Dr. Daniel Staffel 9 – Arztroman. Marie Francoise. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Marie Francoise
Издательство: Bookwire
Серия: Dr. Daniel Staffel
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783740951320
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Ivo sah das Messer in Kais Hand aufblitzen und schloß bereits mit seinem Leben ab, doch in diesem Moment fühlte er die Wucht eines Schlages, der ihn selbst zu Boden warf und Kai gegen die Wand donnerte.

      Ivo kroch beiseite, bemerkte eine Bewegung neben sich und spürte gleich darauf Nikolas zitternde Arme, die sich um ihn legten. Erst in diesem Moment begriff Ivo, daß er und Nikola mit Kai nicht länger allein waren. Die Bewegung, die er vorhin an dem eingeschlagenen Fenster wahrgenommen hatte, stammte von einem Mann, der offenbar ein Meister asiatischer Kampfkunst war. Kai hatte gegen ihn trotz seines Messers nicht die geringste Chance.

      Mit einem gekonnten Hebelgriff zog der Karatekämpfer Kais rechte Hand nach unten, so daß er sein eigenes Messer nun zwischen den Beinen hatte.

      »Eine falsche Bewegung, und du kannst dein weiteres Dasein als Eunuch fristen«, drohte er, und Kai verhielt sich angesichts der drohenden Gefahr nun wirklich absolut ruhig.

      »Kann einer von euch die Tür aufschließen?« wandte sich der unverhoffte Retter an Ivo und Nikola.

      Die junge Frau rappelte sich mühsam auf und stürzte zur Tür. Mit zitternden Fingern drehte sie den Schlüssel herum und im gleichen Moment kamen nicht nur Dr. Daniel und Dr. Scheibler herein, sondern auch vier Polizeibeamte, die Kai nun festnahmen.

      »Gute Arbeit, Jeff«, meinte Dr. Daniel, während er Nikola fürsorglich zu ihrem Bett begleitete.

      Dr. Jeff Parker, der hier in der Klinik eigentlich als Anästhesist angestellt war, grinste. »Wenn du mich mal wieder brauchst, mußt du mich nur rufen.«

      »Ihre Beziehungen sind aber auch nicht die schlechtesten, Herr Doktor«, meldete sich Ivo zu Wort, um den sich Dr. Scheibler sofort gekümmert hatte. »Wer hat in einer Situation, wo es wirklich darauf ankommt, schon einen erstklassigen Karatekämpfer zur Hand?«

      Dr. Daniel lächelte. »Er wird in Kürze auch noch mein Schwiegersohn, aber normalerweise arbeitet er hier nur als Arzt.«

      Ivo nickte, dann bekam er von einer Sekunde zur anderen plötzlich heftigen Schüttelfrost – ausgelöst durch den Blutverlust und die enorme Nervenbelastung. Auch Nikola saß mit noch immer vor Entsetzen geweiteten Augen auf dem Bett und schien zu keiner Bewegung fähig zu sein. Für sie, die keine beruhigenden Worte hören konnte, mußte das alles noch tausendmal schlimmer sein.

      Dr. Scheibler und Dr. Parker, in dem nach seiner grandiosen Kampfeinlage auch wieder der Arzt erwachte, hoben den am ganzen Körper bebenden Ivo auf die von der Nachtschwester bereitgestellte fahrbare Trage und brachten ihn in ein freies Zimmer. Hier bekam Ivo ein starkes Beruhigungsmittel gespritzt, dann wurden die vorher notdürftig versorgten aufgeschnittenen Pulsadern verarztet.

      Währenddessen hatte sich Dr. Daniel zu Nikola auf das Bett gesetzt und ergriff nun tröstend ihre Hände. Sie wandte ihm ihr Gesicht zu, in dem noch immer Entsetzen und Verwirrung standen, dann löste sie die rechte Hand aus Dr. Daniels Griff und schrieb mit zitternden Fingern.

      Warum hat er mir das nur angetan?

      »Ich weiß es nicht, Nikola«, entgegnete Dr. Daniel. »Er war schon immer kriminell. Vielleicht war es einfach der Reiz, einem Menschen weh zu tun, dessen Schreie niemand hören kann.«

      Er hat mich niemals geliebt.

      Dr. Daniel las, dann schüttelte er bedauernd den Kopf. »Das einzige, was er liebte, war das Geld, das er durch die Heirat mit Ihnen bekommen hätte.« Er schwieg kurz. »Wäre Ivo nicht so eifersüchtig auf ihn gewesen, wären wir vielleicht nie auf den Gedanken gekommen, daß Kai dieser brutale Vergewaltiger gewesen ist. Im Grunde brachten mich erst Ivos Nachforschungsergebnisse auf diesen Gedanken.« Wieder machte er eine Pause. »Ich war fast sicher, daß Kai Horstmann nach der Lösung des Verlöbnisses an Rache denken würde, deshalb ordnete ich an, daß Ihr Zimmer rund um die Uhr überwacht wird. Dabei muß ich gestehen, daß ich auf den Gedanken, er könnte hier im ersten Stockwerk durchs Fenster einsteigen, gar nicht kam.« Für einen Moment senkte er den Kopf, dann sah er Nikola wieder an, damit sie von seinen Lippen ablesen konnte.

