Um 17 Uhr 33 landet die in Lyneham gestartete Transportmaschine auf dem Flughafen Düsseldorf-Lohausen. Sie wird sofort von einem Marshal der Royal Military Police auf eine unbeleuchtete Position am Rande des Vorfeldes dirigiert.
An der Spitze seines Pelotons springt Colonel Rupert D. Smites aus der Transportmaschine. Drei große Metallcontainer werden von den SAS-Männern aus dem Bauch der Maschine, deren Propeller noch langsam nachdrehen, auf zwei bereitstehende Militär-LKWs geladen.
Über eine Rampe im Heck der Maschine rollen drei schwere Limousinen auf den Vorfeldbeton. Die Türen der gepanzerten Spezialfahrzeuge schlagen mit sattem Knallen zu. Der kleine Wagenkonvoi setzt sich hinter den vorausfahrenden LKW in Bewegung.
18 Uhr 10 biegt der Konvoi, von der Bonner Landstraße kommend, in die Straße Benrather Schlossufer ein. Kurz bevor das kleine Einbahnstück in spitzem Winkel auf die beginnende Pigageallee trifft, verteilen sich die Limousinen auf freie Parkplätze am rechten Rand der Fahrbahn. Die beiden LKWs ziehen vorbei auf die Rheinuferwiese und löschen die Scheinwerfer. Es ist ruhig auf diesem wenig befahrenen Teilstück am Rheinufer. In der Strommitte tuckert ein Schlepper Richtung Zons.
Colonel Smites sammelt seine Leute am ersten LKW. Vor einem der aufgeklappten Container bereitet ein schmaler Zivilist das PRC 319 für den Empfangs-und-Sende-Betrieb vor. Aus den anderen Containern versorgen sich die SAS-Männer mit GPV-25-Panzerwesten und dem AC-100-Spezialhelm mit Atemfilter und integriertem CT-100-Sprechfunkgerät. MP 5 oder Remington 870 komplettieren die Bewaffnung.
Nachdem der Trupp nochmals kurz eingewiesen worden ist, setzt er sich lautlos in Marsch. Unter gegenseitiger Deckung überqueren sie das belebtere Anschlussstück der Straße und sammeln sich erneut auf einem mit Bäumen bestandenen Parkplatz. Die Lichter des Club-Restaurants der Ruder-Gesellschaft Benrath reichen nicht zu ihrem Sammelpunkt. Die Gäste an den Tischen ahnen nichts von dem geheimnisvollen Treiben in wenigen Meter Entfernung.
An einem Drahtzaun werden sie verabredungsgemäß von zwei englischen IntCorps-Männern erwartet. Diese sind am Nachmittag vom englischen Verbindungsoffizier beim Krisenstab des Innenministeriums über die Lage der ISAT-Beobachtungsposten informiert worden. Sie hatten den Auftrag, für das erwartete SAS-Kommando einen sicheren Weg in den Schlosspark vorzubereiten.
Schon bei Anbruch der Dunkelheit haben sie das verschlossene Eisentor in dem Drahtzaun neben dem Tennisplatz gewaltsam geöffnet. Ebenso sind sie mit dem Tor im Zaun auf der anderen Seite des roten Kunststoffplatzes verfahren. Über den dahinter fließenden Schlossbach haben sie eine aus zusammenschiebbaren Aluminiumteilen bestehende Stegbrücke gelegt.
Jetzt führen sie die Männer des SAS-Pelotons schweigend zu dem vorher geölten Tor. Als die Kampfgruppe vorsichtig über die Metallschienen über dem Bach gleitet, verschwinden die beiden IntCorps-Männer. Morgen früh werden sie kurz vor Tagesanbruch ihre Kameraden erwarten, die Brücke abbauen und die Tore wieder sorgfältig verschließen.
Ein schwacher Wind bewegt die Äste der Parkbäume. Im Club-Restaurant stößt ein verliebtes Sportlerpärchen mit Sekt an. Heute Nacht soll es Frost geben.
Es ist 18 Uhr 55.
Die Königlichen Hoheiten bewegen sich an Bord einer Maschine der Royal Air Force auf die kleine Stadt Bonn am Rhein zu.
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Um diese Zeit verlassen die drei Mitglieder des irischen Kommandos ihr Ausweichquartier im Düsseldorfer Norden zur letzten Vorbereitungsphase der Operation Berlin.
