Berliner Kriminalpolizei von 1945 bis zur Gegenwart. Polizeihistorische Sammlung. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Polizeihistorische Sammlung
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Социология
Год издания: 0
isbn: 9788726410488
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oder einfacher Ungehorsam gegen Vorgesetzte wurden durch die Todesstrafe geahndet, wie die im vierten Teil des „Berliner Stadtbuches“ von 1389 zusammengefassten Urteilssprüche zeigen: Nr. 5: Eckart Maler enthauptet wegen Misshandlung seines Meisters, Nr. 10: Hermann Krunkel mit einem Genossen gehängt, weil sie dem Werkmeister Armbrüste stahlen, Nr. 14: Friedrich Woltersdorf gerichtet wegen Kirchendiebstahl, Nr. 15: eine Frau verbrannt wegen Kuppelei, Nr. 16: Peter Juris gerichtet für Pferdediebstahl usw. 1 Während die Brandmarkung mit Hilfe eines glühenden Eisens im Gesicht noch bis Mitte des 19. Jahrhunderts in Mitteleuropa als Erkennungszeichen des Verbrechers üblich war, 2 blieb der Pranger beziehungsweise das Herumzeigen des Verbrechers in ländlichen Gegenden noch im 20. Jahrhundert eine geübte Form der Warnung. Vom Steckbrief, in Preußen seit 1717 eingeführt, führt eine direkte Linie hin zur Fahndung durch das Fernsehen (Sendung „xy-ungelöst“) 3 .

      In Zeiten schwacher Zentralgewalten mussten die Städte die Rechtsprechung in eigener Regie übernehmen und sich durch Bündnisse mit anderen Städten gegen räuberische Adlige zur Wehr setzen. Ertappte kleinere Kriminelle erhielten als Kennzeichnung den Staupenschlag (Auspeitschung, bei der der Delinquent vom Henker durch die Straßen geführt wurde), sie mussten Urfehde schwören (Verzicht auf Rache und Rückkehr) und wurden ausgewiesen. Auf dem flachen Land vermehrten sie das fahrende Volk, das heißt Spielleute, Bettler, Landsknechte und Zigeuner. 4 Die sich aus diesen Gesellschaftsschichten rekrutierenden Banden konnten die Territorialmächte erst zu Anfang des 19. Jahrhunderts durch Einsatz des Militärs (Razzien, im damaligen Sprachgebrauch: Generalvisitationen) endgültig auflösen. 5

      Die Stadt Berlin verlor nach dem Berliner Unwillen im Jahre 1447 ihre Selbständigkeit. Durch den Bau ihres Schlosses in der Stadt bewiesen die Hohenzollern, wer das Sagen in der Stadt hatte. Aus der Häufigkeit der kurfürstlichen Edikte zum Thema Landstreicher-, Bettler- und Verbrecherunwesen geht hervor, als wie dringend dieses Problem gesehen wurde und wie wenig die Verordnungen fruchteten. 6 Die Stadt war durch Mauern und Tore verschlossen, die Torkontrolle versahen Soldaten. Einund Ausreisende ließen sich leicht kontrollieren. Innerhalb der Stadt, deren fünf Teilstädte seit 1709 durch einen Magistrat regiert wurden, unterstanden die Einwohner verschiedenen Rechtsherren: ausgenommen von der städtischen Rechtsprechung waren die Hofbediensteten, die Adligen, die Soldaten und die Angehörigen der französischen reformierten Gemeinde.

      Bei dem im 15. Jahrhundert aus der Verwaltung von Burgund übernommenen Begriff der „Polizei“ muss zwischen zwei Bedeutungen unterschieden werden: der ältere, allgemeinere Begriff bezeichnete damit die Regierung, Verwaltung und öffentliche Ordnung oder mit den Worten des Grimm’schen Wörterbuches:„… eine Art Sittenaufsicht in Staat und

      Gemeinde, den Staat selbst sowie die Staatskunst, die Politik.“ 7 Der jüngere Begriff definierte die Aufgabe der Polizei als Sorge für die Abwendung zukünftigen Übels. 8 Erst aus dem jüngeren Begriff konnte sich die Verwaltungsaufgabe der Sicherheitsund Kriminalpolizei entwickeln.

      Preußische Zeit

      Das Preußische Allgemeine Landrecht von 1794 trug in Teil 10 Titel II Paragraf 17 der Polizei auf, für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit zu sorgen. Es stattete die Polizei zu diesem Zweck mit Zwangsmitteln aus sowie mit dem Recht und der Pflicht des ersten Angriffs und der vorläufigen Untersuchung (Teil II Titel 17 Paragraf 12).

      Kurfürst Friedrich III. hatte bereits 1693 versucht, durch ein staatliches Polizeidirektorium eine einheitliche Polizeiverwaltung einzuführen, offenbar ohne Erfolg. 1718 befahl König Friedrich Wilhelm I. dem Magistrat, einen Polizeiinspektor mit drei bis vier Unterbediensteten anzustellen. 1735 übertrug derselbe König dem Magistrat und dem Militärgouverneur die Rechtsprechung in Polizeisachen. Die Gerichtsbarkeit blieb bei der Hausvogtei. Zwischen Rechtsprechung und Polizeigewalt wurden die Aufgaben getrennt. Da sich aber hier der erwünschte Erfolg nicht einstellte, setzte König Friedrich II. 1742 Carl David Kircheisen als Direktor des neu gegründeten Polizeidirektoriums ein und ernannte ihn 1746 auch zum Stadtpräsidenten. Die 1742 in Anlehnung an das Pariser Vorbild erlassene Instruktion sah die Ernennung von commissaires de quartiers und die Unterteilung der Stadt in ihnen unterstehende Aufsichts-Bezirke vor. Statt der ursprünglich geplanten 30 Commissaires wurden nur 18 angestellt. Des Weiteren vergrößerte man den Polizeiapparat durch die Anstellung von neun Polizeidienern, zwei Polizeimeistern und rund 40 Nachtwächtern.

