Das Testament wurde in den Büros von Sparta verlesen. Man hatte Porter ebenfalls dazu gebeten, aber anscheinend konnte er sich nicht von seinen wichtigen Geschäften loseisen. Natürlich würde es keine großen Überraschungen geben. Seine Mom und Porter würden weiterhin die Firma leiten, Mom würde die Häuser bekommen und er selbst wahrscheinlich zusätzlich zu seinem Treuhandfonds einen ordentlichen Batzen Geld. Dann konnten sie alle ihr Leben weiterleben. Er konnte nicht verstehen, warum diese große, formelle… Sache notwendig war.
Auf der Fahrt in die Firmenzentrale von Sparta Athletics hatten seine Mom und er geschwiegen. Es war so lange her, seit Quinn hier gewesen war, dass es sich unwirklich anfühlte.
Er erinnerte sich noch, wie er so manchen Tag hier verbracht hatte, als er ein Kind gewesen war, und mit seinem Großvater durch die Fabrikhallen gelaufen war. Dabei hatte er sich vorgestellt, wie er an der Seite seines Großvaters stehen würde, wenn er erwachsen war. Es war allerdings anders gekommen, und das war vielleicht das Beste für alle. Grandpa hatte Porter und Quinn hatte sein eigenes Leben, das war nun einmal so. Alles bestens.
Seine Mom streckte die Hand aus und legte sie auf seine. »Ich weiß, dass es schwer ist, mein Schatz. Es ist bald vorbei, okay?«
»Ja. Ich wünschte mir bloß, wir müssten das nicht über uns ergehen lassen.«
Sie gab einen mitfühlenden Laut von sich. »Was hast du danach vor?«
Er wusste nicht, ob sie den Nachmittag meinte oder im Allgemeinen. Doch Quinn hatte auf beides keine Antwort, deshalb spielte es wohl keine Rolle.
»Ich werde wohl zu den Jungs reisen.« Er zuckte mit den Schultern. Allein der Gedanke, ein Flugzeug zu dem nächstgelegenen Hafen am Mittelmeer zu besteigen, um an Bord einer Jacht zu gehen, erschien ihm plötzlich viel zu aufwendig zu sein. »Vielleicht auch nicht. Ich habe noch nicht darüber nachgedacht.«
»Vielleicht könntest du für eine Weile hierbleiben?«, meinte Marisol. Sie drückte seine Hand. »Es ist schön, dich hier zu haben.«
»Mama?«, sagte Quinn.
»Ja?«
»Warum hast du mich weggeschickt, als ich ein Kind war?« Das hatte er sie nur ein einziges Mal weinend am Tag seiner Abreise gefragt. Die Antwort seiner Mutter hatte gelautet: »Das tun Jungs eben, wenn es an der Zeit ist, zur Schule zu gehen.« Er wusste, dass das Unsinn war. Trotz all der Jahre, während deren sie sich kaum gesehen hatten, waren seine Mutter und er noch gute Freunde. Er fragte sich, wie sein Leben wohl verlaufen wäre, wenn er zu Hause aufgewachsen wäre.
Sie seufzte. »Ich dachte, ich tue das Richtige, Baby. Du darfst nicht vergessen, wie jung ich war, als du ins Internat gegangen bist. So alt wie du jetzt. Ich wollte dir einfach die Möglichkeiten bieten, die das Vermögen meiner Familie mir nicht geben konnte.«
Wegen dem, was ich getan habe…
Das wurde angedeutet, aber niemals laut ausgesprochen. Denn die reiche, behütete Marisol Valenzuela hatte eine einzige wilde Nacht erlebt, als sie fünfzehn war, und das Ergebnis davon war Quinn. Und sie hatte die letzten sechsundzwanzig Jahre mit dem Versuch verbracht, es wiedergutzumachen. Quinn hatte ihr die Schuld gegeben, dass er fortgeschickt worden war, als er noch jung war, aber er hatte keine Ahnung, was er an ihrer Stelle getan hätte. Sie hatte Anerkennung für ihn gewollt. Ihn in die richtigen Kreise einführen wollen. Er bezweifelte, dass sie dabei Ibiza und Mykonos im Sinn gehabt hatte. Aber die Dinge entwickelten sich nicht immer, wie man es sich vorstellte.
»Vielleicht bleibe ich eine Weile«, sagte Quinn. Er drückte ihre Hand und sie erwiderte die Geste.
Er kannte seine Mutter größtenteils von E-Mails und Telefonaten. Vielleicht war es an der Zeit, das zu ändern. Er hatte in nächster Zeit sowieso nichts anderes zu tun.
