Der Bergpfarrer Paket 2 – Heimatroman. Toni Waidacher. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Toni Waidacher
Издательство: Bookwire
Серия: Der Bergpfarrer
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783740952006
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sich zu diesem Zeitpunkt zu binden. Überhaupt sah es seine Lebensplanung noch lange nicht vor. Wenn er einmal den Sprung in die Chefetage geschafft hatte, möglicherweise Teilhaber geworden war, ja, dann war es etwas anderes. Aber bis dahin…?

      Sei’s drum! Diesen bittenden Augen, dem lockenden Mund – welcher Mann konnte da widerstehen?

      Es schien, als habe Markus Anstetter in diesem Moment sein ganzes Denken ausgeschaltet. Er beugte sich zu Vroni hinunter, und als ihre Lippen sich trafen, jubilierte es in ihr auf.

      Endlich, endlich, endlich, dachte Vroni Behringer, als sie Markus’ zärtlichen Kuß spürte. In diesem Moment war sie der glücklichste Mensch auf der Welt, und nichts und niemand hätte sie jetzt von ihm trennen können.

      Auch nicht der Gedanken an Tobias.

      Der Bauernsohn sah die beiden Verliebten an der Sektbar stehen, und es war, als lege sich eine eiserne Klammer um sein Herz. Die Brust wurde ihm eng, und einen Moment war er unfähig, zu atmen.

      Schwerfällig richtete er sich auf, stemmte sich von der Tischplatte ab und wankte los. Zuerst hatte es den Anschein, als wollte er zur Sektbar gehen, doch dann drehte er sich um und torkelte dem Ausgang zu.

      Sebastian hatte ihn die ganze Zeit im Blick. Es hatte eine Tanzpause gegeben, und so konnte der Bergpfarrer auch sehen, was sich an der Sektbar abspielte. Als er jetzt Tobias zum Ausgang wanken sah, stand er auf und folgte ihm. In diesem Zustand konnte er ihn unmöglich alleine lassen!

      Der Bauernsohn hatte gerade die Straße betreten, als Sebastian ihn einholte.

      »Tobias, wart’ einen Moment«, rief er.

      Durch den Wechsel von der warmen, rauchigen Atmosphäre auf dem Saal in die frische Luft war er noch benommener geworden. Tobias Anstetter hatte Mühe, sich an der Hauswand festzuhalten. Er drehte den Kopf in Richtung des Rufers.

      »Tut… tut mir leid, Hochwürden«, lallte er, als er den Geistlichen erkannte. »Ich…, ich hab’ wohl ein bissel zu viel getrunken.«

      »Das kann vorkommen«, antwortete Sebastian und hakte ihn unter. »Komm, ich fahr’ dich nach Haus’.«

      Tobias wollte protestieren.

      »Ich komm’ schon allein’ zurecht.«

      »Nix da«, widersprach Sebastian rigoros. »In diesem Zustand laß ich dich net hinter’s Lenkrad!«

      Er führte den Betrunkenen zur Garage, in der sein Wagen stand. Inzwischen schien die frische Luft Tobias’ Kopf ein bißchen klarer gemacht zu haben. Jedenfalls gelang es ihm, aufrecht und alleine zu gehen.

      »Ich hab’ dasselbe geseh’n wie du«, begann Pfarrer Trenker das Gespräch, als sie aus dem Dorf hinausfuhren. »Wie’s scheint, sind die Vroni und dein Bruder ein Paar.«

      Tobias schluchzte auf.

      »Hast es wohl sehr gern’, das Madel, was?«

      »Ja, Hochwürden«, antwortete er mit erstaunlich klarer Stimme. »Ich hab’ sie wirklich lieb. Aber es scheint mein Schicksal zu sein, daß ich immer hinter’m Markus zurückstecken muß. Das war schon immer so, und daran wird sich wohl auch nix mehr ändern.«

      Er erzählte von seinen heimlichen Wünschen und Träumen, wie gerne er, anstelle seines Bruders, auf die Universität gegangen wäre, wie sehr er Markus um dessen Beruf und die Arbeitsstelle beneidete. Und wie unglücklich er damit war, Bauer zu sein.

      Vielleicht hätte es sein Leben erträglicher gemacht, wenn Vroni seinen Antrag angenommen hätte, wenn sie seine Frau geworden wäre und gemeinsam mit ihm auf dem Hof wirtschaftete. Aber dieser Traum blieb jetzt wohl unerfüllt.

      Sebastian verstand sehr gut, was in dem Bauernsohn vorging.

