Der Bergpfarrer Paket 2 – Heimatroman. Toni Waidacher. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Toni Waidacher
Издательство: Bookwire
Серия: Der Bergpfarrer
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783740952006
Скачать книгу
das Tagesgericht, was Franz’ Arbeit erleichterte.

      Sebastian hatte gerade die letzte Bestellung fertig, als eine ältere Dame ihren Kopf zur Tür hereinsteckte.

      »Herr Ober, wo bleiben denn unsere Getränke?« rief sie, ein wenig ungehalten.

      Der Geistliche setzte ein charmantes Lächeln auf. »Sind schon fertig. Ich bring’ sie Ihnen sofort.« Gekonnt balancierte er das volle Tablett nach draußen.

      »Das wurde aber auch Zeit«, kommentierte die Dame.

      Ihre Augen blitzten ärgerlich, als Sebastian das Glas vor ihr abstellte.

      »Wir geben uns die größte Mühe«, sagte er. »Aber manchmal geht’s leider net schneller. Ich hoff’, daß es Ihnen trotz der kleinen Wartezeit schmecken wird.«

      Franz Thurecker, der am Nachbartisch die Suppe servierte, hatte dem Gespräch zugehört. Er schüttelte den Kopf. Es war doch einfach unglaublich – net einmal im Urlaub brachten die Leut’ ein bissl Zeit mit. Der Senner begrüßte Sebastian.

      »Hochwürden, das war Rettung in höchster Not«, sagte er und reichte ihm die Hand. »Vielen Dank, für Ihre Hilfe. Jetzt lassen S’ uns aber auch erstmal was trinken.«

      Er verschwand in der Hüt-

      te.

      Die ungeduldige Dame am Tisch lief dunkelrot an, als sie hörte, wer sie da bediente. Sie hatte gerade etwas getrunken und verschluckte sich. Ihr Begleiter mußte ihr kräftig auf den Rücken klopfen, damit sie wieder Luft bekam.

      Wie peinlich, dachte sie, ich konnte doch nicht wissen, daß der Mann Pfarrer ist… Da kommt man doch nicht darauf, schon gar nicht, wenn der so aussieht!

      Sie schaute Sebastian verlegen an.

      »Es… es tut mir sehr leid, Hochwürden«, sagte sie.

      Der Bergpfarrer lachte.

      »Schon gut«, erwiderte er verständnisvoll. »Wenn der Durst so groß ist, kann man schon mal die Geduld verlieren. Aber es hat sich wieder einmal bewiesen, daß man sich net vom äußeren Anschein blenden lassen darf. Was in einer Hülle steckt, sieht man erst, wenn man sie öffnet. Ich wünsch’ Ihnen und Ihrem Begleiter noch einen schönen Tag, und wenn S’ mal zufällig in St. Johann sind, dann schau’n S’ sich mal meine Kirche an. Ein Besuch lohnt immer.«

      »Das werden wir«, versprach der Mann, der neben der Frau saß und von der Geschichte ebenfalls peinlich berührt war.

      Franz Thurecker stand in der offenen Tür und hatte der Unterhaltung mit einem Kopfschütteln beigewohnt. Als Sebastian hinter ihm die Hütte betrat, standen schon zwei Gläser eiskalter Milch auf dem Tisch.

      »Ah, das tut gut«, freute sich der Geistliche und leerte sein Glas auf einen Zug.

      Sie warteten, bis die anderen Gäste gegangen waren, dann setzten sie sich gemütlich nach draußen und ließen sich den Eintopf aus Rindfleisch, Graupen und Gemüsen ebenfalls schmekken.

      *

      Auf dem Rückweg lag ein gu-tes Stück Bergkäse in Sebastians Rucksack. Max und Frau Tappert würden sich darüber freuen.

      Für den Weg zurück, nach St. Johann, hatte Sebastian eine andere Tour gewählt. Sie führte am Ende ein Stück durch den Bergwald und am Hof des Anstetterbauern vorbei. Wolfgang Anstetter und seine Frau Erika bewirtschafteten ihn in der dritten Generation, und Tobias, der älteste Sohn, würde diese Tradition einmal fortführen.

      Markus Anstetter, der Zweitgeborene, hatte einen anderen Weg eingeschlagen. Der studierte Bauingenieur arbeitete für ein international tätiges Unternehmen. Die meiste Zeit verbrachte er im Ausland und kam nur für ganz wenige Wochen im Jahr nach Hause.

