Der Bergpfarrer Paket 2 – Heimatroman. Toni Waidacher. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Toni Waidacher
Издательство: Bookwire
Серия: Der Bergpfarrer
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783740952006
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Bürgermeister wandte sich ärgerlich ab. Schon so manchen Strich hatte der Seelsorger ihm durch die Rechnung gemacht, und er fragte sich, ob ein Geistlicher nicht besser auf der Kanzel aufgehoben war, als im Gemeinderat, wo er mit seinem störrischen Wesen immer wieder die fortschrittlichen Pläne durchkreuzte, die aus St. Johann endlich einen attraktiven Urlaubsort machen sollten. Über die Besucher im Sommer konnte niemand klagen, da kamen oft soviel, daß die Betten knapp wurden. Doch im Winter sah es anders aus. Keine Skipisten, kein Sessellift – die Leute verbrachten ihren Winterurlaub da, wo sie all diese fanden, ließen ihr Geld dort, und St. Johann ging leer aus!

      *

      Pfarrer Trenker hatte mit einem Schmunzeln der verärgerten Reaktion des Bürgermeisters zugeschaut. Im Grunde mochte er ihn ja. Markus Bruckner war schon ein fähiger Politiker, der seine ganze Kraft für das Wohl des Ortes einsetzte.

      Nur manchmal, da meinte er es eben zu gut und verlor dabei den Blick für das Wesentliche. Sebastian sah es als seine Aufgabe an, dann hin und wieder regulierend einzugreifen.

      Allerdings war er an diesem Abend nicht hierher gekommen, um mit dem Bürgermeister über das Für und Wider einer Werbegemeinschaft zu diskutieren, sondern um als stiller Beobachter festzustellen, ob er mit seiner Vermutung richtig lag.

      Während die Honoratioren und älteren Gäste gleich vorne, am Eingang des Saales, saßen, standen die Tische für das junge Volk weiter hinten. Den Madeln und Burschen machte es weniger aus, so nahe bei der Musik zu sitzen. Im Gegenteil, vielen von ihnen war es eine besondere Gaudi, wenn sie sich durch den Lärm nur mit Schreien verständigen konnten. Es gehörte eben dazu, wie das Tanzen, Flirten und Schmusen.

      Natürlich wurde Markus Anstetter besondere Aufmerksamkeit zuteil. Nicht wenige bewunderten ihn für das aufregende Leben, das er in der Fremde führte, und sie wollten wissen, wie es ihm ergangen war, seit er das letzte Mal in St. Johann weilte.

      Ohne sich damit zu brüsten, erzählte er bereitwillig von seiner Arbeit und von dem, was er alles gesehen hatte, wenn er in der Freizeit Ausflüge unternahm.

      Während nicht wenige der Burschen neidvoll sein Leben und seine Karriere mit dem, was sie erreicht hatten, verglichen, schaute der Bauingenieur gedankenverloren in die Runde. Das Gespräch mit Pfarrer Trenker, das sie auf ihrer Bergtour geführt hatten, war ihm nicht aus dem Kopf gegangen.

      Seßhaft werden, heiraten, eine Familie gründen – war es das, was er wollte?

      Ein paar Jahre noch, dann konnte er daran denken. Sein oberster Chef hatte ihm mehrfach angedeutet, daß er seinen fähigsten Mann, wie er Markus nannte, gerne zu sich in die Firmenzentrale geholt hätte. Auch etwas von Teilhaberschaft ließ er durchblicken.

      »Aber noch brauch’ ich Sie vor Ort, Markus«, hatte er gesagt. »Mit Ihrem Wissen und Können sind S’ mir da unentbehrlich. Abgesehen davon hab’ ich selten jemanden gehabt, der so mit den Arbeitern umgeh’n kann, wie Sie. Egal ob in Saudi Arabien, auf dem Balkan oder in Neuseeland – Ihre Fähigkeit, auf die Leute einzugeh’n, ihre Wünsche und Bedürfnisse mit den Erforderlichkeiten für einen reibungslosen Ablauf der Arbeiten in Einklang zu bringen, ist einfach phänomenal. Suchen S’ sich ein, zwei fähige Männer und lernen S’ sie an. Wenn die dann in ein oder zwei Jahren nur halb so gut sind, wie Sie selbst, dann schaufel ich Ihnen hier in der Zentrale einen Platz frei.«

      Dieses Versprechen stand im Raum, und Markus wußte, daß er sich da auf seinen Chef verlassen konnte. Tatsächlich hatte er zwei junge Männer, noch ein paar Jahre jünger als er, die die gefragten Fähigkeiten mitbrachten. Einer von ihnen vertrat ihn zur Zeit auf der Baustelle in Brasilien, der andere betreute ein Projekt in Dubai – sozusagen seine Feuerprobe, als allein verantwortlicher Bauleiter.

