Mörderisches Sachsen. Eveline Schulze. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Eveline Schulze
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783360501752
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Hat Ihr Sohn Ihnen über Besonderheiten in der Zeit nach 1960 berichtet?

      Antwort: Ja. 1965 oder 1966 war mein geschiedener Mann wieder krank. Mein Sohn mied ihn damals.

      Frage: Haben Sie noch irgendwelche anderen Besonderheiten im Verhalten von Morche in Erinnerung?

      Antwort: Ja. Vor einigen Jahren kam meine Mutter von der Spätschicht nach Hause, da stand Morche vor unserem Haus. Am Morgen stand er noch immer dort. Ich sprach mit ihm. Er wollte den Jungen haben, um mit ihm spazieren zu gehen. Ich sagte ihm, dass Dietmar zur Schule müsse und dafür keine Zeit habe. Später bekam ich Postkarten von Morche aus Berlin, Leipzig und Dresden. Er reiste viel. Dann hörte ich aus seinem Betrieb, dass er oft nicht zur Arbeit käme.

      Frage: Gab es bei Ihrem geschiedenen Ehemann Besonderheiten sexueller Art?

      Antwort: Mir sind keine solchen Besonderheiten aufgefallen. Es war zwischen uns in sexueller Hinsicht ganz normal. Wenn er betrunken war, war er ganz besonders sexuell erregt und führte Geschlechtsverkehr mit mir aus.

      Frage: Wie ist die Frage des Unterhalts des Sohnes geregelt?

      Antwort: Ich erhalte direkt von seinem Betrieb, dem VEB Robur, den Unterhalt, und zwar 65 MDN.

      Frage: Gibt es Besonderheiten in der Entwicklung Ihres Sohnes?

      Antwort: Mein Sohn entwickelt sich normal. Er hat in der Schule durchschnittliche bis gute Leistungen und besucht jetzt die 8. Klasse.

      Frage: Trauen Sie Ihrem geschiedenen Mann ein Verbrechen größerer Art zu?

      Antwort: Ich kann nur noch einmal betonen, dass Morche im Jahre 1950 von mir als ganz normaler junger Mensch eingeschätzt wurde. Ich verspürte damals und auch später niemals eine besondere Unruhe in seinem Wesen. Auch hat er niemals Äußerungen in dieser Hinsicht gemacht. Ich traue ihm diesen Mord an der Weberkirche nicht zu. Nach meiner Überzeugung ist diese Behauptung Ausdruck seines nervlichen Zustandes.

      Ich habe das Protokoll selbst gelesen. Der Inhalt entspricht in allen Teilen meinen Angaben. Meine Worte sind darin richtig wiedergegeben.«

      Noch am gleichen Tag entspricht Staatsanwalt Pollack dem an die Strafkammer des Kreisgerichts Zittau gerichteten Antrag, Karl Morche in Haft zu nehmen. Offiziell heißt das »Unterbringungsbefehl gemäß §151 (2) StPO«.

      Als Gründe für den Haftbefehl nennt Pollack:

      »Morche steht nach dem eigenhändig unterschriebenen Geständnis im dringenden Tatverdacht des Mordes gem. §211 StGB an der Verkäuferin Hölzel, die am 27.07.1950 an der Weberkirche in Zittau überfallen, erschlagen und ausgeraubt wurde.

      Über das von Morche abgelegte schriftliche Geständnis hat er auch auf Befragen durch die Angehörigen der MUK und des Vertreters des Bezirksstaatsanwaltes die Aussage bekräftigt, obwohl das von ihm genannte Datum nicht mit dem Tattag übereinstimmt.

      Durch weitere Ermittlungen konnte festgestellt werden, dass Morche ab 1952 insgesamt neun Mal im Fachkrankenhaus Großschweidnitz zur Behandlung weilte, im Ergebnis der Beobachtungen sind Erscheinungen schizophrener Depressionen gegeben. Diese Umstände lassen den Schluss zu, dass Morche sich zurzeit in einem solchen Zustand befindet. Nach Rücksprache mit dem ärztlichen Direktor des Fachkrankenhauses Großschweidnitz ist Morche in diesem Zustand der §51 (1) StGB zuzubilligen.

      Es ist notwendig, Morche zur weiteren Beobachtung und Begutachtung dem Fachkrankenhaus für Psychiatrie Großschweidnitz zuzuführen bzw. dort unterzubringen.«

      Um 14.30 Uhr an jenem Samstag, dem 1. Juli 1967, hatte Karl Morche seine Unterschrift unter das Vernehmungsprotokoll gesetzt. Nach der Lektüre des am Vorabend geschriebenen Befragungsprotokolls quittierte er zuvor auch dieses. »Ich habe mir das am 30. Juni 1967 gefertigte Befragungsprotokoll nochmals durchgelesen und halte die dort gemachten Angaben in vollem Umfange aufrecht. Die Angaben aus dem Befragungsprotokoll mache ich auch zum Gegenstand meiner heutigen Vernehmung und habe dem nichts mehr hinzuzufügen.«

      Die Vernehmung erfolgte durch drei Offiziere der Kriminalpolizei, die das 23 Seiten umfassende Protokoll in dieser Reihenfolge unterzeichnen: Schulze, Leutnant der K; Kehler, Oberleutnant der K; Götte, Leutnant der K. Das Tonband läuft mit.