      Dann lebte noch Vroni Behringer auf dem Hof. Ein Waisenkind mit einem tragischen Schicksal. Die Mutter starb bei der Geburt ihrer Tochter, der Vater, ein Waldarbeiter, verunglückte, als Vroni drei Jahre alt war, tödlich. Sebastian kümmerte sich um die kleine Waise und vermittelte ihr eine Pflegestelle auf dem Anstetterhof. So entging das Madel dem Schicksal vieler Waisen, in einem Heim aufwachsen zu müssen, und Erika Anstetter, die sich immer eine Tochter gewünscht hatte, sorgte aufopferungsvoll für die Kleine. Als wäre Vroni das eigene Kind, wuchs sie in einer liebevollen Umgebung auf, und ihre beiden »Brüder« überboten sich darin, der kleinen Schwester jeden Wunsch von den Augen abzulesen.

      Inzwischen war aus dem Madel eine hübsche, junge Frau geworden, die sich vor Verehrern kaum retten konnte. Beim sams-täglichen Ball im Löwen standen die Burschen Schlange für einen Tanz mit ihr.

      Vroni saß draußen, vor dem Haus, und putzte Gemüse, als Sebastian Trenker auf dem Hof eintraf. Ihre hellen Augen blitzten freudig auf, als sie den Besucher erkannte.

      »Grüß Gott, Hochwürden«, rief sie. »Schön, daß Sie uns wieder mal besuchen.«

      Der Geistliche entledigte sich seines Rucksacks und setzte sich zu ihr.

      »Hin und wieder schau’ ich gern’ mal bei meinen Schäfchen zu Haus’ vorbei. Wie geht’s euch denn?«

      »Gut«, nickte Vroni, und ihre blonden Locken wippten hin und her. »Der Bauer ist auf dem Feld, Tobias hat hinten im Wald zu tun, und Erika ist in die Stadt gefahren, ein paar Einkäufe machen.«

      Sie nannte ihre Zieheltern beim Vornamen. Irgendwann hatte sie erfahren müssen, daß es nicht die richtigen Eltern waren, bei denen sie aufwuchs, und so hatte man sich darauf geeinigt.

      »Und, gibt’s was Neues vom Markus? Wo steckt er denn zur Zeit?«

      Die Augen des Madels leuchteten bei dieser Frage, was dem Besucher nicht entging.

      »Im Moment ist er in Brasilien. Er baut dort ein großes Einkaufszentrum«, berichtete sie begeistert. »Es soll das größte in ganz Südamerika werden, mit unzähligen Geschäften, Restaurants und Vergnügungsstätten.«

      Hektische rote Flecken hatte sie während ihrer Erzählung bekommen, weil sie so stolz auf Markus war, daß er dieses gigantische Unternehmen leitete.

      Sebastian schmunzelte, aber er machte sich auch so seine Gedanken, von denen er jedoch nichts verriet.

      »Aber wissen S’, was noch schöner ist?« sagte Vroni. »Der Markus kommt nach Hause!«

      »Tatsächlich? Wann denn?«

      »In vierzehn Tagen. Gestern haben wir ein Telegramm bekommen, in dem er es ankündigt.«

      »Na, das ist ja schön«, freute der Geistliche sich mit ihr. »Hoffentlich net nur für ein paar Tage.«

      »Nein, nein, drei Wochen will er bleiben. Seinen ganzen Jahres-urlaub nimmt Markus, weil er dann den Rest des Jahres drüben bleiben muß.«

      »Dann wird’s ja noch ganz schön aufregend bei euch.«

      »Ja, Erika und ich planen ein großes Fest für ihn. Sie müssen natürlich auch kommen.«

      »Wenn ich’s einrichten kann, gern.«

      Sie unterhielten sich noch eine ganze Weile, bis es Zeit wurde, aufzubrechen. Es war bereits später Nachmittag, als Sebastian in St. Johann ankam.

      Bis er zur Messe in die Kirche hinüber mußte, saß der Geistliche in seinem Arbeitszimmer und dachte über das Gespräch mit Vroni Behringer nach. Er hatte wirklich einen Glücksgriff getan, als er das Kind seinerzeit in die Obhut der Bauernfamilie gab. Nie hatten Wolfgang Anstetter und seine Frau das Madel spüren lassen, daß Vroni nicht ihr eigenes Kind war.

      Jetzt, zur jungen Frau herangereift, würden sich die Zieheltern Gedanken machen müssen, wie es mit Vroni weitergehen sollte. Es war ihr eigener Wunsch gewesen, auf dem Hof zu bleiben und sich dort ihren Lebensunterhalt als Magd zu verdienen. Nachdem sie die Hauswirtschaftsschule besucht hatte, wollte sie nicht woanders hingehen, obgleich ihr Fleiß und die guten Zeugnisnoten ihr durchaus eine weniger schwere Stelle, vielleicht als Hauswirtschaftsleiterin, ermöglicht hätten.

      »Hier ist mein Zuhaus«,