Berliner Kriminalpolizei von 1945 bis zur Gegenwart. Polizeihistorische Sammlung. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Polizeihistorische Sammlung
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Социология
Год издания: 0
isbn: 9788726410488
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entwickelte sich daraus entweder ein fruchtbares Miteinander oder aber ein hemmendes Konkurrenzverhältnis.

      Erst mit der Entscheidung, am 1. Juni 1994 das LKA-Modell in die Praxis umzusetzen, entspannte sich dieses Verhältnis. Berlin hatte erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik ein verfassungsgemäßes Landeskriminalamt.

      Der Rückzug aus der Fläche war für die Kriminalpolizei, die gut 80 bis 90 Prozent ihrer Arbeit bezogen auf den Tatortbezirk verrichtet, ein schwerwiegender Fehler. Erst mit der Umsetzung des Berliner Modells, das heißt mit der Reform der schutzpolizeilichen Aufgaben vor Ort, wurde in den letzten Jahren dem Erfordernis, Kriminalbeamte in der kleinsten örtlichen Gliederungseinheit zu verwenden, erneut Rechnung getragen. Mit dem „Hauptsachbearbeiter K“ ist zwar der alte Revierkriminalbeamte noch nicht zurückgekehrt, aber es ist ein Schritt in die richtige Richtung.

      Die Reform von 1974 war keine „Reform“ im Sinne der alten preußischen Heeresreformen mit definiertem Beginn und definiertem Ende. Leider wurde sie so (falsch) verstanden! Mit ihr hätte der Prozess der kontinuierlichen Anpassung und Verbesserung eingeleitet werden müssen. Statt dessen begann mit dem Streit, wer denn nun die Fachaufsicht über „die Kriminalpolizei“ habe, ein schädliches Konkurrenzdenken zwischen örtlicher und zentraler Kripo. Erst 2003 mit der „Neuordnung der Führungsstrukturen“ und der unbestrittenen Verantwortung des Landeskriminalamtes für die Qualitätssicherung der Kriminalitätsbekämpfung in der ganzen Stadt wurde dieser Streit beendet.

      Es war aber auch nicht zu übersehen, dass immer neue Ideen innerhalb der Schutz- und Kriminalpolizei eine Reformmüdigkeit mit sich brachten.

      Anfang der neunziger Jahre wurde im Zuge einer Organisationsuntersuchung durch „Mummert und Partner“ das „Berliner Modell“ entwickelt. Von der Kriminalpolizei anfänglich eher misstrauisch betrachtet, wurden einfache kriminalpolizeiliche Aufgaben an die Schutzpolizei auf den Abschnitten zur Endbearbeitung abgegeben mit dem Ziel, die Kriminalpolizei spürbar zu entlasten.

      Kriminalistik war für die Schutzpolizei im mittleren Dienst seit Anfang der siebziger Jahre nur Hörfach gewesen. Also musste ein neues Ausbildungsvorhaben aufgelegt werden. Die Probleme sind nicht gering, aber der Erfolg wird sichtbar. Kriminalitätsbearbeitung gehört heute bereits in vielen Bereichen der Schutzpolizei zu den ganz normalen Aufgaben.

      Die Ende der neunziger Jahre stadtweit eingeführte Verwaltungsreform im Zuge der bundesweit angestrebten neuen Steuerungsmodelle in den Verwaltungen dagegen wurde für die Berliner Polizei um zwei Jahre verschoben.

      Eine schicksalhafte Entscheidung. Zunächst schien alles gut zu laufen. Für das Jahr 2001 wurden fünf Pilotdienststellen ausgewählt. Auch das Landeskriminalamt hatte eine Abteilung ausgewählt, die für das gesamte LKA als Pilot-Projekt fungieren sollte, die Abteilung LKA 5, der Polizeiliche Staatsschutz. Der Startschuss dazu fiel am 1. Januar 2001.

      Trotz aller Wirren und Widrigkeiten überlebte die Abteilung 5 das erste Jahr fiskalischer Verantwortung und schloss mit einem positiven Ergebnis ab.

      Man hatte der Polizei bei der Umsetzung des Reformvorhabens einen Aufschub von zwei Jahren gewährt, nicht aber bei der Fortsetzung der Neugestaltung.

      Seit dem 1. Januar 2004 sind alle Organisationseinheiten in den Vollbetrieb als Leistungs- und Verwaltungszentrum oder aber als Serviceeinheit in den Betrieb gegangen. Das insgesamt positive Resultat der Pilotphase konnte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Übergang in die fiskalische Verantwortung in Zeiten des allgemeinen Mangels mit Problemen behaftet ist. Dieses Dilemma besteht in der Haushaltsmisere des Landes Berlin, bei der jährlich drei Milliarden mehr Ausgaben als Einnahmen verzeichnet werden.

      Diese Tatsache führte zur Konsequenz: sparen, sparen und nochmals sparen!

      Natürlich kann die Polizei nicht von den Sparnotwendigkeiten des Landes ausgenommen werden, andererseits hat sie aber – und hier insbesondere die Kripo – einen gesellschaftlichen Auftrag, der zwar volkswirtschaftlich betrachtet werden muss, aber im Einzelfall nicht einfach betriebswirtschaftlich gegenzurechnen ist.

