EQUALIZER. Michael Sloan. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Michael Sloan
Издательство: Bookwire
Серия: Equalizer
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783958354616
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ihn Kontrolle. »Aber es ist das, was du wolltest.«

      »Ja, stimmt. Hast du den Schützen gesehen?«

      Elena fiel langsam in Schock. Man sah es an ihren Augen. Ihre Worte kamen hastig und gepresst.

      »Nur ein kurzer Blick. Durchs Zugfenster. Kräftig, nicht sehr groß. Kantiges Gesicht. Hatte ein Scharfschützengewehr in der Hand. Keine Mütze, keine Handschuhe. Ihm hätte eiskalt sein müssen, aber er zitterte nicht einmal. Das …« Sie stockte. »Das ist alles, was ich gesehen habe, bevor er das zweite Mal geschossen hat.« Sie drehte den Kopf, sodass sie Kostmayer ansah. »Erzähl es Robert.« Sie konnte nicht viel mehr als flüstern. »Niemand anderem.«

      »Da wird nichts zu erzählen sein. Wir bringen dich ins Krankenhaus.«

      »Sag es ihm, Mickey«, beharrte sie.

      Kostmayer nickte. »Werde ich. Wenn ich ihn finde.«

      »Du wirst ihn finden. Er ist dein Freund.«

      Sie schloss die Augen mit schmerzverzerrtem Gesicht.

      »Finde raus, wann der Krankenwagen da ist!«, schnauzte Kontrolle Kostmayer an.

      Kostmayer stand auf und sah ein letztes Mal Elena an. Dann rannte er um den ersten Waggon des Zugwracks und hielt dabei ein Walkie-Talkie an den Mund.

      Es war nun nichts anderes mehr um sie herum als Dunkelheit und Wind und der blutige Schnee als Unterlage. Kontrolle zog sanft Elenas schwarzes Kleid bis auf die Oberschenkel herunter. Er hob sie in seine Arme. Ihre Augen klarten einen Moment auf und er sah den Humor darin, den er immer so geliebt hatte.

      »Bringst du mich in Sicherheit, mein starker Mann?«

      »Es tut mir leid, Elena«, sagte er, die Stimme belegt von unterdrückten Gefühlen. »Ich bin kein Robert McCall. Ich konnte dich nicht beschützen.«

      »Alexei engagiert nur die Besten«, flüsterte sie. »Ich hab ihn nicht gesehen, nicht mal gehört, bis es zu spät war. Sagt es Robert.«

      »Er ist ausgestiegen. Er ist nicht mehr bei der Company.« Er redete weiter, um zu verhindern, dass ihr Geist gemeinsam mit ihrem Körper in den Schock abrutschte. Um sie wachzuhalten. Konzentriert. »Ich kann Robert McCall gar nichts sagen, nicht einmal, wenn ich ihn finden würde.«

      Sie streckte den Arm aus und packte seinen Jackenärmel. Ihre Augen leuchteten noch einmal mit einem letzten Funken Leben.

      »Sag Robert: Schnapp dir den Bastard. Für mich.«

      Sie sackte zusammen. Das Feuer in ihren Augen erlosch.

      Sie war tot.

      Kostmayer rannte um den Waggon. Kontrolle stand auf. Seine Körpersprache sagte Kostmayer alles, was er wissen musste. Kontrolle steckte den silbernen USB-Stick in die Manteltasche.

      »Weißt du, wo Robert McCall ist?«, fragte er.

      Eine kurze, kaum wahrnehmbare Pause, dann sagte Kostmayer: »Nein.«

      Hinter ihnen fuhr der Trans-Care-Krankenwagen auf den Katastrophenpark, die roten Lichter blitzten, die Sirene war aus.

      Zu spät.

      Robert McCall saß auf dem Stuhl mit der hohen Lehne in seiner Küche und starrte aus dem Fenster auf die Hausdächer auf der anderen Straßenseite. Es waren zwei Reihen Flachdächer, die aussahen, als führten Treppenstufen auf sein Küchenfenster zu. Das Mondlicht schimmerte darauf. Er nippte an einer Tasse mit starkem Irish Coffee. Er hatte die Packung M&Ms aufgemacht und in die leere Glasschüssel auf dem Kaffeetisch im Wohnzimmer geschüttet. Die Einkäufe hatte er auf den Küchentresen, die Milch in den Kühlschrank gestellt, in dem Eier, Butter, Wasser, Gemüse und eine Flasche 2005er Chardonnay Domaine Ramonet waren. Im Schrank über dem Herd standen zwei große Teller, zwei kleine Teller, eine Servierplatte, zwei Schüsseln. Auf dem Tresen ein Entsafter. Ein Toaster. Ein hölzerner Messerblock. Sonst nichts. Das Apartment war totenstill. Er starrte aus dem Küchenfenster auf die Dächer. Vor seinem geistigen Auge sah er, wie sie kamen, um ihn zu erledigen. Silhouetten, die sich deutlich vor der Mondsichel abhoben.

