Traumprotokolle. Christof Wackernagel. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Christof Wackernagel
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Изобразительное искусство, фотография
Год издания: 0
isbn: 9783866747821
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jetzt die Chance, die Karawane doch noch zu machen!« • ich nehme drei Teile aus dem Kästchen von Batoma und lege sie in meine Sammlung, meine Kästchen rein und dann ist es besiegelt; sie steht etwas weiter weg und schaut abwartend gespannt zu, aber ich mache es und dann ist es besiegelt; dann will Fatoumata auch, dass ich das mache, aber das muss erst geklärt werden, obwohl es eigentlich nichts Besonderes ist und die drei Stäbchen oder was auch immer das ist, die nützen sich ab im Lauf der Zeit • Schlussveranstaltung einer kollektiven Künstleraktion in Dortmund, die Schiffe und Routenplanung zum Thema hat und bei der ich zu der Gruppe gehöre, die das Zimmer mit der Nummer zwei hat, das aber für zwölf Leute reserviert ist, die da ihren Beitrag machen müssen; draußen auf dem Gehweg vor dem Haus wird schon aufgebaut – es ist nachmittags und abends ist diese Abschlussveranstaltung –; Fernsehteams bauen ihre Lampen auf, ich warte an der Seite stehend mit einer Frau, die da auch mitmacht, aber nicht zu meiner Gruppe gehört, wir setzen uns dann auf zwei Stühle ganz eng nebeneinander und sie erzählt, dass sie sich gerade von ihrem Typen getrennt hat, mit dem sie vier Jahre zusammen gewesen war, ich überlege, ob ich sie irgendwie trösten kann, stelle aber fest, dass ich das weder kann noch will, obwohl ein gewisses Vertrauen zwischen uns entstanden ist, sie beugt sich über mich und ihre langen Haare fallen über meinen Kopf, so dass der ganz unter ihnen verschwindet, und ich sage zu einem aus meiner Gruppe, dass wir noch andere Frauen suchen sollten, was mir im selben Moment peinlich ist, weil sie das ja auch gehört hat, und wir müssen noch warten und warten, bis die letzten Gruppen da ihre blöde Arbeit beendet haben, aber ich kann nicht in das reservierte Zimmer mit der Nummer zwei gehen, weil da jemand drin ist, der heimlich raucht, was mich doppelt nervt, weil ich ja nicht hingehen kann und den verpetzen, aber darauf, noch über eine Stunde auf der Straße zu stehen und zu warten, habe ich auch keinen Bock und überlege, so lange eben nach Bochum zu fahren, was dann aber hieße, gerade mal hin und dann gleich wieder zurück fahren zu müssen, was wiederum diese Frau blöd findet, weil sie dann alleine wäre und warten müsste; meinen Beitrag hab ich schon abgegeben, der dann wiederum von Mitgliedern von anderen Gruppen analysiert werden muss, wobei sie meinen Beitrag analysieren muss und sie macht sich schon lustig über die Sachen, die ich geschrieben habe und die sie dann bewerten und beurteilen muss, und dann kommt einer aus ihrer Gruppe und sagt, dass er mich auch kennt, woraufhin wir dann rein in das Gebäude gehen, das breite, Platz-artige Gänge hat, und wir sehen eine Frau, die aus einer Tür kommt und ganz hektisch und wichtig zu einer anderen rübertappelt und ich denke: »dafür werden diese Gelder von der Kulturstiftung rausgeschmissen, bloß weil sie vor Jahresende irgendwie verbraucht werden müssen« –

      – Abrechung auf drei Ebenen, die in verschiedenen Höhen schräg und versetzt in Griffweite schweben, Zettel, Fetzen, Ausdrucke, Zusammenrechungen, zum Teil ziemlicher Fummelkram mit Quittungen, Rechnungen, zum Teil handschriftlich, wenn man genau hinsieht, eigentlich fast alles handschriftlich erstmal, was heißt, dass das alles übertragen und übersichtlich gemacht werden muss, am Ende zusammengeführt und liquidiert, da höre ich, dass ein Brief in den Briefkasten geworfen wird, es klackt laut, und ich sage zu der Frau, mit der ich die Abrechnung mache, dass ich wette, dass das mit Geld zu tun hat, wozu sie nur lächelt, woraufhin ich aufstehe, zu dem Fach, das an der Tür innen angebracht ist, gehe – der Raum ist nur auf dieser einen Seite zu und wabert in den drei anderen Seiten ins Nichts –, zerre den Umschlag raus, was schon umständlich ist, weil er etwas größer als der Schlitz ist – ein genau viereckiger etwa zwanzig mal zwanzig Zentimeter großer Umschlag mit blauem Rand, relativ dick, deutlich spürbar, dass sich Zettel drin befinden –, sehr fest verschlossen, krieg das Scheißding kaum auf, zerre und reiße dran rum, ist wohl aus Plastikpapier, bis ich wenigstens so viel aufschlitzen kann, dass ich reinsehen kann, und es ist, wie ich dachte: lauter Zettel und Fetzen, zum Teil abgerissene, mit weiteren Abrechungen für die Steuer beziehungsweise von der Steuer zurückgeschickt, Zettel, die ich zum Teil noch ausfüllen muss, darunter auch alte Fetzen von Marquard, was ich alles noch zusammenrechnen muss, also ziemlich viel Arbeit, oft nur zwei oder drei Zahlen, die ich noch zusammenrechnen muss, alles handschriftlich –