      Seit 1707 bestanden Vorschriften zum Meldewesen, deren Durchführung man der geheimdienstlich organisierten Fremdenpolizei übertrug, die durch Spitzel in Gasthäusern und unter der Dienerschaft Informationen sammeln ließ. Das Berliner Modell der staatlichen Polizei diente als Vorbild für die Einrichtung von Polizeidirektionen in Königsberg (1752), Potsdam (1776), Elbing (1773), Danzig und Thorn (1794). 9

      Kircheisens Amtsnachfolger war seit 1770 Johann Albrecht Philippi. 1787 folgte Johann Friedrich von Eisenhardt, bis er 1794 abgesetzt wurde und Friedrich Philip Eisenberg die Nachfolge antrat. In seiner Amtszeit wurde das Polizeipräsidium durch das Reglement vom 21. Januar 1795 in eine kollegiale Behörde umgewandelt. Sein Nachfolger Büsching (seit 1804) hob diese Reform 1805 wieder auf. In dieser Zeit erhielt die Kriminalpolizei in der Immediat-Kriminalkommission von 1797 zum ersten Mal fest umrissene Konturen. Sie wurde aus dem Polizeiapparat ausgegliedert und dem Gerichtswesen unter Aufsicht des Kammergerichts angegliedert. Ihr Zuständigkeitsbereich erstreckte sich auf Berlin und einen Umkreis von fünf Meilen um Berlin.

      Die Kriminalpolizei erhielt einen eigenen Personalkörper von zwei Kriminalsekretären, einem Kriminalinspektor und zwei Kriminalkommissaren. Als kriminaltechnische Hilfsmittel stellte die Kommission Nachrichten über kriminelle Vorfälle zusammen, legte ein alphabetisches Steckbriefregister an, registrierte unentdeckte Verbrechen, führte Listen über gestohlene Sachen und verdächtige Personen und registrierte Festnahmen und Entlassungen sowie die Namen von Festungs- und Zuchthausinsassen. 10 Der Sittenpolizei übertrug die Kommission die Aufklärung des Zusammenhangs von Prostitution und Verbrechen. Die Selbständigkeit der Kommission endete 1804 mit der Unterstellung unter die Kriminaldeputation des Stadtgerichts.

      In der Zeit der Besetzung Berlins durch die Truppen Napoleons unterstand das Polizeiwesen dem comité administratif. In der Polizeiverwaltung blieb durch die Person Büschings die Kontinuität erhalten. Während dieses Zeitabschnitts wurde die Zahl der Polizeireviere von 19 auf 23 erhöht.

      Mit den Stein-Hardenberg’schen Reformen, hier insbesondere der Städteordnung vom 19. November 1808, erhielten die Kommunen die Selbstverwaltung. Die bisherige gemeinsame Stadt- und Polizeiverwaltung wurde getrennt und verschiedenen Verwaltungen überwiesen.

      Im Paragrafen 166 der Städteordnung behielt sich die Staatsregierung vor, in den Städten eine eigene staatliche Polizeiverwaltung einzurichten oder sie im Auftrag durch den Magistrat ausführen zu lassen. In der Kabinettsorder vom 25. März 1809 ernannte König Friedrich Wilhelm III. Justus Gruner zum Königlichen Polizeipräsidenten in Berlin. Er übernahm landes- und ortspolizeiliche Aufgaben und hatte in Berlin den Rang eines Regierungspräsidenten inne. Die Zuständigkeit des Polizeipräsidiums erstreckte sich über das Weichbild von Berlin (engerer Polizeibezirk) hinaus auch auf Charlottenburg, den Tiergarten und Ortschaften in den Kreisen Teltow und Niederbarnim (weiterer Polizeibezirk).

      Die kollegiale Leitung der Geschäfte wurde aufgehoben und durch eine bürokratische ersetzt. Nach französischem Vorbild entstanden vier Geschäftsbereiche: Während das Allgemeine Geschäftsbüro die Landespolizeisachen betreute, besorgte das Polizei-Amt die ortspolizeilichen Angelegenheiten.

      Hinzu kamen das Fremdenbüro und das Sicherheitsbüro. Letzteres erhielt seine Funktionsfähigkeit erst durch die erneute Unterstellung der Kriminalpolizei unter das Polizeipräsidium. Das geschah durch die Ernennung des Direktors des Berliner Kriminalgerichts, von Schlechtendahl, zum Polizeipräsidenten am 12. Februar 1811, nachdem Gruner an die Spitze der preußischen Polizeiverwaltung getreten war. Die Zuständigkeiten zwischen Kriminalgericht und Polizeipräsidium regelte das Abkommen vom 1. April 1811. 11 Sie blieben bis zur Errichtung einer Staatsanwaltschaft am 3. Januar 1849 ein Zankapfel zwischen beiden Behörden.

      Zwischen 1816 und 1821 erhielt Berlin den Status eines Regierungsbezirks mit voller Zuständigkeit für das Polizeiwesen.