Traumprotokolle. Christof Wackernagel. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Christof Wackernagel
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Изобразительное искусство, фотография
Год издания: 0
isbn: 9783866747821
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und die Gitter davor, aber am nächsten Tag gehe ich an einem gläsernen Viereck auf dem Abhang vor dem Präsidentenpalast vorbei und versuche, den Text darunter zu lesen, um zu erfahren, ob jetzt die Vorstellung ist und wann und wie, aber es ist alles milchig und glasig beziehungsweise milchglasig und unsichtbar und als dann die Vorstellung läuft und alles ganz anders ist als geprobt, denke ich: »das kommt davon, man darf es eben nicht provozieren!« • ich halte dem Verkäufer in einer Bude das Mikrophon vor die Nase und fordere ihn auf, die Nachrichten reinzusprechen, die er ja sonst auch verliest, und er ist dazu auch bereit, sucht und sucht und findet seinen Text nicht und ich sage zu Heiner, dass ich nicht mehr bei den »Brialiern« esse und aus dem Stück nichts wird • habe ein Auto gemietet, ein neues, und fahre über die Landstraße ziemlich schnell weg, aber plötzlich geht es stark bergab und wird total sumpfig und rutschig, und ich denke: »naja, jetzt hab ich wenigstens ein neues Auto, mit dem man da durchkommen kann!«, ich schaffe es auch sehr gut, es durch den Glitsch zu lenken, und sehe weiter hinten noch eine größere Stelle mit normaler Straße und wie man da hinkommen könnte, und es hört und hört und hört kaum auf, bis es da hochgeht, es wird immer steiler und steiler, bis ich zu dieser Stelle komme, aber dann merke ich, dass da ja ein Abgrund davor ist, der letzte Rest bis zu dieser asphaltierten Stelle derart steil abwärts geht, je genauer man hinguckt, desto steiler, dass es fast senkrecht runter geht und je genauer ich runtergucke, desto tiefer, da würde das Auto nicht mehr fahren, sondern fallen, womöglich mehrere hundert Meter und ich würde tödlich abstürzen, wenn ich weiterführe, dann wäre Schluss, und dieses Land, durch das ich fahre, heißt, »Bayag-ko« und ist durch gelbrote Streifen gekennzeichnet, bisschen an die Maggi-Farben erinnernd, und ich erzähle den Traum mit der Autofahrt einer Frau in der »ich«-Form, obwohl sie es ist, die fährt, was ich nur, der unsichtbar dabei ist, sehe, und sie nickt immer bestätigend, dass ich das genau richtig erzähle, und ich frage mich, ob das alles überhaupt stimmt, weil sie doch fährt, aber ich es ins Diktafon diktiere, als sei ich es gewesen, aber dann kommt ein Einheimischer mit einem funkelnagelneuen Fahrrad vorbeigefahren, ein Asiate, und ich denke: »das geht alles gar nicht, weil der sich ja viel besser hier auskennt!«, und ich muss mit dem Fahrrad vom ersten Stück zu dem zweiten fahren, zusammen mit dem Schauspieler und irgendwie ist klar, dass das nicht geht, was ich ihm sage, aber er hat ja auch ein eigenes Fahrrad {das Theaterstück in dem Bauwagen am Rande des Platzes vor der Kirche, bei dem ich durch den Schlitz im roten Vorhang nach draußen sah und feststellte, dass gar kein Publikum da ist} – ich muss eine kurze Strecke probieren, nebenherfahrend, aber ich diktiere das laufend ins Diktafon und sehe zum Teil den Text im Hintergrund in der Luft gespiegelt, wobei der Text Lexikoncharakter hat, also ein Wort hervorgehoben und es wird erklärt, und jemand fragt mich ganz streng, ob ich es auch wirklich weiß mit der Unterbrechung mit dem Fahrrad • ich gehe mit einer Frau spazieren und habe eine Kamera dabei, um diese stark zerklüftete Vorstadtlandschaft zu filmen, will einen langsamen Schwenk von dreihundertsechzig Grad machen, eine sehr urige Landschaft, naturig, Vororthochhäuser gemischt mit wild bewachsenen Aufschüttungen, Wüsten-artig, aber zum Teil schon kultiviert, aber noch nicht alles mit Gras bepflanzt, und ich gehe langsam runter in so eine Art Bach oder Wadi, der seitlich auch mit Gestrüpp bewachsen ist, will dann von dem ausgehend meinen Rundschwenk machen, da kommt plötzlich eine kleine Autokolonne mir durch den Bach entgegen, die gerade reinpasst, die Räder an den schrägen Seiten des Wadis, was gut passt, als sei es für den Film arrangiert, dann lass ich die vorbei und geh wieder runter, dahinter kommen spielende Kinder, ein bisschen multikulti gekleidet, was auch gut in die Szene passt, aber als ich mich wieder aufrichte, wackelt das ausgefahrene Objektiv im Wind, es ist aus Gummi, ziemlich dünn und relativ lang, wahrscheinlich billiger Aushilfsscheiß, ärgerlich, aber es geht einfach nicht damit, und dann sehe ich einen Scheich in einer Mauernische eines Hochhauses sitzen, schön in seinen weißen Scheichgewändern mit weißem Käppi mit schwarzen Bändeln, er quatscht mich an, was ich hier mache, ich erzähle, dass ich das alles filmen will und er sagt: »ja«, das finde er auch spannend, wir kommen ins Gespräch und er sagt, ich solle erst mal die ganzen Leute hier filmen, die ganzen Türken und anderen Ausländer wie er selber