­lo?« Jo schnippst vor mei­ner Na­se mit sei­nen lan­gen Fin­gern he­rum, ver­sucht so, mei­ne Auf­merk­sam­keit zu er­lan­gen.

      Ich ver­drän­ge ei­ne klei­ne Blon­di­ne mit Scho­ko­la­den­augen und nied­li­chen Som­mer­spros­sen aus mei­nen Ge­dan­ken, wen­de mich statt­des­sen mei­nem Freund zu. »Mhh?«, ant­wor­te ich, nip­pe da­bei an mei­nem Bier. So rich­tig schmeckt es mir heu­te nicht, aber ich trin­ke es den­noch.

      »Was ist denn mir dir los? Sal­ly flir­tet dich seit zwei Stun­den an und du? Du bist blind und taub für ih­re Rei­ze. Da­bei gibt sie sich sol­che Mü­he. Wenn du nicht bald an­beißt, wird sie die Kral­len aus­fah­ren. Oder bist du da­rauf aus?«

      Sal­ly, wen in­te­res­siert schon Sal­ly, den­ke ich an­ge­wi­dert. Sie hat mich vor ei­ni­gen Mo­na­ten zu ih­rem neu­en Ziel aus­er­ko­ren und geht mir da­mit to­tal auf die Ner­ven. Sie ist ei­ne die­ser Frau­en, die sich mit ge­wis­sen Din­gen schmü­cken muss. Ge­treu dem Mot­to: Schau, was ich ha­be, al­so be­nei­de mich da­rum. Ich pas­se an­schei­nend per­fekt in ihr Beu­te­sche­ma, nach­dem sie bei dem An­walt kei­nen Er­folg ge­habt hat. Dann eben ein Po­li­zist. Sie will mich als Trop­häe, et­was, mit dem sie an­ge­ben kann. Ihr Ge­tue ist an­stren­gend.

      »Lass ihn, Jo. Nick hat heu­te von ei­ner wun­der­schö­nen Un­be­kann­ten ei­nen Korb kas­siert«, wirft Brad ein, wo­für ich ihm ge­gen den Arm bo­xe. Er ist die letz­te Tratsch­tan­te.

      »Dir ver­traue ich nie wie­der et­was an«, knur­re ich ver­är­gert. »Und es ist kein Korb ge­we­sen.« Nett, dass er noch Salz in die Wun­de streu­en muss. Er hat recht, ich bin es nicht ge­wöhnt, Kör­be zu kas­sie­ren.

      »Wer gibt dir ei­nen Korb? Das kann ich nicht ver­ste­hen.« Sal­ly, die Mag­gi im Schlepp­tau hat, stößt zu uns auf die Ter­ras­se. Mag­gi gibt Jo ei­nen Kuss auf die Wan­ge, wo­rauf­hin er sei­ne Freun­din zu sich auf den Schoß zieht und sei­ne Na­se an ih­rem Hals reibt, ehe er ihr et­was ins Ohr flüs­tert. Sie ki­chert lei­se, wirft ihr ro­tes Haar zurück und strahlt in die Run­de.

      »Nick hat ei­ne, war­te, wie sind sei­ne Wor­te ge­we­sen? Klei­ne, un­be­kann­te Fee ge­trof­fen«, stich­elt Brad weiter und ich fra­ge mich ernst­haft, wa­rum er mein be­ster Freund ist. Ich muss drin­gend über un­se­re Freund­schaft nach­den­ken und tei­le ei­ne Kopf­nuss aus.

      »Halt die Fres­se, du Lo­ser.« Ich ver­dre­he die Augen, muss aber ein we­nig schmun­zeln, denn ich weiß, dass er mich nur är­gern will.

      »Das sind ja ganz neue Tö­ne.« Mag­gi beugt sich neu­gie­rig vor, wäh­rend Sal­ly ver­är­gert die Lip­pen auf­ein­an­der­presst, da­bei die Ar­me vor der Brust ver­schränkt, je­doch nicht, oh­ne ih­re Brüs­te ins rech­te Bild zu rü­cken. Klar, dass ihr die­ses The­ma nicht passt. Sie sieht Kon­kur­renz, ob­wohl ich gar kein In­te­res­se an ihr oder sonst ei­ner Freun­din ha­be. Freun­din­nen be­deu­ten Ver­ant­wor­tung, die ich nicht ein­ge­hen will. Es ge­fällt mir so, wie es ist.

      »Die Schnal­le, die wir mit ih­rem Kö­ter am Strand ge­se­hen ha­ben?«, fragt Sal­ly säu­er­lich, spitzt die Lip­pen.

      »Ihr habt sie ge­se­hen? Ist sie so se­xy, wie un­ser Nick sagt, oder hat er ge­flun­kert?«

      »Sie ist hübsch«, stimmt Mags zu »So­weit ich mich er­in­ne­re. Ich ha­be sie nur kurz ge­se­hen.«

      »Hübsch? Durch­schnitt, un­te­rer Durch­schnitt, wenn über­haupt«, mur­melt Sal­ly, wo­rauf­hin ich ein ge­nerv­tes Knur­ren un­ter­drü­cke. Es ist arms­elig, dass sie an­de­re Frau­en im­mer­zu schlecht macht. Als wä­re sie das ein­zi­ge weib­li­che We­sen auf der Welt, wel­ches at­trak­tiv ist – da­bei macht ihr Cha­rak­ter sie oft mehr als häss­lich.

      »Sie hat ge­sagt, sie wohnt hier«, plap­pert Brad weiter. Mir platzt ehr­lich gleich der Kra­gen. Er ist so ei­ne La­ber­ta­sche, wirk­lich un­fass­bar.

      »Ach, sie hat das Haus der al­ten Frie­da ge­mie­tet?« Mags greift nach Jos Fla­sche und nimmt ei­nen tie­fen Schluck. Jetzt hat sie mei­ne Auf­merk­sam­keit. Mags ist Im­mo­bi­lien­mak­le­rin, teilt sich ei­ne Fir­ma mit ih­rer Mutter. Ein al­ter Fa­mi­lien­be­trieb, der die Häu­ser auf der In­sel ver­mie­tet und ver­kauft. Sie weiß alles über je­den. Wa­rum bin ich nicht eher auf die Idee ge­kom­men,