Der Bergpfarrer Paket 2 – Heimatroman. Toni Waidacher. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Toni Waidacher
Издательство: Bookwire
Серия: Der Bergpfarrer
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783740952006
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über die Zwillingsgipfel auf der anderen Seite.

      »Das hab’ ich drüben vermißt«, fuhr der Bauernsohn fort.

      Sie standen auf einem schmalen Plateau, hinter ihnen erstreckte sich die Wand in die Höhe, die sie nach einer kurzen Rast nehmen wollten. Markus hatte die Arme ausgebreitet, als wolle er die Sonne an sein Herz drücken.

      Sebastian beobachtete ihn mit einem Schmunzeln. Er konnte die Begeisterung verstehen, die den Bauernsohn und Ingenieur erfüllte. Er selbst spürte sie ja jedesmal neu, wenn er wieder in den Bergen unterwegs war.

      »Schau’, da«, sagte er und deutete auf einen Hang, der rechts von ihnen abfiel.

      Markus hob das Fernglas an die Augen und suchte in der angegebenen Richtung. Zwei Gamsböcke standen sich auf dem steinigen Grund gegenüber, die Köpfe mit den beeindruckenden Hörnern gesenkt. Offenbar trugen sie einen Revierkampf aus, wenig später tönte das Klappern des Gehörns zu ihnen herauf, wenn die beiden Tiere zusammenstießen.

      Der Geistliche drehte sich der Wand zu. Einige Male hatte er sie schon genommen und kannte ihre Tücken. Jetzt konnte er seine Erfahrung weitergeben. Sebastian stieg voran, und Markus folgte, durch ein starkes Seil mit ihm verbunden. Ihre Hüte hatten sie durch Helme ersetzt, und die Hände staken in Handschuhen, die einen sicheren Griff gewährleisteten und verhinderten, daß sie abrutschten. Immer wenn eine besonders gefährliche Stelle kam, rief Sebastian seinem Bergkameraden eine Warnung zu. So vergingen beinahe zwei Stunden, bis sie endlich ihr Ziel erreicht hatten.

      Jetzt standen sie auf einem weitaus größeren Plateau, doch zum Gipfel war es noch einmal eine gute Stunde. Vorerst jedoch wollten sie rasten und sich schmecken lassen, was Sophie Tappert ihnen alles Gutes eingepackt hatte.

      Der Kaffee dampfte in den Bechern, er wärmte und erfrischte zugleich. Die Brote waren dick mit Schinken und Käse belegt, und gemeinsam schmeckte nach dem Aufstieg alles so köstlich, daß es nicht wunderte, wenn nicht viel übrigblieb.

      Markus erzählte ausführlicher über seine Arbeit, als es am Abend seiner Rückkehr möglich gewesen war. Es war eine interessante und verantwortungsvolle Aufgabe, die er hatte, die ihn immer wieder vor neue Herausforderungen stellte.

      »Glaubst’s denn, daß du eines Tages dieses rastlose Leben aufgeben kannst?« wollte Sebastian wissen.

      »Na ja, noch bin ich jung. Net einmal dreißig Jahr’ alt. Wer weiß, was die Zukunft bringt? Manchmal könnt’ ich mir schon vorstellen, einen ruhigeren Job zu haben, mit festen Arbeitszeiten, wo ich dann nach Feierabend nach Haus’ geh’. Aber dann ist da wieder dieser innere Ruf, der mich wieder lockt, Neues zu entdecken.

      Wenn ich drüben in Brasilien fertig bin, dann wartet schon wieder ein neues Projekt auf mich. In Südostasien ist ein Staudamm geplant. Uns’re Firma hat den Zuschlag bekommen.?Das ist eine Herausforderung, auf die ich mich jetzt schon freu’. Allerdings – um Ihre Frage zu beantworten, ich hab’ sie mir schon selbst gestellt und weiß keine Antwort darauf.«

      »Wie steht’s denn mit deinem privaten Glück«, forschte der Geistliche nach. »Beruflich kannst’ ja eigentlich keine Wünsche mehr haben. Aber wenn du Feierabend hast, dann gehst eben net nach Haus’, so wie du dir’s manchmal vorstellst.«

      »Stimmt«, gab Markus zu. »Aber ich glaub’, beides kann man net haben. Auf irgendeine Art und Weise wird man immer Abstriche machen müssen.«

      »Bist dir da ganz sicher?«

      Sebastian sah den jungen Mann zweifelnd an.

      »Als wir deine Rückkehr gefeiert haben, da hast’ dich gefragt, wer wohl glücklicher wäre, du oder die Freunde von früher, die hier geblieben sind. Ich glaub’, daß sie net weniger glücklich sind, als du. Auch sie hätten die Möglichkeit gehabt, fortzugeh’n und in der Fremde ihr Glück zu machen.?Aber sie sind geblieben, einige haben geheiratet und vielleicht sogar schon Kinder. Sie haben sich ihr Leben hier eingerichtet. Du siehst, man kann beides haben, privates und berufliches Glück.

