Die Fälle des Kommissar Benedict: 6 sehr fette Krimis in einer Bibliothek. Peter Schrenk. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Peter Schrenk
Издательство: Readbox publishing GmbH
Серия:
Жанр произведения: Зарубежные детективы
Год издания: 0
isbn: 9783745212532
Скачать книгу
habe gerade zwei Anrufe von den Stationen 4 und 5 gehabt. Da treiben sich verdächtige Personen herum. Ob wir da was unternehmen?«

      Station 4 und 5? Bauplatz Rückseite Schlosspark und Parkplatz Rheinterrassen. Benedict schaut auf das beginnende Chaos auf dem Schlossvorplatz und nickt grimmig vor sich hin.

      »Soo? Nee, nee ... sagen Sie denen man Bescheid, dass das jetzt unsere Leute sind, die da rumfallen. Ende!«

      Arvi Hattunen vom Alert Team ist alleine im Quartier der TWC-Spezialisten in Benrath, als er die Unruhe rund um das Schloss von seinem Fenster aus bemerkt.

      Sollten die Deutschen das IRA-Kommando doch noch geschnappt haben? Eilig mischt er sich unter die Gruppe der Neugierigen. Eine Kette von Bereitschaftspolizisten drängt die dunkle Menschenmasse vom Ufer des Schlossteiches auf die andere Seite der Straße hinüber. Hinter den unwillig über den Fahrdamm Zurückweichenden bauen in grünen Drillich gekleidete Ordnungskräfte Absperrgitter auf.

      Hattunen wirft einen Blick auf die Uhr am Handgelenk. Halb acht. Er muss wissen, was da vorgeht! Rücksichtslos boxt er sich durch die immer größer werdende Menschenmenge.

      In der Melliesallee ist es noch ruhig und dunkel. Sie hatten das Gelände letzte Woche eingehend erkundet: Es gab Wege. Durch Büsche hindurch klettert er über einen Zaun aus Metall, durchquert mit federnden Sätzen das hinter dem Haus liegende Gartenstück, überklettert gewandt einen nächsten Zaun und schleicht gebückt am schmalen Rand des Baches zu einem Weg am Teich. Der führt in den Park. Über das verschlossene Stahltor hangelt er als dunkler Schatten hinüber und lässt sich auf der Parkseite elastisch abrollen. Weicher Boden dämpft seinen Sprung. Er horcht in die Nacht. Aber nichts rührt sich. Nur die Bäume des Schlossparks rauschen im Wind des kühlen Vorwinterabends.

      Um 19 Uhr 40 hat der Einsatzleiter seine Streifen endlich alle an die zugewiesenen Kontrollpositionen geschickt. Nach und nach treffen die Vollzugsmeldungen der Beamten ein. Der Einsatzleiter kann jetzt erleichtert zwei Hundertschaften Bereitschaftspolizei vom Schlossplatz aus in Marsch setzen. Deren Aufgabe ist die Bildung einer lockeren Außensperrkette rund um die Sicherheitszone. Die Beamten sollen sich in Nachtsichtweite voneinander postieren und niemanden herein- oder hinauslassen, der nicht zu den Sicherheitsverantwortlichen gehört.

      Die erste Hundertschaft geht südlich über die Urdenbacher Allee vor und soll sich mit der anfangs nach Westen vorrückenden zweiten Hundertschaft dann an der Rückseite des Schlossparks auf Höhe Haus-Endt-Straße treffen. Eine dritte Hundertschaft bleibt in ihren Bussen in Reserve für den Fall, dass die Kette aufgefüllt werden muss.

      *

      Als Benedict mit den drei ISAT-Kollegen um 19 Uhr 42 auf dem Schlossplatz ankommt, trifft auch die verspätete GSG-9-Einheit endlich ein. Jetzt, da die Absperrung bald lückenlos sein wird, bereiten sich die Männer der GSG, der BKA-Sicherungsgruppe Meckenheim, des SEK, mehrere abkommandierte Beamte der Kripo Düsseldorf und die vier ISAT-Leute darauf vor, das Gelände des Schlossparks weisungsgemäß zu durchsuchen.

      In wenigen Minuten werden sich auf dem 63 Hektar großen Gelände des Benrather Schlossparks folgende Gruppen mit höchst unterschiedlichen Absichten befinden: zwei irische Terroristen im äußersten Südteil am Rande des Parks, um die letzten Vorbereitungen für den geplanten Anschlag zu treffen; sechzehn schwer bewaffnete Angehörige der englischen Anti-Terroreinheit Special Air Service, die von der Westecke des Gebietes aus in lockerer Linie das Gelände durchkämmen, um die Terroristen aufzuspüren; ein söldnerähnlicher Killer aus Finnland im speziellen Auftrag einer Bundesbehörde Richtung Spiegelweiher schleichend, um herauszufinden, was hier überhaupt vorgeht; fünf unterschiedliche Gruppen der deutschen Sicherungskräfte, die strahlenförmig vom Hauptschloss in das mit Buchen und Eichen bestandene Gelände vorstoßen, um die hektischen Anweisungen eines in Panik geratenen Innenministers auszuführen.

