Berliner Kriminalpolizei von 1945 bis zur Gegenwart. Polizeihistorische Sammlung. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Polizeihistorische Sammlung
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Социология
Год издания: 0
isbn: 9788726410488
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brachte.

      Ansätze zur Wahrnehmung fürsorgerischer Aufgaben durch weibliche Dienstkräfte stammten bereits aus der Zeit vor der Jahrhundertwende, als die ursprüngliche seelsorgerische Betreuung von Prostituierten durch einen evangelischen Pfarrer an eine „Hilfsstelle für Frauen“ überging, die beim Polizeipräsidium angesiedelt war. Die Kosten für eine fest angestellte Fürsorgerin übernahm der Berliner Frauenbund. 30

      Für betreuungsbedürftige Jugendliche wurde mit Unterstützung der Deutschen Zentrale für Jugendfürsorge eine Wohlfahrtsstelle beim Polizeipräsidium eingerichtet, die unter der Leitung von Margarete Dittmer stand. 31

      Nachdem seit 1924 in Preußen Beamtinnen Vernehmungen vornehmen konnten, entstand 1927 eine neue Kriminal-Inspektion „Weibliche Kriminalpolizei“, die mit kriminalpolizeilich ausgebildeten Beamtinnen besetzt war. Die einzelnen Dezernate beschäftigten sich mit straffällig gewordenen Kindern (G 1), Sittlichkeitsverbrechen (G 2) und mit der Fahndung und Erfassung von gefährdeten Kindern, weiblichen Minderjährigen und hilfsbedürftigen weiblichen Volljährigen (Gefährdeten-Polizei). 32

      NS-Zeit

      Nach der Machtergreifung 1933 wurde die Kriminalpolizei in der neuen Abteilung K zusammengefasst. Die Abteilung gliederte sich in das Landeskriminalpolizeiamt, die Landeskriminalpolizeistelle und die örtliche Kriminalpolizei.

      Im Landeskriminalpolizeiamt bestanden die Untergliederungen ED (Erkennungsdienstzentrale), FG (Deutsche Zentrale zur Bekämpfung von Geldfälschung), G (Zentralstelle zur Bekämpfung des Glücksspiels), M (Zentralstelle zur Bekämpfung des Mädchenhandels), R (Rauschgiftzentrale), T (Zentrale zur Bekämpfung von Taschendieben) und V (Nachrichtenstelle für Vermisste und unbekannte Tote). Die örtliche Kriminalpolizei bestand aus der Abteilung A (Kriminaldirektion) und B (Exekutive der örtlichen Kriminalpolizei).

      Die örtliche Kripo wiederum war in die Fachgruppen B (Betrug: KJ.B I-II), E (Einbruch: KJ.E I-II), M (Mord: KJ. MI-III), Kriminalmuseum und Kriminallehrmittelsammlung sowie die regionalen Kriminalgruppen Mitte, Ost und West untergliedert. Während es bei der Zahl von 296 Revieren mit beigeordneten Kriminalbeamten blieb, verringerte man die Anzahl der Polizeiämter von 20 auf elf. 33

      Mit dem Stichwort „Verreichlichung“ wird für die NS-Zeit die Überführung von Landeskompetenzen auf das Reich umschrieben. Als Ergebnis dieses Umstrukturierungsprozesses bei der Kriminalpolizei stand eine Sonderbehörde, die der allgemeinen Polizei nur noch äußerlich verbunden war. 34 Der Erlass des Reichsinnenministeriums vom 18. Dezember 1934 erhob das Landeskriminalpolizeiamt zu einer vom Berliner Polizeipräsidium unabhängigen Abteilung. 1936 vollständig vom Berliner Polizeipräsidium gelöst, entstand aus ihm 1937 das Reichskriminalpolizeiamt (Werderscher Markt 5/6) mit schon bestehenden und auch neu gebildeten Reichszentralen zur Bekämpfung spezieller Verbrechensarten: Zu den bestehenden Zentralen zur Bekämpfung von Geldfälschungen, Rauschgiftvergehen, internationalem Mädchenhandel, internationaler Taschendiebe, Glücks- und Falschspiel sowie der Reichszentrale für Vermisste und unbekannte Tote kamen die neu gebildete Reichszentrale zur „Bekämpfung des Zigeunerunwesens“, die Reichszentrale zur Bekämpfung von Kapitalverbrechen (Mord, Brand, Katastrophen), die Reichszentrale zur Bekämpfung reisender und gewerbsmäßiger Betrüger und Fälscher sowie reisender und gewerbsmäßiger Einbrecher. 35

      Seit dem 17. Juni 1937 war das Reichskriminalpolizeiamt (ab jetzt Kriminalpolizeiamt) dem Amt Kriminalpolizei im Hauptamt Sicherheitspolizei Heydrich unterstellt. Seit dem 27. September 1939 firmierte es als Abt. V-Verbrechensbekämpfung im Reichssicherheitshauptamt. 36 Leiter dieser Behörde war von 1934 bis 1945 Arthur Nebe, dem in der Weimarer Zeit das Dezernat Rauschgiftmissbrauch unterstanden hatte. Seine Beziehungen zu den Widerstandskreisen des 20. Juli wusste Nebe lange zu verbergen. Kurz vor Ende des Krieges tauchte er unter, wurde verraten und nach Verurteilung durch den Volksgerichtshof am 3. März 1945 hingerichtet. 37

      In Anlehnung an das Modell der Gestapo entstanden auf der Ebene der ehemaligen Länder 18 Kriminalpolizeileitstellen (KPLSt) als Mittelbehörden, denen bei den staatlichen örtlichen Polizeiverwaltungen Kriminalpolizeistellen nachgeordnet waren. 1943 löste man die Kriminalpolizeistellen völlig aus der Unterstellung unter die örtliche Polizeiverwaltung.