      Ich will dir beileibe net dein glückliches Leben in Abrede stellen. Aber ob sich das alles, was du dafür gibst, daß du dieses Leben führst, ob es wirklich lohnt, wag’ ich zu bezweifeln.«

      »Sie haben recht, Hochwürden, es war auch ein bissel Neid dabei, als ich die Freunde so zufrieden dasitzen sah. Aber ich hab’ mir vorgenommen, daß in ein paar Jahren Schluß ist mit dem ruhelosen Leben. Ich hab’ gute Aussichten, eines Tag’s in der Firma einen Posten zu bekommen, der mich zwar auch net an’s Büro fesselt, aber in dem ich net Dreiviertel der Jahres im Ausland bin.«

      »Dann kann ich dir nur wünschen , daß du diesen Streß bis dahin durchhältst.«

      Sie räumten den Rucksack wieder ein. Sebastian sah auf die Uhr.

      »Packen wir’s?«

      Markus Anstetter nickte.

      »Na, dann los«, gab der Bergpfarrer das Zeichen, und sie machten sich an die letzte Etappe.

      *

      Für Vroni Behringer waren die Tage, die Markus zu Hause war, voller Aufregung. Immer wieder meinte sie in seinem Mienenspiel eine versteckte Anspielung zu sehen. War es, daß er ihr scheinbar heimlich zublinzelte oder sein Blick nachdenklich auf ihr ruhte. Auch Berührungen, die vielleicht ohne Absicht geschahen, gewannen plötzlich für sie an Bedeutung. Kaum konnte sie es ertragen, wenn er nicht im Hause war, und wenn die Familie zusammensaß, suchte sie seine Nähe, in der Hoffnung, daß er ihr etwas sagen möge.

      Tobias schien von all dem nichts zu bemerken. Er war, wie sonst auch, und seit er ihr den Antrag gemacht hatte, sprach er nicht wieder darüber. Dabei hatte sie jedoch ihm gegenüber ein schlechtes Gewissen.?Sie wußte, daß er darauf wartete, daß sie sich entschied, seinen Antrag anzunehmen oder abzulehnen.

      Wie lange konnte sie diese Entscheidung noch hinauszögern? Über kurz oder lang würde er wissen wollen, woran er war, und doch fiel es ihr schwer, seinem Werben nachzugeben. Nächtelang lag sie wach und zerbrach sich den Kopf.

      Der älteste Sohn des Anstetterbauern beobachtete indes genau, wie sein Bruder sich dem Madel gegenüber gab. Auch er suchte nach Zeichen, die ihm sagten, daß Markus Vroni liebte. Dann würde er von seinem Antrag zurücktreten und sie freigeben.

      Darüber dachte Tobias nach, während er auf dem Traktor saß und seine Runden zog. Leicht würde ihm dieser Verzicht nicht fallen. Aber es schien sein Los zu sein, immer und ewig hinter Markus zurückstecken zu müssen. Bei der Wahl des Berufes war es nicht anders, als heut’ morgen erst. Wie gern wäre er, Tobias, die Tour mit Pfarrer Trenker gegangen. Früher hatten sie den Geistlichen immer zusammen begleitet. Heute kam er überhaupt nicht mehr dazu, die Arbeit ließ ihm einfach keine Zeit. Natürlich verstand er, daß Markus, der das Klettern ebenso liebte, hinauf in die Berge wollte. Aber, daß er die beiden nicht begleiten konnte, empfand Tobias als ungerecht.

      Seine ganze Hoffnung setzte der junge Bauer auf den morgigen Tag. Tanzabend im Löwen. Nur zu gut hatte er den letzten Abend in Erinnerung, an dem Markus dabei gewesen war. Noch immer sah er ihn und Vroni tanzen, und die Blicke, die er ihr zuwarf, konnte man nur verliebt nennen. Doch morgen wollte er eine Entscheidung von ihr verlangen. Es würde sich zeigen, ob der Bruder irgendwelche Gefühle für das Madl hegte, oder ob es damals nur eine Laune war, hervorgerufen durch die Umstände, fröhlicher Bierseligkeit.

      Und dann, wenn Vroni ihm ihr Jawort gab, was Tobias von Herzen hoffte, dann konnte er endlich dem Vater die lang ersehnte Schwiegertochter präsentieren.

      Es erstaunte Tobias ohnehin, daß der Vater das leidige Thema offenbar ruhen ließ. Seit Markus zu Hause war, hatte sich der Bauer nicht wieder dazu geäußert. Nun, dem Sohn sollte es nur recht sein.

      Nach dem Abendessen war es dann allerdings der Bruder, der darauf zu sprechen kam. Sie waren zusammen in den Stall gegangen. Eine Kuh war trächtig, es konnte nicht mehr lange dauern, bis das Kälbchen auf die Welt kommen sollte, und das Tier mußte von den anderen getrennt werden.

      Es war eigentlich das erste Mal, daß die beiden Brüder sich ungestört und allein unterhalten konnten,