      »Ivo und ich wollten uns heute abend bei der Steinhausener Polizei treffen, um gemeinsam mit dem von ihm gesammelten Material Anzeige gegen Kai zu erstatten, doch als Ivo nicht erschien, hatte ich plötzlich so ein ungutes Gefühl, das mich nicht getrogen hat. Ich hatte die Eingangshalle noch nicht richtig betreten, als mir Sándor schon in heller Aufregung entgegenkam. Als er mir erzählte, in welcher Situation Sie und Ivo steckten, wußte ich sofort, daß nur ein Mensch fähig sein würde, Kai zu überwältigen – Dr. Parker. Nach allem, was ich aus Ivos Unterlagen über Kai Horstmann wußte, konnte ich davon ausgehen, daß er sich nach möglichst allen Seiten absichern und Ivo keine Chance lassen würde…«

      In diesem Moment legte Nikola ihm eine Hand auf die Lippen, dann schrieb sie: Sie müssen sich keine Vorwürfe machen. An dem, was geschehen ist, trifft Sie keine Schuld – im Gegenteil. Sie haben uns die Rettung geschickt. Ihnen verdanken wir, daß wir noch am Leben sind.

      Dr. Daniel wollte widersprechen, weil er die ganze Sache nicht so sehen konnte, doch Nikola schüttelte abwehrend den Kopf, dann forderte sie ihren Block zurück.

      Ich möchte zu Ivo.

      Dr. Daniel half ihr aufzustehen, doch nach den schrecklichen Erlebnissen wollten Nikolas Beine noch nicht so recht gehorchen. Dr. Daniel mußte sie stützen, und mit seiner Hilfe bewältigte sie den Weg zu Ivos Zimmer.

      »Er hat ein starkes Beruhigungsmittel bekommen«, erklärte Dr. Daniel. Er spürte, daß Nikola etwas sagen wollte, ihren Block jedoch im anderen Zimmer vergessen hatte. Allerdings konnte er sich schon denken, was sie wollte. »Natürlich können Sie bei ihm bleiben, bis er wach wird. Ich lasse Ihnen ein Bett hereinstellen, damit Sie sich ausruhen können, wenn Ihnen das Sitzen zu anstrengend werden sollte.«

      Dankbar sah Nikola ihn an, dann drückte sie voller Innigkeit seine Hand, ehe sie sich Ivo zuwandte und sanft über sein dichtes Haar streichelte. Obwohl er unter der Wirkung des Beruhigungsmittels eigentlich nicht hätte wach werden können, schien es, als hätte er Nikolas Berührung gespürt, denn plötzlich öffnete er die Augen und sah in das lächelnde Gesicht der Frau, die er liebte. Es war für ihn wie ein Blick in den Himmel.

      »Niki«, flüsterte er und brachte dabei sogar dieses Lächeln zustande, das Nikola so sehr liebte. Mit den Fingerspitzen berührte sie seine Lippen… wollte dieses Lächeln festhalten, und es gelang ihr auch, denn es blieb auf Ivos Gesicht, als er schon wieder eingeschlafen war.

      Und obwohl er es jetzt nicht sehen konnte, formten Nikolas Hände die Worte, die direkt aus ihrem Herzen kamen: Ich liebe dich…

Ein Bild aus glücklichen Tagen

      Der Krankenwagen hielt mit blinkendem Blaulicht vor der Klinik an, während das Martinshorn mit einem letzten Aufjaulen verklang. Der Sanitäter, der am Steuer gesessen hatte, sprang heraus, lief nach hinten und riß die Hecktüren auf. Zusammen mit seinem Kollegen, der sich im hinteren Teil des Wagens aufgehalten hatte, holte er die Trage heraus, auf der die Patientin lag. Mit einem stählernen Rasseln klappten die Räder nach unten, dann schoben die beiden Sanitäter die fahrbare Trage durch die doppelflügeligen Eingangstüren. Ihnen folgte ein junger Mann, dessen Gesicht Angst und Sorge widerspiegelte, doch seine Augen blieben dabei seltsam unbeteiligt.

      Oberschwester Lena Kaufmann kam den Sanitätern im Laufschritt entgegen.

      »Was ist…«, begann sie, doch in diesem Moment erhaschte sie einen Blick auf die Patientin. Ihr Gesicht verlor sofort alle Farbe. »Hanni! Um Himmels willen…«

      Die junge Frau auf der Trage wandte ihr schmerzverzerrtes Gesicht ab. Deutlicher hätte sie ihre Abneigung gegen die Oberschwester gar nicht zeigen können.

      »Verdacht auf akute Appendizitis«, meldete jetzt der Sanitäter.

      Oberschwester Lena nickte ein wenig zerstreut und wies zum rechten Flügel der Klinik. »In die Chirurgie.« Sie lief schon voraus, um den Chefarzt Dr. Gerrit Scheibler zu informieren.