      »Frage: Haben Sie gut geschlafen? Sie sind zu uns gekommen, und wir haben Ihnen Gelegenheit gegeben, sich noch etwas auszuruhen. Sie haben doch sicherlich geschlafen?

      Antwort: Ich habe geschlafen. Ich konnte erst nicht gleich einschlafen.

      Frage: Fühlen Sie sich gesund?

      Antwort: So einigermaßen.

      Frage: Sind Sie in der Lage, uns noch einmal die gesamte Geschichte zusammenhängend zu schildern?

      Antwort: Was wollen Sie denn wissen?

      Frage: Zunächst möchte ich Sie zu Ihren Personalien befragen. Sie heißen?

      Antwort: Karl Morche.

      Frage: Wann sind Sie geboren?

      Antwort: Am 3. November 1931 in Friedland im Isar­gebirge, heute Tschechoslowakei, keine dreißig Kilometer von hier.

      Frage: Und wo arbeiten Sie?

      Antwort: Beim VEB Robur als Transportarbeiter.

      Frage: Und wo wohnen Sie?

      Antwort: Hier in Zittau, Innere Oybiner Straße 6.

      Frage: Sind Sie verheiratet?

      Antwort: Nein, ich bin geschieden seit 1960.

      Frage: Hatten Sie Kinder?

      Antwort: Ich habe einen Sohn.

      Frage: Und wie alt ist der?

      Antwort: Anfang September wird er 15.

      Frage: Wir möchten Sie bitten, dass Sie uns diese Geschichte, die Sie bereits zu Protokoll gegeben haben, noch einmal zusammenhängend schildern.

      Antwort: 1949 ist es gewesen, da bin ich, als ich nach Hause gehen wollte, wie ich von meiner Freundin komme, wie ich nach Hause gehen will, da, es war sehr trüb und regnerisch an diesem Abend. In der Nacht vom 4. zum 5. Juni 1949. Wie ich nach Hause gehen will, gehe ich die Äußere Weberstraße in Richtung nach Hause, und unterwegs fand ich das Stück Eisen, so ungefähr so in der Größe.

      Frage: Wie lang schätzen Sie es ungefähr?

      Antwort: So 60 Zentimeter ungefähr, 50 bis 60 Zentimeter ungefähr.

      Frage: Wie dick war das Eisen?

      Antwort: Es war ungefähr in der Stärke von zehn bis zwölf Millimeter.

      Frage: Wie sah denn das Eisen aus? War das ein breites?

      Antwort: Nein, es war ein rundes Eisen, so wie der Stahl so. Und das habe ich mir dann mitgenommen, und wie ich auch ein Stück weitergehe, so kurz vor dem Volkshaus, da kam dann eine Frau raus, die kam aus dem Volkshaus raus. Und der Frau bin ich dann hinterhergegangen, und ich konnte bloß erkennen, die Frau, die hatte hier diesen Bauchladen, und die Frau ist dann über die Straße der Roten Armee gegangen, und ich lief ihr hinterher, und bei der Weberkirche habe ich dann zugeschlagen. Hab ihr auf den Kopf geschlagen. Das war dann an der Weberkirche, kurz hinter der Türe, wo es raufgeht zur Orgel. Und sie trug auch so einen, wie die Verkäuferinnen auch jetzt tragen, so einen Haarschutz. Also Verkäuferinnen, die in der Lebensmittelbranche beschäftigt sind oder auch in Gaststätten arbeiten. Raupe oder wie man dazu sagt. Oder Häubchen oder Raupe oder wie man dazu sagt. Und dann, ich hab bei der Frau nicht nachgesehen wegen Geld, ich hab mich sofort dann vom Tatort entfernt. Bin noch ein Stück durch den Park gegangen, und dann bin ich in die Äußere Oybiner Straße gegangen, bis zur Mandaubrücke, und dann habe ich das Eisen weggeworfen. Und dann bin ich nach Hause gegangen, wo meine Eltern wohnten, Innere Oybiner Straße 28. Ich hatte damals schon ein eigenes Zimmer, und meine Eltern haben mich nicht heimkommen hören.

      Frage: War das alles?

      Antwort: Was wollen Sie denn noch wissen?

      Frage: Sie sagen also, Sie sind