      – komme mit einem Film im Gepäck, den ich mit Stefan gedreht habe, eine Art Dokumentation, deren Videomaterial aber verdreckt ist, in ein Ferien- oder Erholungscamp in Holland, eine Art Freizeit- und Vergnügungspark, gleichzeitig mit vielen anderen Besuchern, die alle voller enthusiastischer Vorfreude sind, gut gelaunt, lachend; wir haben noch andere Sachen dabei, aber als ich rein will, fragt mich einer, ob ich überhaupt eine Eintrittsberechtigung habe, woraufhin ich sage: »ja, ich habe mit dem Besitzer gesprochen, der wartet auf mich!«, es ist also eher das Gegenteil der Fall, was ich nicht sage, aber es wird deutlich, dass ich eine ganz besonders wichtige Person bin, die Connections hat und viel mehr durchblickt als die anderen, und ich habe zwar ein Treff mit Batoma dort, gehe aber erst mit Stefan los, und man bewegt sich in diesem Gelände mit surfbrett- oder gokartartigen Gefährten, auf denen man kniet oder liegt und durch die Gegend rutscht, über die Wiese flutschen kann und jeder schnappt sich eins, um loszulegen, wobei es fast ein wenig Gerangel gibt, aber spielerisch, witzig, überhaupt nicht aggressiv, macht riesen Spaß, alle lachen, ist etwas matschig, aber es gut mit den Dingern und bald kommen wir an eine Sumpffluss-artige Stelle, hinter der ein grüner Hügel hochgeht und zu deren Überquerung man von diesen Brettern runtermuss und kaum habe ich meines verlassen und schaue mich um, um zu sehen, wie es weitergeht, da packt es einer von den Holländern, die sich besonders freuen, da sein zu können, und steckt es lachend senkrecht in den Sumpf, um besser mit seinem vorbeizukommen, weshalb ich ihm lachend mit dem Finger drohe, es sofort wieder rausziehe und den Sumpf überquere, den grünen Hügel aber wieder darauf liegend sozusagen hochrudere, wo mich Stefan, der schon voraus ist, grinsend begrüßt und als wir zusammen weitergehen, erscheint vor uns ein Abhang, den man mit einer Leiter wie unserer aus rotem Holz runtersteigen kann, wo unten Knut mit noch einem anderen aus alten Tagen steht und, wie wir, Plastikmaschinenpistolen trägt, die von Stefan und mir sind aus alten violetten umgebogenen Plastikkleiderbügeln konstruiert, sozusagen nur stilisiert, und wie wir an der Treppe oben ankommen, bleiben wir erstmal stehen und »schießen« irgendwelche Leute »ab«, da spricht mich einer an, der mich auch von früher kennt, der jetzt aber stört und den ich abwimmeln muss, »tut mir leid! aber es geht jetzt wirklich nicht«, dabei freut der sich auch sehr, mich nach so langer Zeit mal wieder zu sehen, dann aber zielen Stefan und ich mit unseren Plastikkleiderbügelmaschinenpistolen runter, wo Knut und der andere stehen, die mit ihren Plastikmaschinenpistolen auf uns zielen, wir tun so als würden wir uns gegenseitig jeden Moment abknallen, drohen rum, aber es ist alles nur Jux und Dollerei, eine völlig lächerliche Pattsituation, keiner macht den ersten Schritt, tut aber so, dabei ist alles nur Spiel, weswegen wir irgendwann übertrieben ratlos fragen: »ja, was machen wir denn jetzt?«, die Dinger sinken lassen und die wacklige, durchgebogene Leiter runtersteigen und uns unten begrüßen und hocherfreut umarmen, nach Jahren sehen wir uns endlich mal wieder und ich sage: »Mensch, das müssen wir doch feiern!«, worauf Stefan fragt, ob wir wirklich keinen Film in der Videokamera haben, weil er diesen historischen Moment offenbar festgehalten haben will, ich antworte: »doch, der ist aber verdreckt«, aber Stefan hakt nach und fragt, ob das wirklich »verbraucht« sei, also nicht mehr ansehbar und zwar in einem Ton, als ob da was drauf wäre, was gefährlich sein oder werden könnte, dabei ist das völlig harmloses Material und wir wissen auch gar nicht so recht, was wir jetzt eigentlich machen sollen, wie wir das würdigen sollen, stehen verlegen lachend rum und keiner sagt was, irgendwie ist plötzlich alles ganz normal, obwohl es eben noch ganz feierlich und freudig erregt war, dass wir uns nach so langer Zeit endlich wieder getroffen haben, letztlich ist alles unklar, aber wir geben dann ein fiktives Interview, vor Mikrofonständern stehend in die Mikros sprechend, aber es ist nicht zu sehen, dass jemand das aufnimmt oder jemand fragt, aber wir spielen ganz wichtig, als sei das alles ganz wichtig, und solange wir das machen, ist der andere Teil dieses Vergnügungsparks, der größere Teil, mehr als sechzig Prozent – der Park ist in zwei Teile geteilt, die man wie auf einer Karte sehen kann – »inaktiv«, also nicht in Gang setzbar, ähnlich wie manchmal auf dem Rechner irgendwelche Menüteile und womöglich ist Batoma ausgerechnet in dem Teil jetzt gerade, das Bett ist aber schon gemacht, das große für Batoma und mich, und ich fahre es um die Ecke, schiebe aber dabei Erde vor ihm her, die sich anhäuft, bis es blockiert ist, und ich kriege die glänzenden Steinchen auf dem Boden nicht los, die poliert sind wie meine Vulkansteinchen aus dem Hof und die eine Art Eintritt sind; ich sehe sie von oben, kann sie aber nicht aufheben und sammeln, ich schiebe