      Auch die Weibliche Kriminalpolizei wurde 1937 neu geordnet und als Sonderdienststelle der Kriminalpolizei zugeordnet. Die Dezernate G 1, G 2, G 3 erhielten nun die Bezeichnung KJ M III 1 (KKommissarin Dinger), KJ M III 2 (KKommissarin Gobbin), KJ M III 3 (KKommissarin Oberhey). 38 Sie unterstanden direkt dem Reichskriminalpolizeiamt. Auf der weltanschaulichen Grundlage des Rassege-dankens und der darauf aufbauenden Gesetzgebung wurde der Weiblichen Kriminalpolizei unter anderem die Aufklärung solcher Fälle übertragen. Wurde bei Kindesmissbrauchsfällen Schwachsinnigkeit der Eltern festgestellt, konnte das zu deren Sterilisierung führen. 39

      Im Rahmen der vorbeugenden Verbrechensbekämpfung entstand durch Runderlass vom 21. Dezember 1941 das Kriminalbiologische Institut der Sicherheitspolizei mit Sitz in Berlin. Ihm waren kriminalbiologische Untersuchungsstellen auf Landesebene angegliedert. 40

      Scharf ging die Kripo auch gegen die zum Feindbild erklärten „Berufsverbrecher“ vor, deren Schicksal in der Regel durch Überstellung in ein Konzentrationslager besiegelt war. 41 Das Gesetz über die Behandlung „Gemeinschaftsfremder“ bot die Handhabe zu Maßnahmen gegen Zigeuner, Asoziale und Homosexuelle. 42

      Auch zur Teilnahme an den Mordaktionen der Polizeibataillone bei den Einsatzgruppen in den besetzten Ostgebieten wurden Angehörige der Kripo eingesetzt. 43

      Nachkriegszeit

      Nach der Kapitulation vom 8. Mai 1945 übernahm zuerst die sowjetische Besatzungsmacht die Reorganisation der Verwaltungsgeschäfte. Durch Anweisungen ihrer Orts- und Bezirkskommandanten wurden örtliche Polizeireviere und Inspektionen wieder errichtet. Auf Befehl Nr. 1 des sowjetischen Stadtkommandanten Bersarin vom 25. Mai 1945 entstand die neue Stadtpolizei unter Leitung des Polizeipräsidenten Paul Markgraf. 44 Auch nach dem Übergang der Verwaltungskontrolle auf die Interalliierte Militärkommandantur (IMK-Befehl vom 11. Juli 1945) blieb Bersarins Befehl in Kraft. Unter Rückgriff auf die rechtlichen und organisatorischen Strukturen der Polizei vor 1933 wurden die Polizeiaufgaben wieder auf die Schutz-, Kriminal- und Verwaltungspolizei sowie auf örtliche Polizeigruppen verteilt. 45 Die Kriminalpolizei wurde in den 20 Polizeiinspektionen der Schutzpolizei unterstellt. Die Polizeiinspektionen beaufsichtigten 172 Polizeireviere (mit 18 Revierzweigstellen, sieben Revierposten und 22 Landposten). Es blieb aber bei der alten Zählung der Reviere (insgesamt 296). Die bei jedem der 20 bezirklichen Polizeiinspektionen angesiedelten Kriminalkommissariate unterstanden direkt der Kriminaldirektion beim Polizeipräsidenten. Dort wurden acht zentrale Kriminalinspektionen eingerichtet (B: Betrug; E I-E II: Einbruch; ED: Erkennungsdienst; F: Fahndung; M I: Mord, M II: Sittlichkeit, M III: Weibliche Kripo). Die Bearbeitung der Alltagskriminalität erfolgte dezentralisiert. 46

      Auch die Weibliche Kriminalpolizei wurde mit zwei Kommissariaten und jeweils fünf Beschäftigten wieder eingerichtet. 47

      Nach Aufgabe des provisorischen Quartiers in einem ehemaligen Gebäude der Deutschen Arbeits-Front (DAF), Linienstraße 83–85, bezog das Polizeipräsidium neue Räume in der Elsässer Straße 87. Seit dem 12. November 1945 nahm die Polizeischule im Gebäude der ehemaligen Polizeisportschule am Hohenzollernring in Spandau ihren Lehrbetrieb wieder auf. Ihr folgte bereits im Dezember 1945 die Polizeischule in der Wattstraße 69/70 in Oberschöneweide. Seit 1946 wurden auch die Kripobeamten zu zweimonatigen Lehrgängen an die Polizeischule abgeordnet. Zu Anfang des Jahres 1946 erlaubten die Alliierten die Bewaffnung von Schupo und Kripo mit Knüppeln und Pistolen. Wegen der in der Nachkriegszeit verstärkt auftretenden Bandenkriminalität richtete die Kripo-Zentrale in der Dircksenstraße 14 bereits am 21. Dezember 1945 ein Sonderkommando zur Bekämpfung der Banden in der Innenstadt ein. Im Dezember 1947 wurde ein motorisiertes Sonderkommando aus Schutzpolizei und Kripo zum Einsatz gegen den Schwarzmarkt aufgestellt. 48

      Mit der BK/O (46)391 vom 4. Oktober 1946 setzte die Alliierte Kommandantur Sektorenassistenten ein, die sowohl dem jeweiligen Polizeichef der Militärregierung als auch dem Polizeipräsidenten unterstanden. Es handelte sich um Bruno