Er wandte den Kopf.
„Es ist verdammt heiß hier“, sagte er scharf. „Ist die Klimaanlage immer noch kaputt?“
„Ja, Sir“, ertönte eine Stimme aus dem Dunkel.
„Dann macht ein Fenster auf!“
Ich hörte das Rücken eines Stuhls, Schritte, das scharfe reißende Geräusch, das beim Öffnen eines Vorhanges entsteht und schließlich das Ruckeln eines Fensterflügels, der leicht klemmte. Augenblicklich kam eine leichte, kühle Brise ins Zimmer. Die Schritte tappten zurück. Der Mann, den ich nicht sehen konnte, setzte sich wieder.
Ich erkannte das helle Rechteck hinter dem Tisch, obwohl die Lampe mich etwas blendete. Bis zu dem Fenster waren es gute fünf Meter. Ich rechnete mir eine schwache Chance aus, dieses Fenster zu erreichen. Im Grunde brauchte ich nur in die Dunkelheit zu hechten. Solange ich dabei in der Nähe des Tisches blieb, würde keiner zu schießen wagen.
Die Sache hatte nur einen Haken, oder vielleicht auch zwei. Ich wusste, dass mich Dozers Männer genau beobachteten. Ich bezweifelte nicht, dass sie die schussbereiten Waffen in den Händen hielten und nur darauf warteten, dass ich ihnen Anlass zu einer Aktion gab, die sicherlich genau ihren Wünschen entsprach. Vermutlich stand einer von ihnen direkt neben dem Lichtschalter. Bei meiner ersten Bewegung würde ein Fingerdruck von ihm genügen, den Raum in hellstes Licht zu tauchen.
Noch während ich das Für und Wider der Aktion erwog, plätscherte Dozers wohlklingende Stimme in mein Ohr.
,,... werden Sie uns vor Ihrem Abtreten selbstverständlich davon unterrichten, wie es Ihnen gelungen ist, den guten Tom aufzuspüren?“
Ich wurde hellwach. Tom! Das konnte nur der ominöse Mr. Nelson sein!
„Ich kenne keinen Tom“, sagte ich.
„O doch, er ist einer der tüchtigsten Leute, Leiter der Außenstelle Brooklyn“, meinte Dozer. „Bis heute wohnte er dort in der Pilgrims Road.“
„Ah, der Mann mit der Whiskystimme“, sagte ich. „Wie ist er eigentlich an den CIA-Ausweis rangekommen? Wilson kennt sich mit solchen Dingen aus und lässt sich nicht so leicht bluffen.“
„Es ist eine hervorragende Fälschung“, meinte Dozer.
„Tom hat Turner ermordet, nicht wahr?“
„Er hat ihn zum Schweigen gebracht“, meinte Dozer. „So lautete sein Auftrag.“
„Warum musste Turner sterben?“, fragte ich.
Dozer lächelte. Er hatte sehr feste weiße Zähne. „Warum musste Wilson daran glauben? Warum müssen Sie sterben? Die Ursachen sind einander sehr ähnlich. Sie werden uns gefährlich so wie Wilson und Turner uns gefährlich wurden. Turner hat den Mann erkannt, der das Geld kassierte.“
„Babyfeet, nicht wahr?“
Ich beobachtete Dozer genau. Sein Gesicht war wie eine Maske. Kein Muskel zuckte darin. Aber er brauchte ziemlich lange, um eine Antwort zu finden.
„Ja, Babyfeet“, sagte er. „Weshalb soll ich Ihnen gegenüber ein Geheimnis daraus machen? Sie können es keinem mehr verraten.“
Hinter Dozer entstand Bewegung. Im nächsten Moment trat ein junges, schwarzhaariges Girl in den Lichtkreis der Lampe. Ihre kalten, grünlich schillernden Augen kreuzten nur eine Sekunde meinen Blick. Dann senkte sie die langen Wimpern und stellte ein Glas Wasser vor Dozer auf den Tisch. In dem Glas löste sie eine weiße Tablette auf. Ich sah, wie die Sauerstoffbläschen nach oben stiegen.
„Bitte“, sagte sie und verschwand.
