Traumprotokolle. Christof Wackernagel. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Christof Wackernagel
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Изобразительное искусство, фотография
Год издания: 0
isbn: 9783866747821
Скачать книгу
unten in einer Kneipe schon feiern und auf den Rest der Kollegen warten, die auch noch mitfeiern wollen, im Nachbarhaus feiern Ärzte, sind schon mächtig in Stimmung, ziemlich besoffen, obwohl es erst vormittags ist – und ich denke, dass wenn wir auch schon so früh anfangen, wir abends dann vielleicht schon gegen sechs aufhören und ich die ganze Bande wieder los bin, was mir gar nicht unrecht wäre –, und jedesmal, wenn bei denen ein Neuer kommt, begrüßen sie ihn mit Gejohle und den Worten: »hallo, Onkel Doc!«, was mir irgendwie bekannt vorkommt, ich aber im Grunde ziemlich blöde finde, und ich bereite ziemlich hektisch alles vor, damit wir auch wirklich schön feiern können, will mich dann auch schön anziehn, weiß aber nicht, was ich anziehen soll, probiere mal eine orangene Art Trainingshose, frage aber Renate, die dabei ist und die total scheiße findet und vorschlägt, dass ich einen orange gefärbten Badla Arabie17 anziehe, während ich überlege, ob ich die neue orangene Hose mit Schlag anziehe, die ich aber dann doch zu grell finde, und dann sagt Renate, dass sie die orangene Trainingshose haben will, weil die aus der Zeit stammt, in der wir uns kennengelernt haben, weswegen sie die anziehen will, wenn sie alt ist, um daran erinnert zu werden, woraufhin ich großzügig sage: »dann kannste sie ja gleich haben«, was mir im selben Moment aber peinlich ist, aber dann muss noch die Fotofrage geklärt werden, wofür wir schon ganz viele Fotos gemacht haben, von denen ich mir eins vorne ans Revers stecken will, damit mich jeder erkennt und wenn alle das machen, jeder jeden kennt, weil das so viele sind, dass viele sich nicht kennen, aber es ist DIN A4 und ich finde es dann doch ein bisschen doof, mit so einem großen Foto von sich selbst rumzulaufen und dann auch noch genauso auszusehen, also machen wir es eben ohne Foto –

