Berliner Kriminalpolizei von 1945 bis zur Gegenwart. Polizeihistorische Sammlung. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Polizeihistorische Sammlung
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Социология
Год издания: 0
isbn: 9788726410488
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Die Bearbeitung einfacher Kriminalfälle wurde einem neu gegründeten Dezernat D übertragen. In der Inspektion B stieg die Zahl der Kommissare von zwölf auf 16.

      Die Zuständigkeit des Berliner Polizeipräsidenten für das Berliner Umland, den so genannten weiteren Polizeibezirk, war durch die Kreisordnung von 1872, die die Übertragung der Ortspolizei auf die Amtsvorsteher vorsah, ausgehöhlt und schließlich 1873 durch eine Kabinettsorder aufgehoben worden. Zielgerichtetes polizeiliches Handeln im Berliner Umland wurde dadurch erheblich behindert. Das Gesetz vom 12. Juni 1889 (GS, S. 129) übertrug deshalb dem Berliner Polizeipräsidenten die orts- und landespolizeiliche Zuständigkeit für die Amtsbezirke Rixdorf, Schöneberg und Deutsch-Wilmersdorf im Kreis Teltow, für Lichtenberg, Reinickendorf, Weißensee und Stralau-Rummelsburg im Kreis Nieder-Barnim sowie für den Stadtkreis Charlottenburg. In diesen Verwaltungen wurden mit Berliner Beamten besetzte Kriminalbüros eingerichtet. 1898 kamen die Stadt Schöneberg, 1899 die Amtsbezirke Tempelhof, Treptow und Britz (Kreis Teltow) sowie Tegel und Pankow (Kreis Nieder-Barnim) unter die Zuständigkeit des Berliner Polizeipräsidenten. Die Entwicklung fand ihren vorläufigen Abschluss mit der Schaffung des Landespolizeibezirks Berlin im Jahre 1900, in dem aber weiterhin Vororte mit eigener Polizeiverwaltung (das heißt auch Kriminalpolizei) bestanden, die sich aber durch einen Nachrichtendienst mit der Berliner Kripo verständigten. 19

      Nach 1890 führte die Kripo so genannte fliegende Patrouillen zur Beobachtung der Kriminellen ein. Jede der aus zwölf Schutzmännern und einem Kriminalwachtmeister bestehenden Gruppen war auf besondere Verbrechensarten spezialisiert und handelte über die Grenzen der Reviere und Bezirke hinweg. 20 Seit 1903 war der Abteilung IV die Zentralpolizeistelle zur Bekämpfung des internationalen Mädchenhandels angegliedert. Als weitere übergreifende Zuständigkeiten kamen hinzu: 1920 die Zentralstelle zur Bekämpfung unzüchtiger Bilder, Schriften und Inserate und vermutlich 1929 die Zentralstelle für Falschgeldwesen (Inspektion D angegliedert).

      Im Erkennungsdienst (ED) fasste man alle damals zur Verfügung stehenden kriminalpolizeilichen Ermittlungen zusammen. Dazu zählten das vom Inspektor Meerscheidt-Hüllesen seit 1876 geführte Verbrecher-Album, das die Verbrechen in 29 verschiedene Gattungen aufschlüsselte, 21 das aus Frankreich übernommene Körpermessungssystem nach Bertillon (1909 mit 90 000 Messkarten), die nach Wiener Vorbild eingeführte Sammlung von Fingerabdrücken (Daktyloskopie, 1909 mit 68 000 Karteikarten), 22 das fotografische Atelier, das Merkmalsverzeichnis, das Spitznamenverzeichnis sowie eine Handschriftensammlung. 23

      Ständig gesammelt wurden die Polizeiberichte, die Tagesverzeichnisse und die Fahndungsblätter. In der Abteilung IV saß auch die Redaktion des Zentral-Polizeiblatts und des Deutschen Fahndungsblatts. Aus dem Strafregister erhielt die Kripo auf dem Wege der Amtshilfe Auskunft. Für Ausbildungszwecke entstanden seit 1890 die Sammlungen des Kriminalmuseums, in denen in drei Abteilungen Werkzeuge, die bei Verbrechen an Leib und Leben, zweitens Geräte, die bei Diebstählen, und drittens Ausrüstungen, die bei Betrügereien und Falschgeldherstellung zum Einsatz kamen, zur Veranschaulichung mit nachgestellten Szenarien in den Räumen des neuen Polizeipräsidiums am Alexanderplatz ausgestellt wurden. 24

      1889/90 bezog die Behörde nach nur dreijähriger Bauzeit das vom Baustadtrat Blankenstein am Alexanderplatz errichtete neue Polizeipräsidium. Die Kriminalpolizei war über Eingang V zu erreichen.

      In der gedruckten Geschäfts- und Reviereinteilung der königlichen Polizeiverwaltung im Landespolizeibezirk Berlin für das Jahr 1910 gehörten zur Exekutive sieben Kriminalinspektoren, 51 Kriminalkommissare, 143 Wachtmeister und 406 Schutzmänner, davon je 115 Wachtmeister und Schutzmänner in den 115 Polizeirevieren sowie vier Wachtmeister und 27 Schutzmänner in den Vororten. 25

      Während des Ersten Weltkrieges verschob sich der Tätigkeitsbereich der Kripo durch die Zunahme der Prostitution stark in Richtung auf sittenpolizeiliche und fürsorgepolizeiliche Aufgaben. Unter der Zielsetzung, die Übertragung von Geschlechtskrankheiten auf Militärpersonen zu verhindern, wurde das Kontrollwesen durch den Straßenaufsichtsdienst, ärztliche Untersuchungen, Lokalbesuchs-Verbote, sittenpolizeiliche Aufsicht und schließlich auch Schutzhaft erheblich ausgebaut. 26

