»Mom. Was ist los? Du klingst fürchterlich.«
»Es geht um deinen Großvater, Liebling. Er ist gestorben.«
Quinns Herz setzte einen Schlag aus, dann begann es, schmerzhaft zu hämmern. Seine Kehle wurde eng und er glitt von der Bettkante, auf der er gesessen hatte, geräuschvoll zu Boden. »Wann?«, flüsterte er.
»Heute am frühen Morgen. Ich habe dich angerufen, sobald –« Erneut schluchzte seine Mutter auf.
»Es tut mir so leid. Du weißt doch, dass ich nur selten auf mein Handy sehe. Ma, ich komme nach Hause. Ich nehme den ersten Flug, okay?«
Quinn hatte diese Abneigung gegen sein Zuhause, deshalb war er dort nur selten anzutreffen. Er wusste nicht, warum das so war. Er liebte seine Mom und seinen Grandpa, aber sein Zuhause war… nicht das Richtige für ihn. Dennoch wollte er so schnell wie möglich dorthin, um für seine Mom da zu sein.
»Wir haben den Jet von Sparta losgeschickt, sobald er bereit war. Er sollte in ein paar Stunden da sein.« Sie atmete zittrig aus und schluckte. Quinn wünschte, er könnte sie berühren. Sie befanden sich nicht oft am selben Ort, aber er spürte die Entfernung zwischen ihnen selten so sehr wie in diesem Moment. Aber er war auch erleichtert, dass er sich nicht mit Linienflügen und anderen Passagieren würde herumschlagen müssen. Er wollte sich einfach nur auf den Weg machen.
»Ich werde bereit sein. Sie sollen mich anrufen, wenn das Flugzeug da ist.« An Schlaf war nun nicht mehr zu denken.
»Okay, mein Schatz. Ich liebe dich. Wir sehen uns bald.«
»Ich liebe dich auch, Ma. Bis bald.«
Quinn beendete den Anruf und vergrub das Gesicht in den Händen. Er wusste nicht, wie er diese Neuigkeit verarbeiten sollte, denn er spürte bisher noch nicht einmal die Leere, die sein Großvater hinterlassen hatte. Er wusste, dass sich das ändern würde, sobald er wieder in Seattle war, aber im Moment fühlte sich Quinn wie betäubt. Erschöpft und betäubt. Seine Tür öffnete sich einen Spalt.
»Babe, ist alles in Ordnung?« Es war Dane.
Als er die vertraute Stimme hörte, brach Quinn zusammen. Er krümmte sich zusammen, vergrub das Gesicht zwischen den Knien und begann zu weinen. Er wusste nicht, ob sein Großvater der Grund dafür war, oder sein Leben, oder die schiere Erschöpfung nach dem Rausch, aber er konnte nicht aufhören zu weinen. Dane ließ sich neben ihm nieder und nahm Quinn in die Arme.
»Nein«, murmelte dieser und schniefte.
»Was ist los?«, wollte Dane wissen, dabei strich er Quinn sanft das Haar aus dem Gesicht.
Quinn fühlte sich, als bräche ihm das Herz. Er wusste nicht einmal, wie er es erklären sollte. »Mein Grandpa ist gestorben. Ich muss für eine Weile nach Hause«, war alles, was er herausbrachte.
»Oh, Babe. Es tut mir so leid«, murmelte Dane. »Möchtest du, dass ich dich begleite?«
Quinn schüttelte den Kopf. »Es wird fürchterlich.«
»Na, dann lieber nicht. Ich hatte erwartet, die Clubs in Seattle zu testen.« Da schaute Quinn auf. Dane verdrehte die Augen und Quinn musste lachen. »Natürlich wäre ich für dich und deine Mom da, Babe. Ich werde tun, was immer nötig ist, um euch zu helfen.«
Quinn schüttelte den Kopf. »Das wäre toll, aber wenn du mitkommst, kommt Hunter auch mit, und das wäre keine gute Idee.«
»Ich weiß. Ich will bloß nicht, dass du allein bist.«
»Ich habe doch meine Mom.« Quinn verzog das Gesicht. »Und Porter.«
»Oooh, Groß, Dunkelhaarig und Nervtötend ist immer noch da?«
»Als ich zuletzt zu Hause war, hat er Sparta praktisch geleitet. Das wird er jetzt wohl wirklich tun.« Quinn zuckte mit den Schultern. Das war ihm nicht wichtig. Das war es noch nie. »Ich muss mich fertig machen. Mom hat den Firmenjet geschickt, um mich abzuholen.«
»Okay. Soll ich dich zum Flughafen fahren?«, fragte Dane.