      Wenn diese beiden sich beruflich so weiterentwickelten, wie Markus es erwartete, dann konnte er endlich daran denken, seinem Leben eine ruhigere Wendung zu geben.

      »So nachdenklich?«

      Vronis Stimme unterbrach seine Gedanken.

      »Ach, es geht einem schon einiges durch den Kopf«, antwortete er durch den Lärm.

      »Und dabei vergißt’ ganz das Tanzen.«

      Der leichte Vorwurf war nicht zu überhören. Markus lächelte und stand auf.

      »Na, dann komm.«

      Herrlich war es, in seinen Armen über das Parkett zu schweben, am liebsten wäre es ihr gewesen, wenn der Tanz nie enden würde.

      Genauso wie sein Bruder, war auch Markus ein sehr guter Tänzer. Formvollendet und sicher führte er das Madel, und Vroni überließ sich ihm ganz.

      Es war ganz klar, daß damit noch nicht Schluß war. Dem ersten Tanz folgten der zweite, der dritte, ein vierter.

      »Himmel, du bist ja unermüdlich«, japste der Bauingenieur in gespielter Erschöpfung. »Jetzt muß ich erst einmal was trinken.«

      Sie gingen an die Sektbar und erfrischten sich. Tobias, der sie die ganze Zeit, am Tisch sitzend, beobachtet hatte, spürte, wie der Stachel der Eifersucht tief in ihm wühlte. In diesem Moment fühlte er zum ersten Mal Ärger über den Bruder. Für ihn war es ganz klar, daß Markus nur mit Vroni spielte, der verliebte Blick, den er dem Madel zuwarf, konnte nicht ernst gemeint sein.

      In zwei Wochen reist er wieder ab, dachte der Bauernsohn. Und wer weiß, wann wir ihn wiedersehen? Will er da eine unglückliche Liebe zurücklassen?

      Zorn stieg in ihm auf, als er sah, wie die beiden an der Sektbar standen. Selig lehnte Vroni sich an den jüngeren Bruder und hatte nur Augen für ihn. Markus hatte seinen Arm um sie gelegt und hielt sie fest an sich gepreßt.

      Himmelherrgott, kann’s sein, daß ich dich verlier’, noch bevor’s überhaupt beginnt?

      Vor Tagen noch war Tobias sicher gewesen, auf Vroni verzichten zu wollen, wenn es feststand, daß Markus ihr Auserwählter sei, und zwischen den beiden alles geklärt wäre. Doch in diesem Moment fühlte er nur die Eifersucht und den Zorn auf den Jüngeren, der einfach daherkam und sich das Madel schnappte, dem Tobias’ ganze Liebe galt.

      Schuld an diesem Zustand war wohl auch der reichliche Biergenuß. Es waren kaum zwei Stunden vergangen, daß sie den Saal betreten hatten, aber in dieser recht kurzen Zeit hatte er vier Maß und mehrere Obstler getrunken. Ungewöhnlich viel, mehr als es sonst seine Art war.

      Jemand hieb ihm die Hand auf die Schulter.

      »He, Tobias, was ist mit dir los?« rief Florian Staadtler durch den Lärm. »Verträgst’ nix mehr?«

      Der Bauernsohn hob den Kopf und starrte den anderen aus glasigen Augen an. Dann wandte sich sein Blick der Sektbar zu, und sein Herz schien einen Aussetzer zu machen, als er sah, wie Vroni und Markus sich küßten…

      *

      »Du hast mir immer noch net verraten, an wen du nun dein Herz verloren hast?« sagte Markus und lächelte Vroni dabei an.

      Zwei Glas Sekt hatten sie getrunken, und der Bauingenieur ermahnte sich innerlich, zurückhaltender zu sein. Eine Maß und ein Obstler am Tisch, jetzt der Sekt! Er war es nicht mehr gewohnt, soviel Alkohol zu trinken. Auf der Baustelle war er strikt verboten – übermäßiger Genuß von Schnaps konnte, in diesem Klima, tödlich für einen Europäer sein. Ud nur selten trank er abends zum Essen ein Glas Wein.

      Vroni erwiderte sein Lächeln, aber bei ihr wirkte es eher verlegen. Sie lehnte sich an ihn, und er legte seinen Arm um sie.

      »Na, heraus mit der Sprache!«

      Markus stellte sein leeres Glas auf den Tresen zurück. Seit dem Nachmittag, an dem er Vroni zum ersten Mal darauf angesprochen hatte, ahnte er, daß er der Auserwählte war.

      War etwas dabei, wenn er sie jetzt küßte?

      Warum net? Es gab keinerlei verwandtschaftliche Beziehung zwischen ihnen, die einen Kuß verboten hätten, und hübsch sah sie allemal aus. Viel schöner, als jede andere Frau, mit der er in seinem Leben bisher zu tun gehabt hatte.

      Aber war es wirklich richtig, es