      Weimarer Zeit

      Den politischen Umbruch nach Kriegsende 1918 überstand die Kripo ohne große Veränderungen in ihrem Aufbau. Sie lehnte die Übernahme von Aufgaben der politischen Polizei und der Schutzpolizei ab und setzte ihre fachbezogene Arbeit der Verbrechensbekämpfung ungeachtet der Bildung von Arbeiter- und Soldaten-Räten und der Besetzung des Polizeipräsidiums durch Spartakusanhänger im Januar 1919 fort. Die Wiederbewaffnung der Kripo erfolgte bereits zehn Tage nach Ausrufung der Republik. Der neue Leiter der Kripo, Erich Prinz, konnte sich nur wenige Monate im Amt halten. Bernhard Weiß befolgte, später als Polizei-Vizepräsident, die strikte Leitlinie, die Kripo aus politischen Auseinandersetzungen herauszuhalten. 27

      Eine Vereinheitlichung der Zuständigkeiten brachte die Bildung der Einheitsgemeinde Groß-Berlin im April 1920. Die Zusammenfassung von Alt-Berlin mit den umgebenden Städten, Gemeinden und Gutsbezirken in 20 neuen Bezirken vollzog auf verwaltungstechnischem Gebiet die Ziele des Landespolizeibezirks vom Anfang des Jahrhunderts.

      Die Mangelwirtschaft der Kriegs- und der Nachkriegsjahre mit Inflation und Bürgerkrieg ließen ein neues Spektrum verbrecherischer Aktivitäten entstehen, dem sich die Kripo stellen musste. Die Geschäfts- und Reviereinteilung von 1922 zählte dazu Verstöße gegen die Konkursordnung, das Aktiengesetz, Gesetze betreffend die Gesellschaften mbH, die Gewerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften, Lotterievergehen, Urheberrechtsverstöße, Schutz von Patenten, Gebrauchsmustern und Warenbezeichnungen, unlauterer Wettbewerb, Handel und Schmuggel mit in- und ausländischen Banknoten und Zahlungsmitteln. 28

      Die verschiedenen Deliktsgruppen wurden auf 19 Arbeitsgebiete aufgeteilt, die den Inspektionen A, B I und B II und C nachgeordnet waren. Dazu kamen noch die Falschgeldbekämpfung, der allgemeine Streifendienst, die Taschendiebstreifen und die Pfandhausstreifen. Neben dem Erkennungsdienst, der Schriftleitung der Tagesberichte, dem Fahndungsbüro und dem Kriminalmuseum wurden als Anpassung an die Bedürfnisse der Zeit eine Beratungsstelle zum Schutz gegen Einbruch und Diebstahl sowie die Nachrichtensammelstelle für Vermisste und unbekannte Tote eingerichtet.

      Die Reformbemühungen auf dem Gebiet der Polizeigesetzgebung führten 1922 zum Erlass des Reichskriminalpolizeigesetzes (RGBL. IS. 593-595), dessen organisatorische Umsetzung erst 1925 durch die Bildung eines Landeskriminalpolizeiamtes beim Polizeipräsidenten Berlin erfolgte. Es beaufsichtigte und koordinierte die Arbeit der Landeskriminalpolizeistellen. Für den Staat Preußen fungierte es als Zentrale des Erkennungs- und Meldedienstes.

      Im Polizeipräsidium wurden neue Fachinspektionen gebildet: A: Mord/Körperverletzung, B: Raubüberfall, C: Diebstahl, D: Betrug, E: Sittenpolizei, F: Verstöße gegen die Gewerbe- und Konkursordnung, G: Kinder und weibliche Jugendliche (nach 1927 mit weiblichen Beamten besetzt), H: Streifendienst, Fahndung nach Personen und Sachen, I: Erkennungsdienst.

      In allen 20 Polizeiämtern von Groß-Berlin, die sich am Aufbau der Berliner Bezirke orientierten, entstanden Ortsinspektionen der Kripo in den 295 Polizeirevieren. 29

      Bekanntheit in der Öffentlichkeit über den Rahmen der Behörde hinaus erlangten in der Weimarer Republik die Kommissare Gennat (Mordfälle), Werneburg (Raubüberfall), Philip Greiner (Glücksspiel), Günther Braschwitz (Einbruch), Max Bünger (Geldschrankknacker), Ernst Engelbrecht (Bandenverbrechen), Hans Schneickert (Erkennungsdienst), Otto Trittin (Juwelen- und Museumsdiebstähle); Arthur Nebe (Rauschgift) dagegen eher nach 1933.

      Erhebliches Gewicht legte man nach 1918 auf die professionelle Ausbildung der Kripo durch das Angebot von Lehrgängen an der Höheren Polizeischule in Eiche bei Berlin, durch Vorlesungen im Polizeipräsidium und durch das Lehrangebot des 1927 eröffneten Polizei-Instituts in Charlottenburg. Hier entstand auch durch Runderlass des Preußischen Ministers des Innern vom 6. März 1930 eine Musterlehrmittelsammlung, die damit die Nachfolge des Kriminalmuseums antrat. Die im Polizei-Institut erarbeiteten Forschungsergebnisse veröffentlichte das Archiv für Kriminologie des Verlages von F.C.W. Vogel.

      Erich Liebermann v. Sonnenberg vom Dezernat Fälschungen kooperierte bereits vor der Machtübernahme Hitlers mit den Nationalsozialisten.