Dozer nickte. „Danke, Baby“, murmelte er. Dann griff er nach dem Glas und kippte den Inhalt mit geschlossenen Augen hinab. Er verzog das Gesicht. Die Tablette schien ihm nicht zu schmecken. Dann stellte er das Glas beiseite. „Sind Sie jemals richtig krank gewesen?“, fragte er mich.
„Als Kind hatte ich die Masern.“
„Sehr witzig!“, meinte er bitter. „Ich hasse gesunde Menschen.“
Ich schwieg und fragte mich, ob der mystische Unsinn dieser Gerichtsverhandlung mit irgendeiner Krankheit erklärt werden konnte.
Ich blickte zum Fenster. Ich hatte Mühe, mich nicht zu verraten. Am Fenster war ein Schatten aufgetaucht! War es einer von Dozers Wächtern, die draußen ihre Runde machten? Ich kam nicht dazu, die Frage genauer zu untersuchen, denn im nächsten Augenblick zuckte genau dort, wo der Schatten war, ein grellroter Blitz auf. Er fiel zusammen mit dem Dröhnen eines Schusses. Ich war im Nu auf dem Boden, und zwar dicht neben dem Tisch.
Ich hörte aufspringende Menschen und das Fallen von Stühlen.
„Licht, verdammt nochmal, Licht!“, keuchte jemand.
Drei, vier Schüsse peitschten durch den Raum.
Instinktiv legte ich die Arme um den Kopf, aber die Schüsse schienen nicht mir zu gelten. Einer der Männer hatte sie auf das Fenster abgefeuert.
Ich robbte auf das Fenster zu. Jemand stolperte über mich.
„Hier liegt der Kerl!“, brüllte er. „Ich...“
Weiter kam er nicht.
Ich erfasste seinen, rechten Fuß und warf ihn mit einem Judogriff scharf herum. Der Mann ging zu Boden.
Dann war ich am Fenster. Dort zögerte ich keine Sekunde. Hinter mir war ziemlicher Lärm. Ich wusste nicht, ob jemand das Fenster im Auge behielt und nur darauf wartete, dass sich vor dem hellen Rechteck etwas bewegte. Ich setzte alles auf eine Karte und schwang mich über die Fensterbrüstung nach draußen. Im nächsten Moment lag ich schwer atmend auf dem kühlen, feuchten Rasen vor dem Fenster. Ich war im Freien, aber noch nicht frei.
Ich sprintete sofort los und jagte an der Hauswand entlang. Vor dem Portal standen einige Wagen. Einer davon rollte gerade los. Es war ein kleiner italienischer Flitzer, ein Lancia Cabriolet. Am Steuer des offenen Wagens saß ein Mädchen. Ihr Haar schimmerte im Licht des Sternenhimmels wie Metall.
Ich legte eine zirkusreife Nummer hin, indem ich in den fahrenden Wagen sprang und prompt auf dem Beifahrersitz landete. Das Mädchen riss den Kopf herum. Als sie mich erkannte, stieß sie einen Schrei aus. Sie trat so scharf auf die Bremse, dass ich mit dem Kopf gegen die Windschutzscheibe schlug.
„He, wie lange haben Sie schon den Führerschein?“, fragte ich und massierte die Stirn. Dann wandte ich mich um. Ich sah, dass zwei Männer aus dem Haus traten. Einer von ihnen bemerkte uns und wies mit ausgestrecktem Arm auf uns. Er schrie etwas Unverständliches.
„Fahren Sie los!“, befahl ich so scharf, dass das Mädchen zusammenzuckte und gehorchte. Wir jagten den Kiesweg hinab und ordneten uns Sekunden später in den fließenden Verkehr der Straße ein. Ich sah, dass es die Westend Avenue war.
Gedankenverloren öffnete ich das Handschuhfach. In einer Plastikhülle fand ich den Führerschein, der auf den Namen Dona Mitchell, New York, Queens, Ditmars Boulevard 88, ausgestellt war.
„Halten Sie an der nächsten Ecke“, sagte ich.
„Was haben Sie vor?“
„Eine ganze Menge“, sagte ich und warf einen Blick auf die Armbanduhr. „Es ist ja noch früh am Abend.“
„Mitternacht ist längst vorbei!“, meinte sie.
Ich grinste. „Um diese Zeit laufe ich zu meiner üblichen Hochform auf.“
„Seit wann verkehren Sie mit Dozer?“
„Seitdem ich