„Hat Dozer Sie dort rausgeholt?“
„Es wurde auch Zeit. Ich bin keine Sängerin. Solange ich mein Aussehen und meine Figur verkaufen kann, geht alles gut. Dummerweise verlangen die Leute von einer Sängerin auch noch Stimme!“
„Wer hat auf Dozer geschossen?“
„Keine Ahnung. Als ich merkte, dass der Teufel los war, kletterte ich in meinen Wagen und gab Gas. Ich habe keine Lust, mit der Polizei Bekanntschaft zu machen.“
„Dann muss Ihnen meine Gesellschaft ja unangenehm sein“, sagte ich.
„Sie werden mich doch nicht gleich auffressen?“
„Das hängt davon ab, inwieweit Sie gewillt sind, uns bei der Aufklärung einiger Verbrechen zu helfen.“
„Das können Sie haben, aber versprechen Sie sich nicht zu viel von meinen Kenntnissen. Natürlich weiß ich, dass Paul krumme Geschäfte machte, aber ich habe mich niemals um Details gekümmert“, meinte sie.
„Halten Sie da vorn, an der Ecke. Ich will rasch in den Drugstore und telefonieren, ich habe kein Handy dabei.“
„Wollen Sie Ihre Kollegen alarmieren?“
„Ja, es wird höchste Zeit.“
„Kommt es dabei auf fünf Minuten mehr oder weniger an?“, fragte Dona.
„Wieso?“
„So weit ist es bis zu meiner Wohnung. Wenn Sie wollen, können Sie von dort telefonieren.“
„Ich denke, Sie wohnen in Queens?“
Sie schüttelte den Kopf. „Das war, bevor ich Paul kennenlernte“, sagte sie.
„Sie werden verstehen, dass er mich in der Nähe haben wollte. Deshalb habe ich jetzt ein Apartment in der 66. Straße.“
„Okay“, sagte ich, „fahren wir zu Ihnen.“
„Ob er tot ist?“, fragte sie.
„Weiß ich nicht. An welcher Krankheit leidet er überhaupt?“
„Keine Ahnung. Er geht dreimal in der Woche zum Arzt. Manchmal glaube ich, er bildet sich das alles nur ein - das mit seiner Krankheit, meine ich.“
„Was wissen Sie von dem Bankraub?“
„Mir ist bekannt, dass Paul und seine Leute ein großes Ding gedreht haben, das viel Geld brachte, aber ich habe keine Ahnung, wann das war, und wer dabei mitgemacht hat. Ich kann nicht mal sagen, wie viel die Burschen kassiert haben.“
„Erwarten Sie von mir, dass ich Ihnen das glaube?“
„Na, hören Sie mal!“, meinte Dona entrüstet. „Warum sollte ich Sie wohl belügen? Mein Prinzip ist sehr einfach. Als ich Paul Dozers Geliebte wurde, war ich entschlossen, den Mist einige Monate mitzumachen und dabei abzusahnen. Alles andere interessierte mich nicht.“
Sie lenkte den Wagen in eine Parklücke. „Wir sind da.“
Als wir ausstiegen, sagte sie: „Es ist da drüben. Ich wohne im 3. Stock.“
Ich half dem Mädchen, das Wagenverdeck zu schließen, dann überquerten wir die Fahrbahn. Das Haus Nummer 68 war ein fünfzehngeschossiges Wohnhaus modernen Stils.
Wir durchquerten eine große Halle, in der ein beleuchteter Springbrunnen monoton plätscherte, und betraten dann den Lift. Im Nu waren wir im dritten Stockwerk.
Dona ging voran. Sie schob den Schlüssel in das Schloss der rot lackierten Wohnungstür und sagte: „Treten Sie ein, bitte. Die erste Tür links führt ins Wohnzimmer. Ich hoffe, Sie sind keine Ordnungsfanatikerin. Bei mir hapert es mit diesen Dingen ein wenig.“
Ich trat ein und suchte nach dem Lichtschalter. Noch ehe ich ihn entdeckte, traf mich etwas in den Nacken. Es war ein Schlag, der jedem Holzfäller Ehre gemacht hätte. Ich ging in die Knie, war aber sofort wieder auf den Beinen.
Das Licht flammte auf. Dona stand am Schalter. Ihr erschrecktes, verstörtes Gesicht verriet, dass sie von der Überraschung nichts gewusst hatte.
Der Mann, dem ich gegenüberstand, war ein alter Bekannter. Er stand in klassischer Boxhaltung vor mir und grinste, wie nur ein Mensch grinsen kann, der einem Mordsvergnügen entgegensieht.
