Die Pickwickier. Charles Dickens. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Charles Dickens
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783961183319
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Sie sich's, mein werter Herr", mahnte der kleine Anwalt und faßte Mr. Jingle beim Rockknopf. "'s ist eine schöne runde Summe. Ein Mann, wie Sie, könnte sie in ganz kurzer Zeit verdreifachen. Mit fünfzig Pfund läßt sich's weit kommen, mein werter Herr."

      "Aber noch weiter mit hundertundfünfzig", entgegnete Mr. Jingle kaltblütig.

      "Nun, mein werter Herr, wir wollen nicht leeres Stroh dreschen", nahm der kleine Mann seinen Vortrag wieder auf. "Sagen Sie1, sagen Sie siebzig."

      "Reicht nicht", versetzte Mr. Jingle.

      "Aber so laufen Sie doch nicht immer gleich weg, mein werter Herr, bitte, eilen Sie doch nicht so", erwiderte der kleine Mann. "Achtzig? Kommen Sie, ich schreibe Ihnen sofort die Anweisung."

      "Nun, mein werter Herr", entgegnete der kleine Mann, Mr. Jingle immer noch am Knopf haltend, "dann sagen Sie mir geradeheraus, wieviel Sie haben wollen."

      "Kostspielige Angelegenheit", versetzte Mr. Jingle, "Geld aus meiner Tasche – Post, neun Pfund – Lizenz, drei – macht zwölf – Entschädigung hundert, macht hundertundzwölf – Ehrenkränkung – die Dame verloren."

      "Schon gut, schon gut, mein werter Herr", sagte der kleine Mann mit einem schlauen Blick. Die beiden letzten Punkte wollen wir vielleicht aus dem Spiele lassen. Hundertundzwölf? – Sagen wir hundert."

      "Und zwanzig", fügte Mr. Jingle bei.

      "Kommen Sie; ich will Ihnen die Anweisung schreiben", entgegnete der kleine Mann und setzte sich in dieser Absicht an den Tisch. "Übermorgen zahlbar", fügte er mit einem Blick auf Mr. Wardle hinzu. "Und wir können inzwischen die Dame mitnehmen."

      Mr. Wardle nickte verdrießlich.

      "Ein–hun–dert", buchstabierte der kleine Mann.

      "Und zwanzig", ergänzte Mr. Jingle.

      "Aber, mein Herr, ich bitte Sie", ereiferte sich der kleine Mann.

      "Schreiben Sie's", fiel ihm Mr. Wardle ins "Wort, "damit wir ihn schon endlich loswerden."

      Der kleine Mann schrieb die Anweisung, und Mr. Jingle steckte sie in die Tasche.

      "Und jetzt schauen Sie, daß Sie augenblicklich hinauskommen!" fuhr Mr. Wardle auf.

      "Mein werter Herr", begütigte der kleine Mann.

      "Und merken Sie sich", fuhr Mr. Wardle fort, "daß mich nichts – nicht einmal die Rücksicht auf die Ehre meiner Familie – veranlaßt haben würde, diesen Vergleich einzugehen, wenn ich nicht wüßte, daß Sie mit dem Geld in der Tasche womöglich noch früher dem Teufel in den Rachen laufen werden, als es ohnedies der Fall wäre."

      "Mein werter Herr", suchte der kleine Mann aufs neue zu beschwichtigen.

      "Lassen Sie mich, Perker!" rief Mr. Wardle. "Und Sie, Sir, machen Sie, daß Sie hinauskommen."

      "Soll augenblicklich geschehen", erwiderte Mr. Jingle unverschämt. "Servus, Pickwick."

      Wenn ein unbefangener Zeuge während des letzteren Teils der erwähnten Besprechung das Gesicht des ausgezeichneten Mannes und großen Gelehrten hätte sehen können, würde er sich wohl nicht wenig gewundert haben, daß die Glut der Entrüstung in seinen Augen nicht zum mindesten seine Brillengläser schmolz, so majestätisch erschien er in seinem Zorn. Seine Nasenflügel bebten, und seine Fäuste ballten sich unwillkürlich, als er sich in so unverschämt kollegialer Weise von dem Schurken begrüßen hörte. Aber er hielt an sich und rieb ihn nicht zu Staub.

      "Da", fuhr der verhärtete Bösewicht fort und warf Mr. Pickwick die Lizenz vor die Füße. "Namen ändern lassen – Dame nach Haus nehmen – gut für ,Tapps'."

      Mr. Pickwick war Philosoph, und Philosophen sind im Grund weiter nichts als gewappnete und gepanzerte Menschen. Aber der Pfeil war gut gezielt und hatte durch den Harnisch philosophischer Weltanschauung seinen Weg bis in das innerste Herz des Menschen gefunden. In der Überfülle seiner Wut schleuderte er Jingle das Tintenfaß nach und rannte wie toll hinterdrein. Doch der Komödiant war bereits verschwunden, und Mr. Pickwick fühlte sich plötzlich von kräftigen Armen aufgehalten.

