Berliner Kriminalpolizei von 1945 bis zur Gegenwart. Polizeihistorische Sammlung. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Polizeihistorische Sammlung
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Социология
Год издания: 0
isbn: 9788726410488
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der Direktor des Polizei-Intendanturamtes. Im Jahre 1822 endete das Experiment des Berliner Regierungsbezirks. Von nun an verstärkten sich die Tendenzen zum Herauswachsen Berlins aus der Provinz Brandenburg und das Bedürfnis, diesem Umstand in geeigneter Form Rechnung zu tragen.

      Das Polizeipräsidium erhielt 1822 seine frühere Selbständigkeit zurück, übernahm aber zusätzlich Zuständigkeiten eines Regierungspräsidiums unter anderem in Gewerbesachen. Die Behörde gliederte sich 1822 auf in das General-Geschäftsbüro und das Polizei-Intendanturamt sowie Spezialbüros (Polizei-Untersuchungsamt, Sicherheitsamt, Polizei-Fremdenamt und Wohnungs-Meldungsamt).

      Das Stadtgebiet war in 22 Revierbereiche eingeteilt. Den exekutiven Dienst versahen drei Kriminalkommissare, soweit diese Aufgaben nicht den Revierkommissaren übertragen waren. Das führte zu Doppelgleisigkeit bei der Arbeit, da die Kriminalkommissare ihre Aufträge vom Sicherheitsbüro erhielten. Die Ineffizienz der scharfen Trennung zwischen landes- und ortspolizeilichen Aufgaben führte zur Neuregelung der Geschäftsbetriebes im Jahre 1830.

      Es entstanden fünf selbständige Abteilungen unter der verantwortlichen Leitung jeweils eines Dirigenten. Die Aufgaben des Sicherheitsbüros übernahm die Abteilung IV. Zu dessen Dirigenten wurde der Geheime Hofrat Carl Falkenberg bestellt. Ihr Auftrag lautete: Verhütung und Ermittlung verübter Verbrechen, Aufsicht über gefährliche Personen, Beobachtung dienst- und arbeitsloser Personen, Ausweisung oder „correctionelle Einsperrung“ (Arbeitshaus) dieses Personenkreises, Kontrolle von Gewerben, die mit dem genannten Personenkreis in Berührung standen wie Trödlern, Hausierern, Pfandleihern, Schlafstellenhaltern, Bordellwirten und Lohnhuren. Die bereits von der Immediat-Kriminalkommission angelegten Karteien wurden durch weitere ergänzt und umfassten 1830 Übersichten über alle Festungs- und Zuchthausinsassen in Preußen, entlassene Häftlinge, Häftlinge in Untersuchungshaft in der Kurmark, verhaftete Landstreicher, unter Polizeiaufsicht stehende Personen, Prostituierte und sämtliche dienst- und arbeitslosen Personen. Das Steckbriefregister vervollständigte man fortlaufend aus 27 in- und ausländischen Zeitungen. 12

      Die vom Dezernenten des Sicherheitsbüros Merker seit 1819 herausgegebenen „Mitteilungen zur Beförderung der Sicherheitspflege“ fanden ihre Ergänzung und Fortsetzung in den seit 1840 erscheinenden „Beiträgen zur Erleichterung des Gelingens der praktischen Polizei“. 13 Sie enthielten wöchentliche Überblicke über die polizeilichen Tagesereignisse in der Residenzstadt Berlin sowie Statistiken des Stadtvogteigefängnisses. Die vom Sicherheitsbüro erstellten Listen gesuchter Verbrecher waren der Vorläufer des seit 1852 herausgegebenen „Preußischen Central-Polizeiblattes“. Die Redaktionstätigkeit blieb eine ständige Aufgabe der Abteilung IV.

      Als Kriminalinspektoren fungierten seit 1812 zuerst der Kriminalsekretär Schardt. Ihm folgte der Polizeiinspektor Eckert und ab 1827 der Polizeiinspektor Duncker bis 1847. Während seiner Amtszeit erhöhte sich die Zahl der Kriminalkommissare auf sechs feste Kräfte, nicht mitgerechnet die Kommissare beim Berliner Kriminalgericht. Die Kriminalbeamten trugen Uniform, die sie im Bedarfsfall gegen Zivilkleidung austauschten, und wiesen sich durch die seit 1810 eingeführte Polizeimarke aus (Paragraf 20 des Polizeireglements vom 5. Januar 1810). Das stetige Anwachsen der Einwohnerzahl Berlins von 178 000 im Jahre 1800 auf 270 000 im Jahre 1838, dann zwischen 1838 und 1847 eine beschleunigte Zunahme auf 403 000, ließ die sozialen Probleme und die mit ihnen verbundene Kriminalität derart anwachsen, dass auch die Öffentlichkeit darüber Aufklärung und Information verlangte. Im Vordergrund der Vorwürfe gegen die Kriminalpolizei stand das Vigilantenunwesen (Spitzel), das vielen Verfassern aber die Möglichkeit gab, Umfang und Erscheinungsformen der Kriminalität darzustellen.

      Als Folge der Revolution von 1848 wurde am 23. Juni 1848 die Schutzmannschaft als Polizeieinheit aufgestellt. Das Preußische Polizeigesetz vom 11. März 1850 (Gesetzes-Sammlung GS, S. 265–268) ermöglichte die Errichtung von Spezialeinheiten, denen ausschließlich die Behandlung kriminalistischer Aufgaben oblag. Diese Richtlinien setzte in Berlin der umstrittene Polizeidirektor Wilhelm Stieber (Amtszeit 1850 bis 1860) um, der 1852 eine Revierkriminalpolizei schuf, die jedem der inzwischen 36 Polizeireviere einen geeigneten Schutzmann für die Bearbeitung kriminalpolizeilicher Fragen überwies. In Fachkursen wurden diese Schutzleute auf ihre kriminalistischen Aufgaben vorbereitet. 1854 wurde die Kripo als Abteilung VII aus der Sicherheitspolizei (Abteilung IV) ausgegliedert.

