Die Fälle des Kommissar Benedict: 6 sehr fette Krimis in einer Bibliothek. Peter Schrenk. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Peter Schrenk
Издательство: Readbox publishing GmbH
Серия:
Жанр произведения: Зарубежные детективы
Год издания: 0
isbn: 9783745212532
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Leute auftreiben. Aus der Großaktion wird so eine allgemeine Fahrzeugkontrolle mit wechselnden Standorten. Die wenigen Einsatzkräfte wechseln nach jeweils zwanzig Minuten die Kontroll-Standorte, um an der nächsten Ausfallstraße aufzutauchen. Düssel 40-4 und 20-1 befinden sich um 22 Uhr 10 am Standort Baumberger Weg, den sie gegen 22 Uhr 30 wieder abbauen werden. Nächster Standort auf dem Einsatzplan für die Beamten in Streifenwagen und VW-Bus wird der Kontrollpunkt auf dem Waldparkplatz hinter der Autobahnbrücke an der Hildener Straße sein.

      Auf diesem Parkplatz steht seit 21 Uhr bereits ein VW-Bus mit ausgeschalteten Scheinwerfern und verhangenen Fenstern.

      *

      Wenn der immer hinten durch den Garten über den Zaun abgehauen ist, dann ist klar, dass Mutter Helbig davon nichts mitbekommen hat. Vielleicht hat sie also nicht mal eine bewusste Falschaussage gemacht. Will der heute noch nach Köln?

      Aber an der Abfahrt Garath verlässt der Motorradfahrer die Autobahn und biegt auf die Schnellstraße Richtung Benrath. Hier kennt sich Ganser aus. Da war er mal lange zu Hause.

      Der Mann vor ihm biegt am Bahnhof Benrath von der zweispurigen Schnellstraße ab, fährt unter der in Tunnelbeton gekleideten Straße nach links und wieder nach links auf die stadtauswärts führende Hildener Straße. Will der etwa zu Madeleine, denkt Ganser noch amüsiert. Da fällt ihm ein, dass hier die Geschichte mit den beiden Jungs aus der Disco passiert ist, und der Spaß vergeht ihm schnell wieder. Als könnte der Mann vor ihm Gansers Gedanken lesen, lenkt er die Maschine in einem engen Bogen quer über die Straße und fährt vor dem Yuppi Du auf den Bürgersteig. Während Ganser langsam vorbeifährt und in die Schimmelpfennigstraße abbiegt, sieht er im Seitenspiegel die Scheinwerfer des Motorrades verlöschen und den Fahrer absteigen. Einige Sekunden wartet er noch in dem dunklen Fahrzeug und versucht, die Ursache für das mulmige Gefühl festzustellen, das ihn immer stärker bedrängt. Liegt es an den vielen Erinnerungen, die in diesem Moment, als er auf die frühere gemeinsame Wohnung blickt, in ihm hochkommen? Oder an der Gefahr, die von diesem Ort auszugehen scheint, wie von den Flimmerhärchen einer auf den Felsen der Tiefsee lauernden Pflanze?

      Als er endlich aus dem Wagen steigt und drückende Benrather Feuchtluft inhaliert, die mit etwas Leverkusen angereichert ist, kann er sie fast auf der Haut spüren: die Vibrationen unsichtbar drohender Gefahr.

      »Eh, Alter! Lange nich' mehr gesehen!«

      Einige der früheren Kumpels kennen ihn noch. Hatten früher sogar Fußball zusammen gespielt. Auf der Bezirkssportanlage an der Bayreuther Straße. Typischer Mittwochsbetrieb. Auch mit Madeleine war er oft hier gewesen. Sie hatten sich ausgetobt, so wie die jungen Leute heute. Mittwochs, freitags, samstags, die dröhnenden Disco-Nächte. Schwoof und Anmache, bis was geht. Und etwas geht immer.

      Ganser kämpft sich durch das Gewühle bis zur Theke durch und bestellt ein Bier.

      Mit dem Glas in der Hand dreht er sich zur Tanzfläche und lehnt sich mit dem Rücken zur Theke. Dicht gedrängt stehen sie auch hier. Aus den Augenwinkeln bemerkt er flüchtig ein ihm bekannt vorkommendes Gesicht, slawische Züge unter glattem Blondhaar. Und da! Inmitten der Tanzenden. Sein Mann. Michael Helbig. Der hat sich in der kurzen Zeit schon was Heißes gegriffen. Verliert keine Zeit, der Junge. Eine typische Discomieze, knapper Lederrock, schwarze Netzstrümpfe, enge Bluse, und über dem breiten Lächeln thront eine lila Perücke. Bei ihm scheint der alte Schwung allerdings dahin zu sein. Früher wäre er auf so was auch noch abgefahren, heute lässt ihn das kalt.

      Die Bewegungen der Tänzerin, lockend und wiegend in den Hüften, kommen ihm eigenartig vertraut vor. Woher aber sollte er die wohl kennen? Scheint heute so ein Tag zu sein. Genau wie mit dem Mann, der da an der Theke steht und ihm jetzt seinen muskulösen Rücken zuwendet.

