Traumprotokolle. Christof Wackernagel. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Christof Wackernagel
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Изобразительное искусство, фотография
Год издания: 0
isbn: 9783866747821
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aber ich lehne ab weil ich von diesem Vorwurf ziemlich getroffen bin, weshalb ich rausgehe und vor dem Stadion mit anderen Leuten noch über das Problem und den Vorwurf rede, wobei ich mir überlege, das nächste Mal ein anonymes Flugblatt zu machen, mit dem ich die Neonazis angreife, frage mich aber auch, ob das dann vielleicht nicht ernst genommen wird, wenn es anonym ist, aber man kann das so ja nicht stehen lassen, man kann das doch nicht hinnehmen, wenn die Macht von den Nazis schon so groß ist, dass selbst eine Gruppe, wie die um Nena, es nicht wagt, etwas gegen die Nazis zu machen, selbst wenn sie selbst geschädigt ist • bin bei einer Freundin in der Wohnung, die eine Komödie inszeniert, sitze da am Tisch in der Wohnküche, als eine Mitarbeiterin kommt, die Probleme hat, aber die Regisseurin ist nicht da, weswegen die Mitarbeiterin warten muss, aber ich will dann mit ihr die Probleme schon mal durchgehen, weil ich da durchblicke, und fordere auf, sich zu setzen, da will sie sich auf den Stuhl der Regisseurin setzen, obwohl das eigentlich kenntlich sein müsste, weswegen ich sage: »nee, setz dich da an diese Seite!«, und ich schreibe erstmal eine Notiz für die Regisseurin, auf der steht: »mit deiner ›Self-bla-bla-Comedy‹ müssen wir erstmal noch das und das machen«, und ich beruhige die Frau, dass wir auf jeden Fall noch alles besprechen können und sie ihre Probleme loswerden wird und die gelöst werden und hinterher auch noch genügend Zeit ist, bis die Vorstellung beginnt • eine Frau kauft für Judith zwei Puddingpulvertütchen und legt sie auf deren Küchentisch; Judith ist nicht da und ich sage: »die hat auf jeden Fall bis zum Monatsende genügend Geld, um das zu bezahlen« • ich bin in Berlin zu Besuch und treffe einen Typen, der ein kleines Häuschen an einer großen Straße hat und dort kifft, mir was zu rauchen gibt und sagt, er habe unglaublich viel zu rauchen, und ich sage: »ich habe in der Nähe eine kleine Dachwohnung mit Veranda, auf der ich ein kleines Beet habe«, woraufhin er zwinkernd antwortet: »ja, dann komme ich und wir bauen was an«, was ich in Berlin nicht so gut finde – das aber nicht sage – und weshalb ich nach Hause fahren will, was mit einem Bus, dessen Haltestele neben der Tankstelle gegenüber ist, gut gehen würde, wenn ich danach noch zwei Stationen mit der U-Bahn fahren würde; schräg gegenüber sehe ich auch noch das Haus von Freunden mit den durchgehenden Holzbalkonen vorne dran, die ich auch schon lange nicht mehr besucht habe, weshalb ich denke, dass ich ja in Berlin so viele Leute kenne, dass ich dort auch hinziehen könnte, aber die würde ich ja eh alle nie treffen und es wäre alles nur oberflächlich, weswegen es eigentlich eher blöd wäre, nach Berlin ziehen zu wollen, aber dann gehe ich erstmal zu Rosemarie Fendel in der Bank, sie ist Chefin und ich komme sofort da rein, stelle aber fest, dass noch andere Besucher da sind, eine junge Italienerin und ein älterer Herr, bin etwas verwirrt, weil ich ja störe, außerdem sehe ich Rosemarie nicht, da nickt die Italienerin mit dem Kopf zu Seite und ich sehe Rosemarie schlafend in der Ecke dieses Plüschsofa-Büros, auf dem Rücken liegend mit einem Spitzenhäubchen auf dem Kopf, aber ich küsse sie ganz vorsichtig auf die Stirn, woraufhin sie sofort aufwacht und aufsteht, sich aber erst um diese junge Frau aus Italien kümmern muss, die ganz wichtig ist und mit der es um große Bankgeschäfte geht, sie bekommt sogar ein Stück Kuchen, während ich keinen Kuchen bekomme, aber dann verschwindet auch der alte Mann, der da saß, und ich rede mit Rosemarie über das Stück, das wir zusammen spielen werden, wobei wir voreinander stehen und sie einen kurzen Rock an hat, unter dem ihre Oberschenkel gut sichtbar rausgucken, die ich dann wie selbstverständlich zu streicheln beginne, was sie auch nicht weiter stört, während ich sogar geil werde und denke: »eigentlich wollte ich doch schon immer mal mir ihr und es wäre überhaupt ganz toll, mal mit so einer gealterten Frau zu vögeln«, aber dann kommt ein Angestellter und zeigt die Textheftchen des Stückes, das wir zusammen spielen wollen, was dann schon losgeht: ich spiele mit einem Typen im Rollstuhl eine Szene, bei der wir beide in Rollstühlen beziehungsweise auf Rollgeräten, Rollgefährten sind; es ist Teil von verschiedenen Anti-Nazi-Stücken, deren Texthefte in Raubdrucken stehen – womöglich als Reprint, denn sie sehen ganz sauber und neu aus – und auf einer Seite steht in der Oberzeile über eine Linie in einem Halbbogen das Wort »Studentenbewegung« geschrieben; zum Teil sind es alte Texte aus den zwanziger Jahren, aber alles Texte gegen Nazis, gegen Faschismus, gegen Kapitalismus, das, was wir spielen, ist aber ein altes Stück, dessen Anfang wir in einem U-Bahn-Verbindungstunnel spielen, zwischen zwei Bahnsteigen, einem langen Gang, und ich sitze da in meinem Rollgefährt, seitlich zur Mauer des Ganges gewandt, der Typ – der Rosemarie ist, den sie spielt oder in den sie sich verwandelt hat – kommt gerade in den Gang gefahren, aber dann sollen wir schon wieder rausrollen und eine andere Szene spielen, ich schlage aber vor, doch erstmal die Fortsetzung von dieser ersten Szene zu spielen, rolle mich selbst in meine Position, aber als sie/der Typ im Rollstuhl kommt, fragt sie/er, wie sie/er denn da wieder auf Anschluss kommen soll, damit der Anschluss gut stimmt –