      Stieber hoffte, als Abteilungs-Dirigent die bisherige Trennung in Dezernats- und Exekutivarbeit aufzuheben. Ihm standen als Personal zwei Hilfsdezernenten, ein Sekretär, zwei Kriminalinspektoren, ein Leicheninspektor, zwölf Kriminalkommissare und 50 Kriminalschutzleute zur Verfügung.

      Für die Sicherstellung der Leichen von Selbstmördern und verunglückten Personen war bereits 1840 ein Kommissariat eingerichtet worden. Dem Beispiel des 1864 in Paris eröffneten Leichenschauhauses (morgue) folgend, zielten die Planungen in Berlin auf die Einrich-tung eines vergleichbaren Instituts, das als Abteilung der Staatsarzneikunde auf dem alten Charité-Kirchhof entstand und mit einem Kühlsystem des neuesten Standes ausgerüstet war. Im Dezember 1885 dem Polizeipräsidium unterstellt, wurde es als „fiskalisches Leichenschauhaus“ am 1. März 1886 eröffnet. Ein Kommissariat zur Sicherstellung von Leichen hatte hier später seine Amtsräume. 14

      Wesentliche Erfolge der Kripo-Arbeit sind den unter Stieber arbeitenden Kriminalkommissaren Bormann, Rockenstein und Pick zuzurechnen. Stieber fasste seine Erfahrungen im „Practischen Lehrbuch der Kriminal-Polizei“, Berlin 1860, zusammen.

      Die mit dem Gesetz vom 17. Juni 1846 (GS, S. 267, Neuregelung durch Verordnungen vom 2. und 3. Januar 1849; GS, S. 1 und S. 14) geschaffene Staatsanwaltschaft erhielt in Paragraf 4 das Recht, Polizeibehörden, insbesondere die Kriminalbeamten, zu Untersuchungshandlungen hinzuziehen. Durch Paragraf 159 der Strafprozessordnung (15. September 1879) erhielten die Kriminalbeamten den Status von Hilfsbeamten der Staatsanwaltschaft. Daraus hat sich aber keine Kontrolle über die Kripo entwickelt, denn diese entwickelte ihr Ermittlungsinstrumentarium methodisch, technisch und verwaltungsmäßig weiter. Seit 1864 erhielt die Kripo als ständiges zusätzliches Unterpersonal Wachtmeister und Schutzmänner.

      Kaiserzeit

      1872 wurde jedem Revier ein Kriminalschutzmann zugeteilt, der dem Reviervorsteher unterstand, aber Aufträge der Kriminalkommissare auszuführen hatte. Um den Bedarf an geeignetem fachlichen Personal zu decken, durften ab 1875 neben den Militärversorgungsempfängern auch andere eingestellt werden. Die Posten der Abteilungsdirigenten der Abteilungen II und IV wurden durch höhere Beamte besetzt. Trotzdem rekrutierten sich die Kriminalwachtmeister und -schutzmänner weiter vorwiegend aus der Schutzmannschaft. Seit 1879 waren sie ausschließlich der Abteilung IV unterstellt, die ihrerseits haushaltsmäßig selbständig wurde. 15

      Angepasst an die bestehenden sechs Bezirkshauptmannschaften der Schutzpolizei bildete man 1877 sechs Bezirkskommissariate der Kripo, deren Auftrag Aufklärung von Delikten im jeweiligen Bezirk lautete. Zusätzlich hatten die Bezirkskommissariate aber auch Aufgaben der Sittenpolizei und der politischen Polizei wahrzunehmen. Bezirke mit einer Bevölkerungszahl von 200 000 Personen hatten einen zu großen Zuschnitt. Durch die Vermehrung der Bezirkskommissariate konnte die durchschnittliche Bevölkerungszahl je Kommissariat auf 150 000 gesenkt werden. 16 Die Zahl der Polizeihauptmannschaften stieg mit dem Wachstum der Bevölkerung bis 1908 auf 13. Auf der lokalen Ebene war die Polizei durch 111 Reviere präsent. 17

      Mit der Einrichtung von drei Inspektionen (A: zuständig für die Bezirkskommissariate, B: zuständig für gewerbs- und gewohnheitsmäßig verübte Straftaten, C: zuständig für Angelegenheiten, die juristische, kaufmännische oder technische Vorkenntnisse erfordern) unterhalb der Abteilungsdirigenten gelang es 1885, eine effektive Mittelinstanz zu installieren. Den Revieren wurde zur Überwachung der Gaststätten und Gewerbebetriebe ein weiterer Kriminalschutzmann auf Dauer zugewiesen. Die den Kriminalschutzmännern vorgesetzten Kriminalwachtmeister erhielten eine kriminalistische Ausbildung. Seit 1886 stand die Sittenpolizei (unter der Leitung eines vierten Kriminalinspektors) wieder unter der Zuständigkeit der Abteilung IV. 18

      In den folgenden Jahren wurden die Geschäfte in der Inspektion A auf die Dezernate I bis III und in der Inspektion B auf die Dezernate I und II aufgefächert und die Personalstärke durch einen zweiten Kriminalinspektor für