      »Aber, was soll denn daraus werden, Hochwürden? Glauben S’ wirklich, daß der Markus die Vroni zur Frau nimmt? Ich kann’s mir net vorstellen. Er spielt nur mit ihr, das weiß ich! In ein paar Tagen fährt er nach München zurück, steigt in das nächste Flugzeug, und spätestens dann ist die Vroni vergessen. Schnee von gestern.«

      Tobias ahnte nicht, daß Sebastian ähnliche Gedanken hatte, als er die Szene vor der Sekbar beobachtete. Da war ihm das Gespräch mit Markus wieder in den Sinn gekommen – ein paar Jahre würden noch vergehen, ehe der Bauingenieur seßhaft werden wollte.

      Nur, was wurde inzwischen aus Vroni?

      *

      »Grüß dich, Markus. Wir haben uns ja eine Ewigkeit net mehr geseh’n.«

      »Max! Mensch, das ist ja eine Freud’.«

      Die beiden Männer schüttelten sich die Hand. Der junge Polizist und Claudia Bachinger waren an die Sektbar gegangen, wo Vroni und Markus immer noch standen. Der Bruder des Bergpfarrers machte eine Handbewegung.

      »Darf ich dir die Claudia vorstellen«, sagte er. »Sie ist Journalistin und würd’ gern’ etwas über dich schreiben.«

      »Über mich?« fragte der Ingenieur erstaunt und reichte Max’ Begleiterin die Hand.

      »Ja, ich glaub’, daß es viele Menschen interessieren wird, wie Sie aus dem Wachnertal nach Brasilien gekommen sind«, erklärte sie.

      Markus machte Vroni mit der Journalistin bekannt.

      »Sind S’ da wirklich sicher?« wollte er wissen.

      »Doch«, nickte Claudia überzeugt. »Schließlich ist’s eine verantwortungsvolle Aufgabe, wie ich gehört hab’. So etwas interessiert die Leser immer. Nicht wenige von ihnen haben ja vielleicht dieselben Träume und Vorstellungen von ihrem Leben, die sie nur net verwirklichen konnten. Für and’re könnte so ein Artikel ein Anstoß sein, es ebenfalls zu versuchen.«

      Der junge Anstetter lächelte.

      »Na gut, wenn S’ meinen.«

      »Fein, dann können wir uns ja mal bei Gelegenheit zusammensetzen«, freute Claudia Bachinger sich. »Am besten ruf’ ich Sie an. Meine Termine sind doch ein bissel arg gedrängt in den nächsten Tagen.«

      Max schaute in die Runde.

      »Wie ist’s, trinken wir was zusammen?«

      Ohne eine Antwort abzuwarten, bestellte er vier Gläser Sekt. Sie prosteten sich zu. Vroni sah dabei Markus an. Sie war mächtig stolz auf ihn. Ein Artikel in einer überregionalen Zeitung!

      Die beiden Paare unterhielten sich noch ein Weilchen, dann wollte Claudia unbedingt tanzen. Markus nahm Vronis Arm und führte sie gleichfalls zur Tanzfläche. Allmählich tat der Sekt seine Wirkung, das Madel fühlte, wie sich ringsherum alles drehte.

      »Bitte eine Pause«, bat Vroni Behringer nach dem nächsten Tanz.

      Als sie an ihren Tisch zurückkamen, stellten sie fest, daß Tobias nicht mehr da war.

      »Nanu, ist er schon gegangen?« wunderte sich sein Bruder. »Warum denn?«

      Das junge Madel an seiner Seite sagte nichts. Vroni konnte sich denken, warum Tobias Anstetter das Tanzvergnügen verlassen hatte. Wahrscheinlich war er Zeuge gewesen, als sie und Markus sich küßten.

      Für einen Moment verspürte sie ein schlechtes Gewissen. Doch dann schüttelte sie das unbehagliche Gefühl ab.

      Mußte sie sich wirklich Vorwürfe machen?

      Innerlich verneinte Vroni. Sie hatte Tobias nie Grund zu der Annahme gegeben, daß sie mehr für ihn empfand, als nur freundschaftliche Gefühle. Ihr ganzes Leben hatte sie mit ihm verbracht, war mit ihm aufgewachsen, und hatte vieles mit ihm erlebt. Liebe war dabei nie im Spiel gewesen. Deshalb war sein Antrag ja auch so überraschend gekommen. Jetzt konnte sie ihn nicht mehr annehmen. Der Kuß an der Sektbar war ein eindeutiger Liebesbeweis, und damit war es entschieden – sie gehörte zu Markus.

      Ausgelassen unterhielt sie sich mit den anderen am Tisch. Sie wollte nicht an etwas anderes denken, als an ihr Glück. Markus saß neben ihr, hatte seinen Arm um sie gelegt, und Vroni fühlte