Er war offensichtlich entschlossen, aus mir Kleinholz zu machen. Das Jackett seines Maßanzuges hatte er bereits abgelegt. Die Ärmel des weißen Oberhemdes waren hochgekrempelt, der Schlipsknoten gelockert.
„Ein reizendes Wiedersehen, nicht wahr?“, fragte er höhnisch. „Sie sind uns in der allgemeinen Aufregung entwischt, meine Liebe. Das war nicht nett von Ihnen! Glücklicherweise sahen wir Sie in letzter Sekunde mit Dona wegfahren. Ich raste sofort hinterher und überholte Sie. Auf diese Weise gelang es mir, vor Ihnen an Ort und Stelle zu sein.“
„Was ist mit Dozer?“
„Der ist mausetot“, sagte der Boxer. „Es war ein glatter Herzschuss.“
„Wer hat ihn abgegeben?“
„Hören Sie meine Liebe“, schnaufte er, noch immer in Angriffshaltung, „ich bin nicht hier, um Fragen zu beantworten. Man hat mich in Donas Wohnung geschickt, um Pauls letzten Willen zu vollziehen. Ich hätte Sie mit der Pistole erwarten und niederstrecken können. Aber das entspricht nicht meiner Auffassung von einem handfesten Vergnügen. Ich will Ihnen eine letzte Chance einräumen. Sie können sich verteidigen, Mann gegen Frau.“ Er grinste. „Aber nehmen Sie sich in acht, Hill. Ich war drei Mal hintereinander Meister in der Halbschwergewichtsklasse. Und ich habe nichts unterlassen, um in Form zu bleiben!“
Er versuchte mit einem Linkshaken durchzukommen, aber seine Faust schoss ins Leere. Ich begnügte mich nicht damit, abzutauchen. Ich konterte mit einer Geraden, die knallhart ins Ziel kam.
Der Boxer blinzelte. Er torkelte zwei Schritte zurück und sah aus wie ein Mann, der sich jäh eines bewährten Konzeptes beraubt sieht und nicht weiß, was er an dessen Stelle setzen soll. Der Moment der Unsicherheit währte nur für den Bruchteil einer Sekunde. Dann zeigte sich in seinem abgeplatteten, brutalen Gesicht der Ausdruck von Wut und Zorn. Er ging auf mich los, als sei er verpflichtet, in zwanzig Sekunden den Entscheidungstreffer herbeizuführen.
Ich ließ ihn kommen, duckte ab, konterte, ließ ihn leerlaufen und tat so ungefähr alles, um den vehementen Angriffen die Wucht zu nehmen. Ich steckte zwei oder drei harte Körpertreffer und einen weniger harten Schlag am Kinn ein. Der Boxer musste dagegen einen schmerzhaften Leberhaken und vier harte Kopftreffer kassieren. Er sah jetzt noch wütender aus als zuvor. Ihm schien zu dämmern, dass seine optimistische Kampfprognose ein wenig verfrüht abgegeben worden war.
Er versuchte immer wieder, mit einem entscheidenden Tiefschlag durchzukommen, aber die Schläge waren weit hergeholt, ich erkannte sie im Ansatz, und es kostete mich wenig Mühe, ihn abzublocken. Ich visierte ihn genau an und beendete den Kampf mit einem Leberhaken, der ihm die Luft nahm. Er verdrehte die Augen wie eine Plastikpuppe und fiel um.
Ich holte tief Luft. Erst jetzt merkte ich, dass auch an mir der Kampf nicht spurlos vorbeigegangen war. Die Sachen klebten mir am Leibe. Ich fühlte mich ziemlich ausgepumpt.
„Haben Sie...“, begann ich und drehte mich nach dem Mädchen um.
Das Wort blieb mir im Halse stecken, als ich sah, dass Sie eine Pistole in der Hand hielt.
„Legen Sie das Ding weg!“, sagte ich scharf.
Das Mädchen antwortete nicht. Sie blickte mich nur an. Ihre Augen waren sehr kalt. Sie stand auf der Schwelle des Wohnzimmers. Es war nicht schwer sich vorzustellen, dass sie die Waffe aus dem Jackett des Gangsters geholt hatte.
„Es hat keinen Zweck, Hill“, sagte sie. „Ich stecke zu tief mit drin. Ich muss abhauen. Ich muss der Organisation beweisen, dass ich nach anfänglicher Kopflosigkeit wieder zu einem verlässlichen