Es war Jahre her, seit Quinn im Büro seines Großvaters im Sparta Athletics-Komplex gewesen war. Nichts hatte sich verändert. An den Wänden war immer noch die gleiche Holzvertäfelung, die mit gerahmten Bildern der Sportschuhe und Sportkleidung von Sparta dekoriert war. Quinn holte tief Luft. Es roch auch immer noch genauso. Er dachte, dass er den Geruch vergessen hätte, aber anscheinend war es nicht so.
Porter saß bereits wartend auf einem der Stühle. Er stand auf und umarmte Marisol lange, dann schüttelte er Quinn steif die Hand. Quinn hatte schon verstanden. Porter mochte ihn nicht. Das hatte er ihm jedes einzelne Mal vermittelt, wenn sie sich in der Vergangenheit über den Weg gelaufen waren.
Er wusste nicht, was er getan hatte, um den Blödmann zu verärgern – war er zu schwul? Zu hübsch? Quinn wusste, dass Porter ein ehemaliges Tennis-Ass war, das nach einer Knieverletzung bei Quinns Großvater untergekommen war. Er hatte einen Abschluss in Wirtschaft und eine Art, mit Quinns Grandpa umzugehen, für die jedermann ihn liebte. Er hatte die Erfolgsleiter schnell erklommen und war mittlerweile schon seit einer Weile für das Tagesgeschäft verantwortlich. Er war eingebildet, nicht sonderlich umgänglich und Quinn konnte ihn nicht leiden. Zu dumm, dass er einfach hinreißend war. Zumindest sein Äußeres.
Nachdem sich Porter und Marisol eine Weile unterhalten hatten, während Quinn peinlich berührt aus dem Fenster gesehen hatte, betrat der Anwalt das Büro. Nur sie drei und Hectors Anwalt saßen am Konferenztisch, deshalb dauerte es nicht lange, bis die Formalitäten begannen. Leider waren sie nicht genauso schnell abgehakt.
Beinahe eine Stunde später dachte Quinn, man könnte sie genauso gut in diesem Büro begraben, so lange dauerte das Meeting nun schon. Zum größten Teil ging es um die Leitung von Sparta, inklusive der Provisionen für Porter, der seine Position als Chief Operations Officer weiterhin bekleiden sollte, inklusive einer saftigen Gehaltserhöhung. Während dieser Ausführungen schweiften Quinns Gedanken ab, denn sein Großvater hatte es geliebt, anderen detailliert zu sagen, was sie tun sollten. Die Angelegenheiten um Sparta betrafen aber nur seine Mom und Porter. Erst als der Anwalt seinen Namen nannte, wurde Quinn aufmerksam.
»Quinn Valenzuela, meinem Enkelsohn, hinterlasse ich meine Mehrheitsanteile an Sparta Athletics unter der Bedingung, dass er in das Tagesgeschäft eingebunden wird. Für den Fall, dass er daran nicht interessiert ist, gehen die Anteile an Marisol Valenzuela, meine Tochter.«
Moment… was?
Schlagartig war Quinn wach. Mehrheitsanteile an Sparta. Sparta. Vielleicht würde er es begreifen, wenn er das Wort wiederholte.
»Wieso?«, unterbrach er den Anwalt, der gerade damit beschäftigt war, das Familienanwesen seiner Mutter zuzusprechen.
»Entschuldigung?«, fragte der Anwalt.
»Warum hat er mir die Firma hinterlassen?«
Marisol und Porter starrten ihn an. Es musste kindisch wirken, dass er damit so herausgeplatzt war, aber wieso? Wieso? Er war sprachlos.
Der Anwalt räusperte sich und fuhr fort: »Das Häuschen auf Whidbey Island geht zu gleichen Teilen an Porter Davis und Perry Davis. Marisol Valenzuela erhält die Eigentumswohnung auf Waikiki, die Villa in Valencia und den Hauptsitz der Familie.«
Danach ging das Treffen schnell zu Ende – Quinn wusste, dass gesprochen wurde und Hände geschüttelt wurden, aber er war in Gedanken woanders. Sein Großvater hatte wirklich erwartet, dass er Sparta leiten würde. Quinn hatte noch nie einen Job gehabt und schon gar nicht eine riesige Firma geleitet. Er war nicht auf dem College gewesen. Er hatte noch nicht einmal eine Steuererklärung gemacht. Sein Großvater hatte offensichtlich den Verstand verloren. Eine andere Erklärung gab es nicht. Er würde seiner Mutter die Anteile geben. Sein Treuhandfonds war üppig genug, dass er praktisch für den Rest seines Lebens sehr gut davon leben konnte. Es war… Es war verrückt.
Quinn bemerkte, dass Porter aufstand und ging. Die ganze Zeit über hatte er Quinn kaum angesehen, wie bei den wenigen Gelegenheiten, zu denen sie sich zuvor begegnet waren. Er sah, wie ein Muskel in dem hübschen, scharf geschnittenen Gesicht des Arschlochs zuckte, und es freute Quinn ein wenig, dass er offensichtlich