»Nein. Ich lasse mir einen Wagen kommen. Geh schlafen, D.«
»Ich bin immer noch fit. Ich wünschte, es wäre nicht so.«
So müde er auch war, Quinn war ebenfalls immer noch irritierend aufgekratzt. »Ja, ich auch. Vielleicht schlafe ich im Flugzeug. Es wird unschön genug, wenn ich ankomme.«
»Ich werde dich vermissen, Quinny. Du rufst mich sofort an, wenn du etwas brauchst, und ich schwinge meinen Hintern ins erste Flugzeug, okay?«
»Ich weiß. Ich hab dich lieb, D.«
»Ich dich auch. Jetzt lass uns packen, dann gehe ich ins Bett.«
Kapitel 2
Quinn stieg aus dem Flugzeug und wurde von einem grauen, regnerischen Nachmittag empfangen. Natürlich. Er hatte im Laufe der Jahre nicht viel Zeit zu Hause verbracht, aber was ihm klar und deutlich in Erinnerung geblieben war, war die Nässe in Seattle. Es war eine frühlingshafte Nässe, was bedeutete, dass es zumindest warm war… mehr oder weniger. Aber kein Vergleich mit der brennenden, goldenen Sonne Spaniens. Quinn zog sein Jackett über und ging auf das Auto zu, das ihn ein paar Meter entfernt erwartete. Er fühlte sich benommen, weil er kaum geschlafen hatte, und ihm tat alles weh. Hoffentlich konnte er sich ausruhen, bevor es ernst wurde. Es zumindest versuchen.
»Willkommen zu Hause, Mr. Valenzuela«, sagte der Fahrer, als er sich ihm näherte. Quinn glaubte nicht, dass er den Mann schon einmal getroffen hatte, aber sicher war er sich nicht. Quinn nickte und versuchte, das Nicken gerade vertraut genug aussehen zu lassen für den Fall, dass er den Namen des Mannes eigentlich kennen sollte.
Er glitt auf den kühlen Ledersitz und erschauerte erneut. Es fühlte sich seltsam an, wieder zurück zu sein. Irgendwie falsch. Er hatte nicht gehen wollen, als er ein Kind gewesen war – Quinn erinnerte sich noch genau an die Tränen und den Widerstand, als seine Mutter ihm eröffnet hatte, dass er auf eine andere Schule gehen würde –, aber nachdem er eine Weile weg gewesen war, hatte es sich anders angefühlt, wenn er nach Hause gekommen war. Besonders, nachdem Porter auf der Bildfläche aufgetaucht war und praktisch Quinns Platz in der Familie übernommen hatte. Er passte mit seiner rauen Stimme, seinem Geschäftssinn und seinen breiten Schultern auch viel besser zu seinem Grandpa.
»Auf der Brücke könnte der Verkehr Richtung Osten stocken, Sir, aber Sie sollten in etwa dreißig Minuten zu Hause sein«, sagte der Fahrer.
»Vielen Dank.« Quinn nickte. Er lehnte den Kopf an die Kopfstütze und schloss die Augen. Er hatte im Flugzeug ein wenig geschlafen, aber es war dieser unruhige Halbschlaf gewesen, in den er immer fiel, wenn der Rausch nachließ, außerdem war da noch der Schock. Der Schock hatte auf jeden Fall etwas damit zu tun.
Quinn war erschöpft.
Sie fuhren vom Flughafen aus auf der I-5 nach Norden, wo der Verkehr so stark wurde, dass sie schließlich im Stau standen, als sie sich der Innenstadt nährten. Er atmete erleichtert auf, als sie auf den Highway Richtung Osten auffuhren, der sie über das Wasser nach Hause führte.
Nach Hause.
Quinn sprach das Wort in Gedanken aus. Er hatte nie wirklich das Gefühl gehabt, ein Zuhause zu haben – zumindest nicht in den letzten Jahren. Zuhause war jene luxuriöse Herberge, in der Dane, Hunter und er gerade ihr Gepäck untergebracht hatten. Kein Ort, zu dem er die Verbindung aufrechterhalten musste, wenn er die Szene satthatte.
Die Erleichterung, dass sie endlich weiterfahren konnten, verwandelte sich in Nervosität, als sie das Wasser überquert und Mercer Island erreicht hatten. So nahe war er dem Haus seit beinahe einem Jahr nicht mehr gekommen und das letzte Mal war er nur für eine Nacht dort gewesen. Quinn war versucht, das Fenster zu öffnen, den Geruch von Nässe, Grünem und Erde aufzunehmen, um herauszufinden, ob dieser ihn beruhigte. Aber sein Körper war an die spanische Sonne gewöhnt. Er würde erfrieren.