Berliner Kriminalpolizei von 1945 bis zur Gegenwart. Polizeihistorische Sammlung. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Polizeihistorische Sammlung
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Социология
Год издания: 0
isbn: 9788726410488
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bei den Repräsentanten der Sowjetarmee lagt, gab es in den drei Westsektoren auch drei Zuständigkeiten für die Sicherheit der Stadt. Da es nur einen Polizeipräsidenten gab (mit Dienstsitz im amerikanischen Sektor), erstreckte sich die Befehlsgewalt de jure nur auf die Sektorassistenten – ein Amt, das in der Polizei extra eingeführt wurde. Weisungen an den Polizeipräsidenten wurden von allen (West-)Alliierten über Allied Kommandantura Order oder Letter verfügt. Daneben gab es die direkte Befehlsgewalt alliierter Offiziere gegenüber jedem einzelnen Polizeibeamten, die bis zum Abzug der Alliierten im Jahre 1994 galt.

      In den Jahren der Zusammenarbeit entwickelte sich ein durchaus freundschaftliches Verhältnis zwischen den Sicherheitsoffizieren der drei West-Alliierten und ihren schutzpolizeilichen Partnern.

      Mit der Kriminalpolizei waren die Verbindungen mit Ausnahme der Abteilung I („Polizeilicher Staatsschutz“) eher lose. Deren Hauptaugenmerk lag – wen wundert’s angesichts der politischen Rahmenbedingungen – auf der Bekämpfung geheimdienstlicher Agententätigkeit und auf der Aufarbeitung nationalsozialistischen Unrechts.

      Als eine Arabeske der Geschichte sei angemerkt, dass die Kriminalpolizei des Landes Berlin heute so gut wie keine Spionagefälle mehr bearbeitet, es aber immer noch vereinzelte Ermittlungshandlungen wegen Verbrechen aus der nationalsozialistischen Zeit gibt.

      Erst die ab Mitte der siebziger Jahre zu verzeichnende Terrorwelle mit weltweiten Anschlägen auf die zivile Luftfahrt führte zu einer engen Zusammenarbeit zwischen den Alliierten, die die Lufthoheit beanspruchten, und der Kriminalpolizei, die dazu führte, dass in den Maßnahmenkatalogen weniger militärische als vielmehr polizeiliche Taktik in den Vordergrund rückte. Die Alliierten hatten gelernt, dass sie sich auf die Polizeilicher Lagen verlassen konnten und angesichts der damals bereits beginnenden Truppenabzüge auch mussten.

      Bei allem gegenseitigen Verständnis war das Rechtsverhältnis zwischen Polizei und Alliierten letztlich aber noch immer durch das Kriegsrecht bestimmt und dieses zugleich auch Ausdruck der durch die unterschiedlichen Machtbefugnisse verursachten Zweiteilung dieser Stadt. Nichts anderes dürfte für den Ostteil der Stadt gegolten haben, wo das Präsidium der Volkspolizei direkt oder indirekt über das Ministerium für Staatssicherheit der russischen Besatzungsmacht zuzuarbeiten hatte.

      Mit dem historischen Abstand von 15 Jahren betrachtet, war das Jahr nach dem Fall der Mauer und vor der Wiedervereinigung Deutschlands das wohl interessanteste in Berlin.

      Zweistaatlichkeit im unmittelbaren Erleben – so konnte man als Bürger dieser Stadt die „Grenze“ jederzeit überschreiten, als Angehöriger der Organe staatlicher Rechtspflege durfte man es in amtlicher Eigenschaft dagegen nicht.

      Nur, wer konnte und wollte sich daran halten? Observationskräfte beider Seiten überschritten die „Grenze“ mit und ohne Erlaubnis, und Ermittler bekamen Hinweise zu Straftaten auf der jeweils anderen Seite.

      Die Zusammenarbeit war dabei nicht immer einfach, zumal Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS), zunächst aus dem Ministerium ausgeschieden, über die „Runden Tische“ bei dem Präsidium der Berliner Volkspolizei wieder eingestellt wurden.

      Verräterische Einträge in Personalakten durften die Probanden, soweit möglich, selbst bereinigen. Schnelles und pragmatisches Handeln wurde deshalb mit der Vereinigung erforderlich, um Unheil zu vermeiden, zugleich aber auch Partnerschaften zu bilden, um die Kollegen aus dem Ostteil der Stadt in die für sie fremde Rechtsmaterie einzuführen, sie auszubilden und ihnen die Grundzüge demokratischer Kontrollinstanzen zu vermitteln.

      Dass sich die Eingliederung auf sehr professionelle Weise vollzog, ist letztlich einem Mann zu verdanken, der kein Kriminalbeamter, aber ein überaus engagierter und für die Aufgabe prädestinierter Mann war. Der Leiter der Schulabteilung des Polizeipräsidenten in Berlin, LtdPD Simon. Er entwickelte gemeinsam mit seinen Mitarbeitern ein Konzept zur Aus- und Fortbildung des personellen Zuwachses und setzte es erfolgreich um. Sein Name wird deshalb zu Recht mit diesem über Jahre dauernden Mammutwerk in Beziehung gesetzt werden.