      – auf einer Fahrt nach einer Veranstaltung im Zug totaler Krach mit Renate, sie kommt aber trotzdem dauernd weiter mit mir mit, obwohl ich in unser Camp zu Batoma gehe, wir keifen uns an und sie hängt sich einfach an mich, bis wir zu Batomas und meinem Bett kommen, in das sie sich dann auch noch provokativ lachend reinlegt, genau in die Mitte, also zwischen Batoma und mich, was Batoma, die schon fast nackt ist, mit verlegenem Lachen kommentiert, woraufhin ich völlig ausflippe und Renate ultimativ rausschmeiße, sie dann tatsächlich aufsteht und beleidigt geht und während wir durch das Camp zum Ausgang gehen, fragt, ob das jetzt so zu verstehen sei, dass wir endgültig nichts mehr miteinander zu tun hätten, es also besser wäre, gar nicht mehr miteinander zu reden, als ab und zu ein bisschen, was eh verlogen sei, was ich entschieden bestätige, woraufhin sie in die Sicherheitsschleuse tritt, ein rechteckiger Glaskasten mit automatischen Glastüren, durch die man erst in eine Vorkammer tritt und wenn deren Außentüren geschlossen sind, sich dann der Zugang zur Hauptkammer öffnet, und wenn man da drin bei geschlossenen Türen steht, sich der ganze Kasten um hundertachtzig Grad dreht, wobei ich gerade noch, während sich ihr Gesicht abwendet, sehe, dass sie zu weinen beginnt; Christoph Türcke ist auch dabei und sagt: »aha, Mittwoch komm ich dann auch so raus«, denn diese Schleuse ist als Einziges noch übriggeblieben von dem Lager, das unser Camp mal war, das jetzt offen ist, aber durch die Schleuse vor der Außenwelt beschützt wird –

      – bin in einem Theater wie Essen, wo der Dramaturg gerade ein Stück von Schlingensief vorstellt, Marquard – ganz jung und unbedarft – ist auch dabei, wir sitzen ganz vorne in der ersten Reihe, es ist nur eine hausinterne Vorstellung, aber trotzdem mit allem Drum und Dran und vielen Besuchern, die alle heftig klatschen als es vorbei ist – ich bin aber der Einzige, der pfeift, weswegen kurz darauf der Dramaturg zu mir kommt und versucht rauszukriegen, wer ich bin und wie ich heiße, worauf ich sehr gereizt reagiere und sage, er könne mich doch direkt mit meinem Namen ansprechen, aber dann kommen wir ins Gespräch und ich kritisiere das Stück, erkläre, was ich daran nicht gut finde, wobei er mir sogar im Prinzip recht gibt, sagt, er müsse, darüber mal nachdenken, weswegen wir uns für später mal verabreden, um auch über anderes zu reden, und ich denke, dass wir unsere Produktion in Bochum, an der wir gerade arbeiten, ja dann doch auch in Essen aufführen könnten, und als ich wieder nach Bochum zu meinen Leuten komme, im Theater, gibt gerade einer weißen Rum aus, schenkt sich selbst aber total viel in ein großes Glas ein, woraufhin ich auch was haben will, aber er gibt mir nur wenig in ein dünnes hohes Glas, das oben einen Ring hat und das ich neben die aufgeschlagene Mappe stelle, in der ich gerade Notizen mache, was dazu führt, dass das verdammte Glas umfällt und dieser obere Ring abbricht – merkwürdigerweise aber kaum was ausläuft, nur kann man jetzt nicht mehr richtig draus trinken; außerdem muss ich das Ausgelaufene aufwischen –

      – bin bei Antoine, und wir warten in dem Vorhallengang auf Fidel Castro, der dann auch kurz darauf mit einer Delegation zu Besuch kommt, allen die Hände schüttelt, überraschend gut aussieht, sich offenbar bestens von seiner Krankheit erholt hat, aber nur noch ein winziges Restbärtchen trägt, weswegen ich aber trotzdem denke: »siehste: ›Fidel Castro ohne Bart!‹ – hab ich also doch recht gehabt beziehungsweise das vorausgesehen!« und als er mir die Hand gibt und mich ganz freundlich anlächelt, umfasse ich seine Hand mit meinen beiden und sage, dass ich mich wahnsinnig freue, ihn sehen zu dürfen, woraufhin er sich an unser letztes Treffen erinnert, mich tatsächlich wiedererkennt, was ich nun wirklich nicht erwartet hätte, sich sogar an unser Gespräch über Utopien erinnert, und ich bin immer mehr erstaunt, wie jung er aussieht und wie gut er drauf ist, aber dann muss ich erstmal runter in die Stadt noch was holen, während die anderen mit ihm in den Salon gehen und quatschen, und obwohl ich mich wie verrückt beeile, keine zehn