Der Bergpfarrer Paket 2 – Heimatroman. Toni Waidacher. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Toni Waidacher
Издательство: Bookwire
Серия: Der Bergpfarrer
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783740952006
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getäuscht zu haben – als Vroni über Markus Anstetter sprach, da leuchteten ihre Augen, und die Aufregung, die sie befallen hatte, ließ nur einen Schluß zu.

      Vroni liebte Markus!

      Ob er wirklich der Richtige für sie war? Natürlich, sie kannten sich von Kindesbeinen an. Aber wäre das ein Leben für das bodenständige Madel? Entweder müßte es, als Markus’ Frau ihn auf seinen Reisen durch die Weltgeschichte begleiten. Oder, wenn sie das nicht wollte, war sie gezwungen, zehn, elf Monate im Jahr hier auf ihn zu warten.

      Nicht gerade die ideale Basis für eine glückliche Ehe.

      Nur selten hatte seine Menschenkenntnis ihn getrogen, und auch in diesem Fall meinte Sebastian Trenker, sich nicht zu irren. Während er zur Kirche hinüberging, machte er sich so seine Gedanken.

      Hoffentlich kommt da net eine Katastrophe auf uns zu, ging es ihm durch den Kopf, als er die Sakristei betrat.

      *

      Vroni Behringer nahm ihre Arbeit, die sie während des Besuches unterbrochen hatte, wieder auf. Mit geschickten Fingern öffnete sie die Erbsenschoten, palte die grünen Kugeln aus und ließ sie in die Schüssel auf ihrem Schoß fallen. Dann folgten Karotten. Sie wurden geschält und in Scheiben geschnitten. Das alles ging ihr sehr schnell von der Hand. Zum Abendessen sollte es Fleischpflanzerl mit Mischgemüse und Kartoffelpüree geben.

      Während sie so dasaß und die Arbeit wie nebenbei verrichtete, wanderten ihre Gedanken ins ferne Südamerika. Mächtig stolz war sie auf Markus, daß er solch eine tolle Arbeit hatte, die ihn überall auf der Welt hinführte. In ihrem Zimmer hatte sie die Ansichtskarten an eine Wand geheftet, die er aus jedem Land, in dem er gerade arbeitete, schickte.

      Sie freute sich, daß er nun endlich wieder einmal nach Hause kam. Acht Monate waren seit seinem letzten Besuch vergangen, und jedesmal fiel ihr der Abschied schwerer.

      Zuerst hatte sie mit diesem Gefühl gar nichts anfangen können. Der Jüngere der beiden Anstetterbrüder war ihr immer ein lieber Bruder gewesen. Doch seit dem letzten Mal war alles anders.

      Damals hatte Markus nur eine Woche bleiben können. Auf der Baustelle, die er betreute, irgendwo im Nahen Osten, ging es nicht voran. Material wurde nicht rechtzeitig geliefert, oder gestohlen, und dann streikten die Arbeiter und forderten mehr Lohn. Markus wurde von seiner Firma, die ihren Sitz in München hatte, aus dem Urlaub gerufen und mußte unversehens abreisen, um die Wogen zu glätten, damit das Projekt nicht weiter gefährdet wurde.

      Aber zuvor waren es wunderschöne Tage, die sie zusammen verbrachten, und beim Tanz im Löwen, es war der Abend, bevor der Bauingenieur wieder fort mußte, da war es Vroni, als habe er sie besonders zärtlich angeschaut.

      Sie wußte längst, was sie für ihn empfand, und nichts auf der Welt wäre schöner gewesen, wenn er sie in diesem Augenblick in seine Arme genommen und geküßt hätte.

      Das Rattern des Traktors riß sie aus ihren Gedanken. Tobias kam aus dem Bergwald zurück. Auf dem Anhänger stapelten sich Äste und junge Bäume, die der letzte Sturm abgeknickt hatte. Der älteste Sohn des Anstetterbauern hielt vor dem Haus und sprang herunter.

      »Grüß dich! Himmel, ist das eine Hitze heut’«, sagte er.

      »Im Kühlschrank steht Milch. Ich hol sie dir.«

      »Dank’ schön, Vroni«, nickte er.

      Als sie mit dem Krug und einem Glas zurückkam, saß er auf der Bank, die Beine weit von sich gestreckt. Dankbar nahm er ihr das Glas aus der Hand und ließ sich einschenken.

      Vroni beobachtete ihn, während er trank. Gut schaute er aus, ihr »großer Bruder«. Zwar ganz anders als Markus, aber nicht weniger männlich. Seine Muskeln spannten unter dem Hemd, und das sonnengebräunte Gesicht unter den dunklen Haaren war ausdruckstark und schön geschnitten.