      Wenn kriminalpolizeiliche Arbeit nicht mit dem Rotstift durchgeführt werden soll, bedeutet das für alle, die in der Kripo Verantwortung tragen, dass sie intelligente Alternativen entwickeln und trotz der geringeren personellen Ressourcen sowie der reduzierten finanziellen Mittel ihre Aufgaben so erfüllen, wie es die Allgemeinheit erwarten darf.

      In der Konsequenz heißt das, kontinuierlich die Sinnhaftigkeit von Hierarchieebenen zu prüfen, den Einsatz von Personal zu optimieren und die Organisation des LKA als Resultat der inneren Schwerpunktsetzung anzupassen. Dem entspricht die Neuorganisation des LKA in den Jahren 2003 und 2004.

      Die Entwicklung der Informationstechnologie hat einen rasanten Aufschwung bewirkt. Zwar gehörte die Berliner Kriminalpolizei zu den Ersten, die Mitte der siebziger Jahre ein voll funktionsfähiges elektronisches Vorgangsverwaltungs- und Informationssystem (ISVB) ihr Eigen nannte.

      Mit der Entscheidung für ein zentrales System waren aber auch Weichen gestellt worden, die im Zeitalter der Miniaturisierung der individuellen Nutzung von Informationstechnologien (IT) entgegenstanden. Die Umstellung auf neue technische Möglichkeiten war aber nicht nur ein finanzielles, sondern auch ein Erkenntnis- und Ausbildungsproblem. Erst spät konnte dies mit großem finanziellem Aufwand begonnen werden.

      Erste Schwerpunkte wurden daher auf Unterstützungssysteme gelegt: Verbesserung der Mobilität, Digitalisierung von Fingerabdruckblättern, des Täterbildmaterials, das Projekt „POLIKS“ (Polizeiliches Landessystem zur Information, Kommunikation und Sachbearbeitung), um nur einige Projekte zu benennen. Auf all diesen Feldern wurde die Berliner Kriminalpolizei aktiv und hat dort einen Standard erreicht, der bemerkenswert ist.

      Erst in zweiter Linie wurden Maßnahmen begonnen, die die IT-Kompetenz der Mitarbeiter steigern sollen. Notwendig war das geworden, weil Informationstechnologien vermehrt zur Bewältigung krimineller Logistik und als aktives Tatmittel zum Einsatz kamen. Eine Neuerung, deren Konsequenz noch nicht abzusehen ist. Aber schon sind neue Entwicklungen sichtbar. Der 11. September 2001 hat auch hier seine Spuren hinterlassen. Veränderte Aufgaben zur Gefährdungsbewertung bedingen einen vernetzten Informationsaustausch.

      Die Kriminalpolizei ist eine Organisation zur Informationsverarbeitung. Um den modernen Methoden des Verbrechens Vernünftiges entgegensetzen zu können, muss sich die Kriminalpolizei weiterhin nicht nur um eine technische Ausrüstung bemühen, mit der sie dieser Klientel fach- und sachgerecht, aber auch schnell und präzise begegnen kann, sondern muss dem organisatorischen Netzwerk der Täter vernetztes Denken bei der Auswertung und vernetzten Transfer beim Zugriff auf Informationen gegenüberstellen.

      Die Kriminalpolizei ist ein Spiegelbild unserer Gesellschaft und somit auch ein Spiegelbild der Stadt. Sie wird auch in den nächsten Jahren weiteren Veränderungen und einem weiteren Strukturwandel unterliegen.

      Immer aber wird die Kriminalpolizei von und mit Menschen leben, die mit Initiative, Engagement, Einfühlungsvermögen und Verantwortungsbewusstsein ihren Dienst in einer Gemeinschaft von Professionellen versehen und alles unternehmen, um sich dem Verbrechen mit all seinen erschreckenden Facetten entgegenzustellen.

Von der Geschichte der Kripo

      Entwicklung und Aufbau der Kriminalpolizei in Berlin

      von Klaus Dettmer

      Vorgeschichte

      Mord und Totschlag durchziehen die Geschichte wie ein roter Faden. Sie zu sühnen und ihnen vorzubeugen gehörte zu den ersten Übereinkünften einer Gemeinschaft, sei es in mündlich tradierten Formen oder später in schriftlich fixierter Form. Im „Sachsenspiegel“ des Eike von Repgow sehen wir eine noch stammesbezogene Kodifizierung des hohen Mittelalters, in der „Karolina“ Karls V. von 1532 ein erstes Strafgesetzbuch des Reiches. An die Stelle der ursprünglichen Großfamilien, Sippen und Stämme traten im Lauf der Entwicklung die neuen Verbände der Kirche, der Städte und der Territorialfürsten. Die Ahndung von Angriffen auf Körper und Leben blieben bis in die allerjüngste Zeit auf Abschreckung bedacht. Die Unterscheidung der höheren Gerichtsbarkeit gegenüber der niederen