      Sie kamen, um ihn zu töten.

      Sie beide zu töten.

      Er hatte lange nicht mehr darüber nachgedacht und er sah oft aus diesem Fenster.

      Es lief ihm kalt den Rücken hinab.

      Er stand auf, öffnete die Mikrowelle und nahm einen fünfschüssigen Smith & Wesson 500er heraus. Der großkalibrige Double-Action-Revolver hatte einen 10,5 Zoll langen Lauf, einen grauen, rutschfesten Griff und feuerte ein 350-grain-Geschoss mit einer Mündungsgeschwindigkeit von 550 Metern pro Sekunde und hohem Rückstoß ab. Es war die mächtigste Handfeuerwaffe der Welt.

      McCall setzte sich wieder an den Küchentisch und blieb völlig regungslos.

      Er wartete, bis die Gestalten auf den Dächern ihn erreichten.

      Aber es war niemand dort draußen.

      Kapitel 6

      Es war eine warme Nacht für Sankt Petersburg, bestimmt über vier Grad plus. Sie gingen den Nevsky Prospect entlang bis zum grandiosen Dom-Knigi-Bücherhaus, dessen Fenster hell erleuchtet waren.

      »Das war mal der Stammsitz der Singer-Nähmaschinenfirma«, merkte Kontrolle an.

      »Wieso ist da so wenig Verkehr?«, fragte McCall.

      Der breite Boulevard war fast leer. Da stimmte etwas nicht. Das störte ihn.

      »Es ist spät«, sagte Kontrolle. »Du findest deine Anweisungen im Hotel. Ihr Name ist Serena Johanssen. Sie hat eine Terroristenzelle infiltriert, die hier in Sankt Petersburg operiert. Aber sie wurde kompromittiert.«

      »Wie?«

      »Das brauchst du nicht zu wissen. Sie werden sie vom Kresty-Gefängnis vor der Stadt an einen anderen Ort verlegen, wo sie verhört wird. Wir haben keine Ahnung, wo. Wir wissen nicht, wann es passiert, aber es wird irgendwann in den nächsten sechs Monaten sein. Ihr Verhör wird brutal. Wir müssen sie da rauskriegen. Sie könnte sehr tief im Inneren des Gebäudes verborgen sein.«

      »Ich habe das Wort Frettchen im Wörterbuch nachgeschlagen«, sagte McCall. »Es ist ein Tier, das im Dunkeln lebt. Wirf mich in ein Loch, um jemanden zu finden, etwas zu stehlen, etwas zu zerstören, und hoffe dann, dass ich meinen Weg aus dem Dreck zurück ans Licht finde.«

      »Du bist der Beste, den wir haben.«

      »Der Himmel ist nicht dunkel«, sagte McCall.

      »Natürlich ist er das.«

      »Nein, es ist ein ganz dunkles Blau, fast schwarz, aber nicht ganz.«

      »Es dämmert gleich.«

      »Aber als wir losgingen, waren die Lichter in den Läden und Gebäuden an.«

      McCall sah den einladenden Boulevard entlang. Jetzt herrschte gar kein Verkehr mehr. Er schaute nach oben. Da war eine Gestalt, die auf der Dachterrasse eines Gebäudes etwa 100 Meter entfernt stand. Sie hob sich als Silhouette ab – aber vor was? Der Mond schien nicht. McCall drehte sich wieder zu Kontrolle. Er sah in die andere Richtung das Dom-Knigi-Gebäude hoch. Ein dünnes Rinnsal Blut lief seinen Nacken hinab. McCall griff nach der Sig Sauer P227 an seiner linken Hüfte.

      Das Holster war leer.

      »Kontrolle!«

      »Was ist?«, fragte Kontrolle. »Was ist los?«

      Er drehte sich zu McCall. Sein Gesicht war blutüberströmt. Es lief aus den Augen, der Nase, dem Mund. Er hatte ein verzerrtes Lächeln auf den Lippen. Dann kippte er nach vorne. McCall fing ihn auf und legte ihn sachte auf dem Gehsteig ab, sah dann nach oben.

      Er erhaschte einen Blick auf den Attentäter, der auf der Dachterrasse stand und ein Hochleistungsgewehr in der Hand hatte. Aber nun war ein roter Sonnenuntergang hinter ihm, der ihn