      Die Kriminalpolizei hatte von Anfang an darauf verzichtet, reine Ost- oder reine Westdienststellen zu gründen. Eine Entscheidung, die sich schnell bezahlt machen sollte. Allerdings war sie auch mit dem Nachteil behaftet, dass diese Dienststellen, die ihrer neuen Größe von Berlin angepasst und deshalb für die gesamte Stadt zuständig waren, immer wieder reduziert werden mussten, weil viele der neuen Mitarbeiter sehr schnell durch ihre Vergangenheit eingeholt wurden und konsequenterweise entlassen werden mussten.

      Mit dem Hauptstadtbeschluss des Deutschen Bundestages vom 20. Juni 1991 wurde klar, dass die „Hauptstadt im Wartestand“ in kürzester Zeit wieder Hauptstadt „in vivo“ werden würde.

      Für die Kriminalpolizei aber waren dies zunächst eher Fragen akademischen Charakters, denn die Sicherheitsprobleme, die durch Parlament und Ministerien in die Stadt hineingetragen wurden, waren gering im Gegensatz zu denen, die sich aus der allgemeinen Kriminalitätslageentwicklung ergaben.

      Um den Ängsten der Neuberliner mit Bundesaufgaben zu begegnen, wurde recht schnell eine gemeinsame Lagebetrachtung zwischen Berlin und Brandenburg einerseits und Berlin und dem Bund andererseits angestrebt. Das Bundeskriminalamt und die Berliner Kriminalpolizei stellten als Erstes ein gemeinsames Lagebild auf, mussten aber bald erkennen, dass die Deliktsfelder der allgemeinen Kriminalität auf Parlamentarier oder Ministerien keinen Einfluss hatten, noch diese den ihren geltend machten, um der steigenden Kriminalität Einhalt zu gebieten.

      Die Sogwirkung der wirtschaftlichen Metropole war nach dem Fall des Eisernen Vorhangs nicht zu übersehen. Zwar entwickelte sich der gemeinsame Kriminalitätsraum Berlin-Brandenburg erst langsam, dennoch zeigte er bereits erste Konturen, als sich der Speckgürtel nicht nur mit stadtmüden Berlinern, sondern auch mit der dazugewonnenen positiven und negativen Infrastruktur füllte.

      Hinzu kam als weiteres Phänomen das der russischen Emigranten. Zu tausenden strömten Russen, Russlanddeutsche und Angehörige der früher zur UdSSR gehörenden und nunmehr selbständigen Völker in die Stadt und brachten nicht nur ihre Sprache und Gebräuche mit.

      Zusammen mit den hier verbliebenen Vertragspartnern aus der ehemaligen DDR, die afrikanischen oder südostasiatischen Völkern angehörten, zeigten sie wenig Neigung zur sozialen Integration. Soziale Abschottungstendenzen waren unübersehbar und bezogen sich erst recht auf die Kontakte zu der Berliner Polizei.

      Neue Formen der ethnisch abgeschotteten Bandenkriminalität bei den Eigentumsdelikten, der Kraftfahrzeugverschiebung, des Falschgeldabsatzes und des Gewaltinkassos waren die Folge.

      Kriminalität im ethnisch-sozialen Umfeld in dieser Schärfe war eine neue Erfahrung für die Berliner Kriminalpolizei, eine Herausforderung, der sie sich im Großen und Ganzen mit gutem Erfolg gestellt hat und auch in Zukunft stellen wird. Doch davon später.

      Anfang der siebziger Jahre wurde klar, dass die Polizei sich aus der kleinräumigen Verteilung in der Fläche zurückziehen musste, um ihre Ressourcen zu bündeln und zielgerichteter einzusetzen. Mit der Polizeireform von 1974 ergaben sich auch für die Kriminalpolizei einschneidende Veränderungen.

      Ohne ins Detail zu gehen, weil das den Rahmen der einführenden Worte zu diesem Buch bei weitem sprengen würde, sei nur so viel angemerkt:

      Die bestehenden 112 Polizeireviere wurden in 31 Abschnitte umgewandelt. Die Revierkriminalbüros wurden aufgelöst. Die bisher auf zwölf Inspektionen verteilten örtlichen Kriminalpolizeien wurden in fünf örtlichen Polizeidirektionen in jeweils zwei Inspektionen zusammengefasst. Der Rückzug der Kriminalpolizei aus der Fläche wurde durch kriminalpolizeiliche Sofortdienste der Polizeidirektionen kompensiert.

      Die zentralen Kriminalreferate und Inspektionen der ehemaligen Abteilung K wurden zu einer „Direktion Verbrechensbekämpfung“ zusammengefasst. Die in der Kriminaldirektion der ehemaligen Abteilung K zentral durchgeführten Aufgaben wurden in einem „Dezernat Verbrechensbekämpfung“ in der Landespolizeidirektion zusammengefasst.

      Drei Anmerkungen sind zu der „Reform von 1974“, wie sie gemeinhin genannt wird, zu machen.

      Der daraus entstandene Dualismus zwischen der „Direktion Verbrechensbekämpfung“