Bevor die strengen Sicherheitsmaßnahmen am Vortag des Donnerstag-Empfanges auf Schloss Benrath in Kraft treten werden, wollen General Munroe, Donahue und South noch verschiedene Vorbereitungen am Einsatzort treffen, die während und nach der Operation für zusätzliche Verwirrung bei den Sicherungskräften sorgen sollen. Dazu zählen unter anderem die Anbringung einer großen Sprengladung an den Gleisen der Bahnstrecke Düsseldorf-Köln auf Höhe Bahnhof Benrath, das Abstellen eines präparierten Sprengstoffwagens auf einem großen Parkplatz an der Börchemstraße sowie die Installation mehrerer Rauchminen an ausgewählten Punkten des Schlossparkgeländes.
Der technisch schwierige Teil dieser Vorbereitungsphase wird bei Sean South liegen, der sicherstellen muss, dass die neun Einheiten bei Auslösung des Multifunkimpulses gleichzeitig detonieren. Unter den gegebenen Verhältnissen keine einfache Arbeit für den Bomber des Kommandos.
Weiterhin muss der große Baum am Stirnende des Spiegelweihers vorbereitet werden. Diesen Baum, der mit seinen gewaltigen Ästen in gerader Schusslinie zu dem am Südende liegenden Kuppelsaal des Schlosses steht, hat sich Donahue gleich bei seiner ersten Begehung als Hochposition ausgesucht. Von da aus, so haben erste Versuche mit einem Feldstecher ergeben, würde er die an der Tafel sitzenden Staatsgäste mit seinem Steyr-Mannlicher-Präzisionsgewehr zur Not auch noch erledigen können. Aber das sollte bei normalem Ablauf der Operation nicht mehr erforderlich sein. Die verdeckten Steigklammern müssen an dem glatten Unterteil des hohen Stammes angebracht werden, damit Donahue schon auf seiner Position ist, wenn die Masse der Sicherheitskräfte das Gelände bevölkert. General Munroe weiß, dass dieser Teil der Operation Berlin zu den schwierigsten Abschnitten zählt, gefährlicher noch als die eigentliche Operation, denn jetzt, so kurz vor dem Abschluss noch entdeckt zu werden ... aber daran will die Planerin und Führerin des Kommandos nicht denken, als sie South und Donahue den Befehl zum Abmarsch gibt.
Es ist dunkel genug.
Die Uhr am Armaturenbrett des Pickup zeigt 18 Uhr an.
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Das beigebraune Motorhome mit den niederländischen Kennzeichen steht seit knapp zwei Wochen in der ersten Parkbucht auf der linken Seite der Erich-Müller-Straße. Genau gesagt steht das drei normale Parkplätze einnehmende Gefährt seit exakt dem Tag an dieser Stelle, an dem die Beobachtungskameras von ISAT ihre geheimnisvolle Tätigkeit aufnahmen.
Hauptkommissar Benedict nahm zu diesem Zeitpunkt Jerry Harts Vorschlag, sein Hobbygefährt sozusagen als vorgeschobenes Feldhauptquartier des ISAT einzusetzen, sofort und gerne an. Und bis heute haben vom Vorhandensein dieser zweiten Operationszentrale auch die Leute des Krisenstabes im Innenministerium keine Kenntnis erhalten. Nur Liszt und Herrmann wissen, wo die vier Chefs sich wirklich aufhalten, wenn sie nirgendwo sonst zu finden sind.
Benedict staunt nicht schlecht, als er das Freizeitgefährt des Engländers zum ersten Mal betritt. Verborgen hinter einer abklappbaren Holzkonsole befinden sich neben einem Plessey-Hochleistungsfunkgerät ein Funktelefon, ein Bildschirm und mehrere andere elektronische Einrichtungen, über deren Funktion sich der S.I.B.-Captain nicht weiter auslassen will.
»Ein very sophisticated stereo equipment!«, antwortet er auf die entsprechende Frage des Hauptkommissars scherzhaft und lässt es dabei bewenden.
Ein großes, dunkel getöntes Fenster im Heck des Motorhomes erlaubt den ungehinderten Ausblick auf die Front des Benrather Schlosses und den davor liegenden Schlossteich mit der Fontäne. Von draußen sind neugierige Blicke durch die dunklen Scheiben nicht möglich. Manch ein vorbeigehender Passant mochte sich wundern über die holländischen Touristen um diese Jahreszeit. Aber die sind eben so, die Holländer.
Je näher der Tag des Eintreffens der Staatsgäste rückt, desto öfter zieht es die vier ISAT-Verantwortlichen zu ihrem vorgeschobenen Beobachtungsposten. Auch an diesem Montagabend hat es sie nicht mehr im >Weißen Haus< gehalten. Immer wieder