      Von den hier befindlichen Leuten haben nur ungefähr die Hälfte eine genauere Kenntnis des Geländes — bei Tageslicht. Die andere Hälfte hält sich zu dieser Zeit erstmals hier auf — bei Nacht.

      Mumpitz, denkt Hauptkommissar Benedict und spricht den abgeschlafften Einsatzleiter mürrisch an. »Halten Sie das eigentlich für sinnvoll? Im Dunkeln rumzusuchen?«

      »Mann, nerven Sie mich jetzt nicht auch noch! Im Einsatzbefehl steht, dass das Gelände ohne Einsatz von Leuchtmitteln abzusuchen ist, um mögliche Straftäter nicht zu warnen.«

      Benedict kratzt sich verärgert am Kopf.

      »Aber es gibt ein Losungswort. Damit ihr euch nicht gegenseitig über den Haufen schießt. Meisterschale! Möchte wissen, wer sich so was immer einfallen lässt. Meisterschale!«

      Die ersten Beamten des Suchkommandos verlassen den Schlossvorplatz, während sich die linke Zangenhälfte der Absperrhundertschaft auf den Eingang der Orangerie zubewegt. In gut fünf Minuten wird sie bei gleichem Marschtempo die als Deckung zurückgebliebene Führerin des IRA-Kommandos erreichen.

      Mit einem kräftigen Schlag hämmert South die letzten Steigkrampen in den dicken Baumstamm. Als er sich schweißgebadet aufrichtet, um nach einem der beiden Behälter zu greifen, wird ihm klar, dass hier etwas nicht in Ordnung ist. Die schon während der letzten Minuten in sein Unterbewusstsein gedrungenen Geräusche verdichten sich jetzt und signalisieren Gefahr. Auch Donahue steht lauernd still, das dunkle Gesicht dem Schlossgebäude zugewandt. Die kalte Nachtluft ist plötzlich erfüllt von schwachen Geräuschen. Keines davon gehört zu einer normalen Novembernacht in einem menschenleeren Park. Hinter der die Sicht versperrenden Front des Hauptschlosses flackert blauer Feuerschein. In einiger Entfernung werden Türen zugeschlagen, gedämpft durch Mauern und Bäume. Kurze Kommandotöne wehen von der Straße herüber. In das gleichmäßige Rauschen der Bäume mischt sich plötzlich das Krachen eines Astes, Laub raschelt unter der Last eines schweren Tieres. Umrisse von Schatten huschen auf den Wegen in der Nähe des langen Weihers. Enten, zu früh aus dem Schlaf geweckt, beginnen leise zu schnattern. Etwas platscht in eben noch spiegelglattes Wasser. Alles stimmt nicht mehr.

      South gibt seinem horchenden Kameraden einen kräftigen Stoß und drückt ihn in Richtung Schlossbach, dorthin, wo ihre Fluchtleine befestigt ist. Hastig heben sie die schweren Behälter auf die Schultern. Sie haben keine Zeit mehr, verdächtiges Klappern zu verhindern.

      Der Mann von der Sicherungsgruppe ist ein kampferprobter Hase. Obwohl erst 28 Jahre alt, hat er schon viele Einsätze hinter sich. Dabei hat sich bei ihm ein Gespür für lauernde Gefahren herausgebildet. Diese Ahnung setzt sich bei dem leise zwischen den Bäumen schleichenden Beamten seit einigen Sekunden irgendwo zwischen Nacken und Hirnschale fest. Seine Hand geht zur Pistole, die er vorsichtig entsichert. Dann kommt alles sehr überraschend.

      Er tritt erschrocken mit dem rechten Fuß auf etwas Weiches und sieht einen großen Schatten vor sich aufspringen und fühlt mehr, als er es in der Finsternis erkennen kann, den herannahenden Schlag. Er fällt wie vom Blitz getroffen auf den Boden. Der SAS-Offizier, eingedenk der vorherigen Warnungen, hat die lautlose Taktik des malaysischen Dschungelkrieges angewandt. In schnellen Sprüngen will er sich elastisch aus der Reichweite des fallenden Gegners zurückziehen, da ...

      *

      Benedict hat sich von den drei Kollegen getrennt und geht lieber auf einem der sandigen Parkwege, der ihn parallel zur Melliesallee wieder an das entgegengesetzte Parkende führen soll. Hier könnte man ihn wenigstens halbwegs schon von Weitem sehen. Nach seiner ersten Verärgerung haben aber mittlerweile wieder die eisigen Drillinge in seinem Rücken boshaft Oberhand gewonnen. Er fühlt Schweiß auf der Stirn, den der eiskalte Nachtwind fast zu Raureif gefrieren lässt. Ist da nicht ein Schatten zwischen den Bäumen? Knackt dort nicht ein Ast? Unsicher tastet er nach der Pistole. Da hört er den Schuss.

      Ein zuckender Muskelreflex reißt seinen Arm mit der Leuchtzifferuhr vor das Gesicht: 19 Uhr 47.

      Der Knall des Schusses, ausgelöst von der entsicherten Pistole des zu Boden