      – wir bereiten die Erscheinung eines neuen Buches von mir vor, drei, vier Leute, sortieren die Geschichten, reden teilweise drüber, lesen Stellen vor, aber die Geschichten sind alle von Sacko, er hat alles geschrieben, aber das weiß niemand und ich sage es auch niemandem; Renate ist auch da und lobt jede einzelne, weiß aber nicht, dass in Wirklichkeit Sacko alles geschrieben hat – Sacko selber wiederum ist viel zu sehr verwickelt in seine ganzen Angelegenheiten und Verstrickungen, als dass es auf seinen Namen oder unter seinem Namen erscheinen könnte, das würde alles noch mehr durcheinander bringen, vielleicht sogar schaden, deswegen kann ich es auch gar niemandem sagen, habe aber doch in leicht schlechtes Gewissen und ungutes Gefühl dabei, aber Batoma sagt: »die Schere muss neben dem Bett liegen, damit man die Geschichten auch korrigieren kann« und man kann wirklich sagen: diese Geschichten sind gut geschrieben, sehr gut sogar, haben viel von meinem Humor, haben meinen Stil, also er hat das echt gut gemacht und kein Mensch merkt, dass es nicht von mir ist; der Untertitel des Buches ist: »Weitergehende Konflikte« und es ist mir wirklich mulmig mit diesem falschen Namen, aber es ist notwendig, weil so ein Gedränge herrscht – wenn man die Fotos öffentlich macht, muss man das so machen, dass sie entweder einzeln gedruckt werden oder nur die gedruckt werden, auf deren Namen sie sind, weil wenn das nicht so gemacht wird, jeder kommen und die ausdrucken kann, und es ist Sacko, der mir klar macht, dass da ein kleiner Unterschied ist, auf den ich achten muss, und die beiden Sorten von Fotos schwimmen in jeweils einem gelben Farbeimer/Wassereimer, dümpeln da drin rum, also in dem einen die normalen, nur die, die gemeint sind und gemacht werden können, und in dem anderen, der anders benannt ist, da schwimmen die allgemeinen rum, und wenn ich nicht aufpasse, sind hinterher plötzlich alle ausgedruckt und ich habe kein Papier und keine Druckertinte und nichts mehr • man muss unbedingt die Sperre für die anderen Leute mit dem Notar klarmachen, sonst ist die Sache mit dem Haus unklar und die Leute nützen das aus, wenn es offen ist • einer erzählt mir von einem Restaurant in München, in dem es das beste japanische Essen gibt, für viel Geld, aber es gibt so gut wie nie was, es ist so gut wie nichts, es ist komplett aus Papier, aus lauter Streifen von feinem, feinstem japanischem Papier • komme vor einer Jahrmarkt-artigen Szenerie an einer kleinen Fressbude vorbei, bin mit drei Typen, zwei älteren und einem jungen, und der junge guckt einfach in die Töpfe der Bude rein, hebt Deckel hoch und schnüffelt, schaut nach, was es da zu Essen gibt, und so, was ich ziemlich unverschämt finde undweshalb ich zu den beiden älteren sage, dass man da wieder mal sehen kann, dass die heutige Jugend sämtliche Werte und Moralvorstellungen verloren hat, kein Mass und Ziel mehr hat, und bei einer anderen Bude gibt es dann Kässpätzle – die anderen haben alle nur normal Currywurst und solche Sachen –, aber da es schon später Nachmittag, fast Abend ist, gibt der Kässpätzlemann – ein dicker, gemütlicher Typ, die eine Hand in der Hosentasche, leicht zurückgelehnt in seiner kleinen Bude stehend – ganz lässig nebenbei den Rest, den er noch in seiner ziemlich großen Pfanne hat, drei Stückchen, die aber eher wie rotbraun panierte Fleischstückchen ehen, erst dem anderen etwas, dann mir etwas, ich wundere mich, weil es doch wie Fleisch aussieht, aber andererseits doch Spätzlecharakter hat, weshalb ich mit ihm quatschen will, fragen, was das ist, und sage, dass ich Spätzlespezialist bin, was er erst nicht versteht, weswegen ich es wiederholen muss, woraufhin er höflich nickt und ich dann wohlwollend sage, dass seine Kreation spätzlemäßig gesehen auch nicht schlecht ist, die er da gemacht hat • Renate/Fafa bei uns zu Besuch in der Gruppe und sie will als Erstes in die Badewanne, was ich ziemlich unverschämt finde, aber was soll man machen, sie ist ja Besuch, aber wie ich später hochkomme – die Badewanne ist im Flur im obersten Stock, direkt vor der Treppe –, sehe ich, dass sie die Badewanne nur hat einlaufen lassen und dann weggegangen ist, und jetzt ist sie schon so voll, dass sie gerade dabei ist, überzulaufen, was ich gerade noch abstellen kann und dann rufe ich sie, sage, sie soll das jetzt klären, woraufhin sie ganz leidend hochkommt, »ich bin krank!« und: »die Badewanne ist kaputt«, was ich eine besonders blöde Ausrede finde • bin in der obersten Wohnung eines Stadthauses und muss irgendwie mit einer Frau verhandeln, die einen Rechner hat, was aber alles sehr, sehr genant vor sich geht, vor Peinlichkeit fast verschwimmend, man sieht sich kaum an, redet drumrum, aber dann nimmt mich ein Detlev-Buck-artiger Typ von seiner Wohnung aus mit zu einer Bude am Straßenrand dieser Großtadt – man sieht von dort auch eine andere Brücken-artige Querstraße –, um mir zu zeigen, wie man dort einen »Stick« essen kann, und zwar gibt man dazu Geld vorne an der zur Straße gelegenen Kasse der Bude ab, was Detlev Buck ganz lässig tut und mir bedeutet, dass wir jetzt hier draußen erstmal warten, dann dreht sich der Kassierer auf seinem Drehstuhl um und drückt einen Knopf, man hört es klacken, es klickert in der Maschine, die hinten in der kleine schmalen Bude steht – es ist eine rote Baguettemaschine, schmal und hoch, die unten ein Fach hat, in das man greifen kann und wo dann ein Käse-Salami-Gurken-Baguette liegt, das auch getoastet ist und das er sich, nachdem wir reingegangen sind – sonst sind keine Gäste da – rausnimmt und während wir wieder rausgehen, bietet er mir an, abzubeißen, was ich aber nicht will, weil er mir vorher ein süßes, schaumiges Bonbon gegeben hat und mein ganzer Mund jetzt voll von diesem süß-ekligen chemischen Geschmack ist, und draußen stehen zwei Frauen, die uns unverhohlen musternd anschauen und sagen, dass sie in dieser Bude mit Selbstbedienungsautomaten auch einen »Stick« wollen, aber einen anderen, die wir aber stehen lassen, und wir gehen Treppen hoch, die Parallelstraßen verbinden wie in Stuttgart und als wir an der dritten oben ankommen, kann man links ein paar hundert Meter weiter eine Querbrücke mit der Autobahn erkennen –

      – Kinder spielen in meinem oberen Zimmer vor dem offenen Fenster – ein Junge will auf den Sims klettern und runterspringen –

      – ein Kind kommt an das neue, breite Glassiefenster18 und hat einen Sack mit Sachen von beziehungsweise für Batoma, vor allem ein kleines, viereckiges Radio der billigsten Sorte, das man einstellen kann, daneben ein noch kleineres Kind, das auch ein Säckchen mit irgendwas hat; ich denke, Batoma ist da, hat das aber nicht mitgekriegt und wird erst noch kommen, und aus dem kleinen Radio krächzt schon Musik, und das Motorrad ist ganz dreckig von diesen Sachen beziehungsweise dem Transport dieser Sachen beziehungsweise von den Spritzern dieser Art Betonmischung, die Batomas Vater immer zum Verputzen der Häuser anrührt, dieses hellgraue, fast weiße, fast flüssige Zeug, vor allem die Rückenlehne des hinteren Sitzes und die darunter liegende Verschalung sind ganz voll mit diesen Spritzern, und ich hoffe, dass Batoma kapiert, dass dieses Zeugs alles – mühsam! – gebracht wurde und nicht von alleine gekommen ist – einer will »pednets«19 am Tee machen, aber Batoma ist völlig übermüdet von der Nachtfahrt und das geht nicht • ich muss die Cadeaux20 alle einzeln unterbringen, schön langsam und nicht zu schnell und mit Hilfe des Katalogs; das ist natürlich scheiße erstmal und wenn ich zu schnell mache, gegen die kaputt, werden durcheinandergebracht und verkleben