ja auch, und dann gehen wir in den Keller dieses Hauses, dessen Fenster alle vergittert sind, und sein Sohn will mich wieder rauslassen, muss dazu aber die Gitter zumindest zum Teil ein bisschen lösen beziehungsweise die Öffnung, die er schon gebaut hat, etwas vergrößern, was zwar geht, aber lange nicht reicht, damit ich mich da durchzwängen könnte, weshalb ich zu den Nachbarn gehe, die aber auch alle vergittert sind und die haben wieder andere Schlüssel, um da rauszukommen, also ich muss da raus, wo der Sohn von dem Scheich mich da rauslassen will und irgendwann klappt er so viel Gitter weg, dass es doch nicht zu klein ist, er selbst spielend rauskann und ich dann auch ganz einfach rauskomme und es geschafft habe – eine größere Art Familientreff in museumsartigen Hallen, bei dem auch Rudi Wackernagel dabei ist, ein sehr großes Programm und auch Treffen mit Nicht-Verwandten, es sind ganz viele Leute, die ich da treffe, und Rudi will von einem Kuchen, einer saftigen Sahnetorte, was mit einer Gabel abmachen, muss dabei etwas Druck ausüben und – quatsch!, rutscht er mit der Gabel aus und ein Teil des Kuchens spritzt in hohem Bogen weg und klatscht direkt an so eine leicht rosa gefärbte Museumswand, und es sieht wirklich ganz toll aus, diese drei in einer sauberen Reihe hintereinander angeflatschten Kuchenstücke an der Wand, reine Kunst, wie sie überlegt besser nicht gemacht werden könnte; ich denke, das muss man fotografieren, bevor es weg ist, unterhalte mich mit einem anderen und sage: »ja, das würde doch in einer Ausstellung mit den anderen Werken von Rudolf Wackernagel gut passen, diese Fläche mit den drei Spritzern da drauf, die einfach ganz toll da platziert sind, das ist ästhetisch wie in der goldenen Mitte, genau stimmig«, wo mir der andere voll zustimmt, auch begeistert ist, und dann gehe ich hoch, meine Kamera holen, die Veranstaltung findet in einem Hotel statt, in dem wir auch wohnen, aber als ich wieder runterkomme, sagt ein anderer, dass beschlossen wurde, die Veranstaltung nochmal woanders zu erweitern, nochmal einen Abschlusskaffee und -kuchen woanders zu sich zu nehmen und da dann auch nochmal irgendeine Aktion zu machen, daraufhin sage ich: »dann sollten wir aber dahin gehen, wo wir als Kinder immer gespielt haben und später auf Trip mit Fips und Ebby nachts auf den Kinderspielplätzen uns rumgetrieben haben«, weil das eine sehr schöne Gegend ist, in der man gut was machen kann, also draußen und mit großen Spielzeugen, Schaukeln, runden, mit einem Eisenring in der Mitte drehbaren Holzplatten, wie die, mit denen wir uns damals auf Trip immer bei Vollmond gedreht hatten –

      – ich lese die Rezension eines RAF-Stückes, in dem die drei Hauptdarsteller nicht so dargestellt werden, wie man es erwartet, »aufgedrehte Bürgerkinder« etc., nein, sondern leise und nachdenklich seien die gewesen • eine Zeitungsredaktion mit mehreren Leuten um einen großen viereckigen Tisch herum und ich schreibe einen handschriftlichen langen, zweiseitigen Brief, mit dem ich einen Werbeauftrag absage – beziehungsweise den Entwurf dazu, der von der neben mir sitzenden Frau abgesegnet werden muss – mit der ausführlich und kompliziert ausgeführten Begründung, dass man nicht jeden Tag Werbung machen darf, sondern nur jeden zweiten Tag und heute aber der Tag ist, an dem man nicht Werbung machen darf beziehungsweise dies eine Werbung ist, die nicht erscheinen wird, womit ich den Kunden auf ganz raffinierte Weise verarschen will, sodass klar wird, er indirekt merkt, dass ich ihn verarschen will, er aber nichts dagegen machen kann, weil meine Begründung so zwingend logisch ist, dass er sie nicht widerlegen kann, aber als mich die anderen am Tisch fragen, was ich denn da dauernd mache, versuche ich, es zu erklären, und verheddere mich, kriege diese evidente Logik, die ich eben noch ganz klar im Kopf hatte, nicht mehr zusammen, stocke, die anderen sehen mich erwartungsvoll an, ich sage irgendwas von dem Zwie-Tage-Rhythmus und dass man dem nicht widersprechen kann, finde es selber aber dünn und merke, dass die anderen es auch nicht verstehen, aber keiner sagt was, keiner widerspricht, und ich denke, dass sie sich vielleicht nicht trauen zu widersprechen, weil sie nicht zugeben wollen, dass sie es nicht verstanden haben, aber ich mache trotzdem weiter, weil es noch ganz kurz vorher so sonnenklar war, dass überhaupt kein Zweifel bestand, eine absolut klare logische Argumentation, und es geht auch noch um Werbung für Autos, was ich sowieso ablehne • mit Annette Thirier in einem Hotelzimmer, einer Suite im oberen Stock eines größeren Hotelkomplexes, und ich muss mit Fips noch die Vorstellung am Abend vorbereiten, Texte zusammenstellen und noch lernen, also eigentlich drängend alles, aber Annette will erstmal mit mir ins Bett und zieht mich im hinteren Zimmer auf die Couch, legt sich auf mich, ihren ganzen nackten Körper an mir reibend, sie will unbedingt sofort vögeln, während Fips im vorderen