      Schon oft hatte Vroni sich gefragt, warum Tobias nicht schon längst verheiratet war. Als Hoferbe würde er eine Frau brauchen, aber es hatte nicht den Anschein, als ob er sich darum bemühte. Dabei mangelte es ihm wahrlich nicht an Verehrerinnen.

      »So«, sagte der Bauernsohn, nachdem er sich noch einmal bedient hatte, »jetzt lad’ ich das Zeug noch ab, und dann ist’s schon wieder Zeit zum Melken. Was gibt’s zum Abendessen?«

      Seine Augen leuchteten, als er es hörte. Fleischpflanzerl gehörten zu seinen Lieblingsspeisen. Vroni erzählte, daß Pfarrer Trenker zu Besuch dagewesen war, und sie ihn zur Begrüßungsfeier für Markus eingeladen habe.

      »Was meinst’ denn, wen wir noch benachrichtigen sollten?«

      Tobias überlegte. Wenn sein Bruder auch die meiste Zeit des Jahres irgendwo in der Welt umherschwirrte, so hatte er doch einen großen Kreis von Bekannten, die sich alle freuen würden, ihn wiederzusehen. Er nannte ein paar Namen. Vroni eilte ins Haus, um sie gleich zu notieren.

      Der junge Bauer blieb noch einen Moment sitzen. Er hatte einen nachdenklichen Blick und biß sich auf die Unterlippe. Der Feuereifer, mit dem Vroni sich an die Vorbereitung des Festes machte, beschäftigte ihn. Steckte mehr dahinter, als nur die Freude auf das Wiedersehen mit Markus?

      Markus!

      Wie gerne hätte er mit dem Bruder getauscht. Schon in der Schule war Tobias mehr an allem Technischen interessiert, als an Sport- und Geschichtsunterricht. Mathematik war ein Fach, in dem er glänzte, aber auch nur, weil die Beherrschung dieser Materie Voraussetzung für ein Studium an der Technischen Universität war. Er beneidete Markus darum, einen Beruf erwählen zu dürfen, der ihm für immer verschlossen bleiben würde. Schon früh hatte der Vater ihm klargemacht, daß er eines Tages den Hof weiterführen solle. Und da gab es keinen Spielraum für Verhandlungen. Von Herzen gerne hätte Tobias seinem Bruder den Hof überlassen. Doch der wollte selbst viel lieber zur Universität, als sein Leben lang auf dem Traktor sitzen, wie er sich ausdrückte.

      Es hatte harte und andauernde Auseinandersetzungen gegeben, doch am Ende hatte er sich gefügt. Vielleicht sollte es sein Schicksal sein, Bauer zu werden. Aber tief in sich spürte er immer noch die Sehnsucht, und wenn einmal eine Karte von Markus kam, dann schaute er sie gar nicht erst an. Zu groß war die Wunde, die der Anblick wunderschöner, ferner Länder und Städte in sein Herz riß.

      Aber wenn er auch seinem Bruder dessen Glück neidete, so herrschte doch ein herzliches Verhältnis zwischen ihnen, und die Freude war jedesmal groß, wenn Markus heimkam.

      Allerdings beschäftigte den jungen Bauern seit geraumer Zeit ein Problem. Immer häufiger saß sein Vater ihm im Nacken, er solle sich endlich nach einer Braut umsehen. Über vierzig Jahre plage er sich jetzt mit dem Hof herum und wolle sich endlich auf das Altenteil zurückziehen. Das ginge aber nur, wenn Tobias endlich verheiratet sei und eine Frau im Hause habe.

      Das wäre vielleicht noch kein Problem. Er sah gut aus, war ein begehrter Tanzpartner auf allen Festen, und schüchtern war er keinesfalls. Wenn er noch nicht in festen Händen war, dann lag es einzig daran, daß sein Herz nicht mehr frei war. Allerdings wag-

      te er nicht, sich dem Madel seiner Träume zu offenbaren. Denn es war keine andere, als Vro-

      ni Behringer, seine Ziehschwester.

      Doch die, so argwöhnte er, hatte ihr Herz an seinen Bruder verloren!

      *

      Auch beim Abendessen wurde über Markus’ bevorstehende Rückkehr geredet. Vroni Behringer und Erika Anstetter hatten bereits Vorbereitungen getroffen und überlegten, was noch alles zu bedenken sei.

      Wolfgang Anstetter hörte ihnen zu und machte hin und wieder einen Vorschlag. Verständlicherweise war der Bauer stolz auf seinen Jüngsten, der es doch weit gebracht hatte.

      Nur Tobias saß schweigend dabei und äußerte sich nicht. Er war mit seinen Gedanken ganz woanders.

      Wenn die Vorbereitungen seiner Hochzeit mit Vroni gegolten hätten. Ja, dann wäre er mit Feuer und Flamme dabeigewesen. Aber so, wie es aussah, war das ein Traum, der unerfüllt bleiben würde.

      »Vielleicht findet sich unter den Madeln ja auch