      "Na, das Schreibgerät muß bei Ihnen zu Hause wohlfeil sein", sagte Sam. "Eine Tinte, die von selbst schreibt und noch dazu an die Wand malt, alter Herr! Nur ruhig Blut, Sir! Hat nicht viel Zweck, 'nem Menschen mit so langen Beinen nachzurennen, der jetzt schon am andern Ende des Borough ist."

      Mr. Pickwicks Geist war, wie der aller wahrhaft großen Männer, stets Vernunftgründen zugänglich. Er war ein schneller und tiefer Denker, und die Überlegung eines Augenblicks genügte, ihn die Machtlosigkeit, seiner Wut einsehen zu lassen. Sie minderte sich daher so schnell wieder, wie sie losgebrochen war. Er verschnaufte sich und warf wohlwollende Blicke auf seine Freunde.

      Sollen wir einen Auszug aus Mr. Pickwicks meisterhafter Beschreibung geben, wie herzbrechend Miß Wardle wehklagte, als sie sich von dem treulosen Jingle verlassen sah? Sein Tagebuch, von Tränen der Teilnahme teilweise verwischt, liegt offen vor uns. Ein "Wort, und es ist in den Händen des Druckers. Doch nein! Das sei ferne von uns.

      Langsam und traurig kehrten am andern Tage die beiden Freunde nebst der verlassenen Jungfrau mit der schwerfälligen Muggletoner Postkutsche nach Hause zurück. Düster und trübe lagerte der schwarze Mantel einer Sommernacht auf den Fluren, als sie Dingley Dell erreichten und an dem Portal von Manor Farm aus dem Wagen stiegen.

      Eine Nacht der Ruhe in dem tiefen Schweigen von Dingley Dell und ein Spaziergang von einer Stunde Dauer in der duftigen, erfrischenden Morgenluft reichten hin, bei Mr. Pickwick die Folgen der vorausgegangenen Körperermüdung und Gemütsbedrückung zu beheben. Zwei ganze Tage war der Treffliche von seinen Freunden und Jüngern getrennt gewesen, und voll Freude und Entzücken begrüßte er Mr. Winkle und Mr. Snodgraß, als er ihnen auf dem Heimweg von seinem frühen Spaziergang begegnete.

      "Und was", sagte er, nachdem er seinen beiden Freunden die Hand gedrückt und sie sich gegenseitig aufs herzlichste bewillkommt hatten, "was macht Tupman?"

      Mr. Winkle, an den diese Frage vornehmlich gerichtet war, schwieg. Er wandte das Gesicht ab und schien von einer wehmütigen Erinnerung ergriffen zu werden.

      "Snodgraß", fragte Mr. Pickwick ernst, "was macht unser Freund? Er ist doch nicht krank?"

      "Nein", versetzte Mr. Snodgraß, und eine Träne zitterte an seinem gefühlvollen Auge, wie ein Regentropfen an einem Fensterrahmen. "Nein. Er ist nicht krank."

      Mr. Pickwick blieb stehen und sah abwechselnd bald den einen, bald den andern seiner Freunde an.

      "Winkle, Snodgraß", rief er. "Was soll das heißen? Wo ist unser Freund? Was ist vorgefallen? Sprecht, ich bitte, ich beschwöre, nein, ich befehle es euch, sprecht!"

      Es lag eine Feierlichkeit, eine Würde in Mr. Pickwicks Benehmen, denen sich nicht widerstehen ließ. "Er ist fort", sagte Mr. Snodgraß.

      "Fort?" rief Mr. Pickwick. "Fort?"

      "Fort", wiederholte Mr. Snodgraß.

      "Wohin?" rief Mr. Pickwick.

      "Wir wissen es selbst nicht", entgegnete Mr. Snodgraß, indem er ein Schreiben aus seiner Tasche zog und es seinem Freunde überreichte. "Gestern morgen, als ein Brief von Mr. Wardle mit der Meldung einlief, daß er am Abend seine Schwester zurückbringen würde, bemerkten wir, daß die Schwermut, der sich unser Freund tags zuvor schon hingegeben hatte, zunahm. Bald nachher war er verschwunden. Wir vermißten ihn den ganzen Tag über, und am Abend Brachte uns der Stallknecht aus der ,Krone' in Muggleton diesen Brief. Tupman hatte ihn am Morgen dort gelassen, mit dem ausdrücklichen Befehl, ihn vor Abend nicht abzugeben."

      Mr. Pickwick öffnete den Brief. Er trug die Handschrift seines Freundes und enthielt folgende Zeilen:

      "Mein lieber Pickwick!

      Sie,