      Schon nach dem vierten Tanz verlässt Michael Helbig mit der Perückenschönheit die Tanzfläche. Er führt das Mädchen in den hochhackigen Lackpumps zielsicher zum Ausgang.

      Wieder wartet Ganser vorsichtig einige Minuten ab. Dann drängt er sich durch die laute Menge hindurch. Er schiebt einen im Wege Stehenden zur Seite, tritt dessen Mädchen auf die Füße, strauchelt über die langen Beine einer anderen.

      »Du tickst doch wohl nicht sauber!«, hört er eine wütende Stimme und fühlt eine Hand, die ihn an der Schulter aufhält. Das zu der Stimme gehörende Gesicht, von Alkohol und Wut gerötet, taucht dicht vor seinem Kopf auf. Der Kriminalhauptmeister legt dem Brüllenden beruhigend die Hand auf den Arm. Aber die Fee hat sich für heute schlafen gelegt. Das Glück des Kriminalhauptmeisters Ganser ist vorbei. Schmerzhaft knallt ein harter Faustschlag an sein Ohr. Ein Knie trifft ihn von hinten am Oberschenkel. Er strauchelt nach vorn.

      »Der Sack ist meiner Perle an die Wäsche gegangen!«, heult die Stimme über ihm. Füße, die treten. Hände, die ihn hochzuzerren versuchen. Er greift nach der Waffe in der Jackentasche.

      Ein kräftiger Arm hält seine Hand fest. Sehr hellblaue Augen drohen kalt über breiten Wangenknochen. Der Blonde schüttelt warnend den Kopf. Als ein weiterer Faustschlag Gansers Lippen zum Platzen bringt und er warmes Blut auf der Zunge schmeckt, sagt der blonde Mann sehr ruhig inmitten des Tumults: »Es langt jetzt! Ich schmeiße ihn raus!«

      Das Mädchen mit den lila Haaren wendet sich sofort nach links. Sie drängt ihren Körper an den Mann in der Lederjacke und sagt heiser: »Ich habe mein Auto auf dem Parkplatz am Stadtwald stehen!« Der aber lässt sich von den Lockungen der Nachtschönen nicht verwirren. »Wir gehen lieber da hoch!« Fest wie eine Klammer ist der Griff seiner Hand an ihrem Ellenbogen, und sie folgt nach anfänglichem Zögern.

      Von einem lustigen Spaziergang an frischer Luft ist keine Rede mehr. Die Schritte des Mannes werden schneller und schneller, als er sie an der Trinkhalle vorbei Richtung Telleringstraße zieht. Ihre Füße in den gelackten Tanzschuhen stolpern hilflos über das Pflaster, fast schleift sie der Ledermann im Klammergriff.

      »Au, Mensch, du tust mir doch weh!«, versucht sie den schweigenden Bann zu brechen. Aber das Wesen an ihrer Seite sieht vor sich nur noch das Ende der Straße im Dunkel.

      »Lass uns doch was reden!«, drängt sie. Hinter der Tünche bislang nur gespielter Panik schimmern erste wirkliche Ängste hindurch.

      Der Mann mit der Frau im Arm hat sein Ziel fast erreicht. Mit einem Keuchen presst er die Widerstrebende an die Wand. Über ihnen dröhnt ein später Intercity vorbei. Jetzt beginnt sich die Frau zu wehren. Sie stachelt den Mann zu gefährlicher Wut an.

      Dies ist das Feld der letzten Schlacht! Hier werde ich meine Brüder rächen! Mit dem Schwerte Joy! Jetzt!

      »Jetzt! Jetzt!!! Je...«

      *

      »Hör dir das mal an! Die haben ja Funk im Wagen!«

      Neugierig tritt der Polizist mit der Maschinenpistole näher. Barsch macht er dann eine schwankende Bewegung mit dem kurzen Lauf der Waffe. »Steigen Sie aus, alle!«

      Aus dem mit Gardinen verhangenen VW-Bus, den die Beamten bei der Auffahrt auf den Kontrollpunkt am Waldparkplatz Hildener Straße zufällig vorgefunden haben, steigen sechs vermummte Gestalten.

      »Hände hoch und an das Wagendach damit!«, bellt eine zweite Stimme alarmiert aus dem Dunkel. Die im Einsatzbus sitzenden Beamten springen mit ihren Waffen im Anschlag heraus und umstellen die Gruppe am VW-Bus. Die Frau am Steuer, die als einzige kein Tuch vor dem Gesicht hat, steigt vom Fahrersitz herunter. In den erhobenen Händen hält sie ihre Papiere.

      Ein weiterer Beamter sieht sich jetzt die Fahrerkabine von innen an. Er stößt nach wenigen Sekunden einen lauten Pfiff aus. »Na, seht euch das mal an!« Als er herausspringt, hält er einen länglichen Kasten in der Hand und geht damit zu der wartenden Fahrerin hinüber. »Das hier ist ein Polizeifunkgerät! Können Sie mir das erklären?«

      Die Frau starrt mit abwesendem Blick auf das nur noch leise rauschende