Die beiden Männer hatten keine Zeit, die zahlreichen Eindrücke zu verarbeiten und einzuordnen, denn schon kam Bewegung in einen sinnverwirrenden Mechanismus, eine bizarre, Roboterkonstruktion von über zwei Metern Größe, die zu beschreiben den Männern Zeit und Worte fehlten.
»Unglaublich ...«, entfuhr es dem I. O. als er die näher kommende Maschine in Augenschein nahm. Anstelle eines Kopfes hatte sie ein Konglomerat von zylinderartigen Fortsätzen. Augen ließen sich auch keine erkennen. Dennoch, Eli Jannik fühlte, dass sie sich ihrer Anwesenheit bewusst schien. Und als sie sechs vielgelenkige Arme hob und mit gespreizten Endgliedern in Richtung des Gleiters streckte, erkannte er mit plötzlich aufkeimender Unruhe, dass sie in allergrößter Gefahr schwebten.
Doch für eine wie auch immer geartete Gegenwehr war es längst zu spät.
Noch während er den Mund öffnete, um eine Warnung auszustoßen, lösten sich zuckende Blitze aus den »Fingern« des Robotermonstrums, drangen durch die Schutzschirme und setzten den Gleiter unter Strom.
Es war, als jage ein Impuls aus glutflüssigem Metall durch Janniks Körper, der sämtliche Nervenenden in Brand setzte. Der Schmerz war von einer bislang nie gekannten Intensität und brachte ihn dazu, seine Pein lauthals hinauszuschreien.
Er fühlte noch einen Stoß, und in einer letzten, verschwommenen Einschätzung seiner Sinneseindrücke, die ihn durch all den Schmerz erreichten, hörte er Tom Hardt ebenfalls aufschreien.
6.
In der Zentrale der PENDORA wandte Enno Rykher sich an seinen Dritten Offizier.
»Status des Gleiters, Mister Jagger?«
»Ziel so gut wie erreicht, Kapitän«, verkündete der Ortungsspezialist. »Er ist drin.«
«Gut. Ich ...« Unvermittelt fiel die visuelle Übertragung aus, nur die Audiophase stand noch, wie die Instrumente zeigten.«Was ist denn jetzt?« Der Colonel verzog unmutig das Gesicht.
»Ach herrje!« Einer der Ortungstechniker setzte sich gerade auf.
»Verflixt!«, murmelte ein anderer.
»Nummer Drei«, sagte der Colonel scharf und laut, »was ist los?«
»Kann ich nicht sagen, Kommandant«, gestand der Ortungsoffizier.
In der Zentrale war gerade noch zu hören, wie Oberst Eli Jannik »Unglaublich ...!«, stöhnte.
Dann erfolgte ein grässlicher Schrei aus zwei Kehlen.
Und mit dem Schrei erlosch das Signal des Gleiters auf sämtlichen Ortungseinrichtungen der PENDORA.
Der Skipper sog den Atem durch die Zähne und versuchte, mit dieser unerwarteten Situation fertigzuwerden, während jeder in der Zentrale auf eine Reaktion von ihm wartete.
Die kam binnen weniger Sekunden.
»Mister Gard!«
»Sir?«
Kopilot Gerry Gard saß vor seiner Steuerkonsole wie auf dem Sprung.
»Wir verlassen unsere gegenwärtige Position. Nehmen Sie Kurs auf die Hochebene. Volle Beschleunigung!«
Keine vierzig Sekunden waren vergangen, seit der Gleiter mit Jannik und Hardt von den Ortungsschirmen verschwunden war – und schon erreichte die PENDORA das Plateau und landete im Schutz ihrer Schirme tausend Meter entfernt vor der Kaverne.
Sanft wie eine Feder setzte der Forschungskreuzer auf dem felsigen Boden auf. Das Konkav des vier mal vier Meter messenden Frontschirms zeigte einen Panoramablick auf die Umgebung.
Rykher nickte seinem Dritten Offizier zu. »Mister Jagger, etwas zu sehen, das uns Überraschungen bescheren könnte?«
»Nichts, Kapitän«, verkündete Art Jagger, »die Mesa ist leer.«
»Was ist mit dem Gleiter? Können Sie ihn erfassen?«
»Tut mir leid, Sir«, bedauerte der Major und fuhr sich mit der Rechten durch seinen blonden Haarschopf, »wir können zwar die Kaverne und ihre ungefähre Ausdehnung erfassen, der Gleiter selbst ist überraschenderweise nicht zu orten.«
Der Skipper runzelte die Stirn. »Gibt es einen Grund dafür?«
»Unbekannt, Sir«, gestand Jagger unumwunden. Seine Miene drückte aus, dass er ebenso überrascht über das Nichtzustandekommen eines Kontakts war wie wohl die meisten in der Zentrale. Er zögerte einen Moment, dann fügte er hinzu: »Es scheint, als verhindere ein Dämpfungsfeld eine genauere Erfassung.«
»Ausdehnung?«
»Es reicht ziemlich weit in den Berg hinein, Sir.«
»Anzeichen von Energien?«
«Es scheint da ein Reaktor mit erheblicher Leistung zu existieren.«
»Hmm ...« Die senkrechte Falte über Rykhers Nasenwurzel vertiefte sich. »Versuchen Sie, den Oberst über Hyperfunk zu kontaktieren. Wir müssen wissen, was vorgefallen ist.«
»Aye, Sir. Sofort.«
Hyperfunk brachte kein Ergebnis; trotz intensivster Bemühungen der Funkzentrale, antworteten weder Oberst Jannik noch Oberleutnant Hardt auf die Rufe der PENDORA.
»Dies ist etwas merkwürdig«, brachte es Major Tore le Blanc auf den Punkt. »Was kann da passiert sein?«
Enno Rykher fuhr seinen Sessel zurück, umfasste die Armlehnen mit einem Griff, der die Fingerknöchel weiß werden ließ, und starrte auf den Hauptschirm, als könne der ihm das Rätsel der unterbrochenen Verbindung zum Gleiter verraten. Schließlich sagte er: »Finden wir es heraus, Nummer Drei, senden Sie auf der normalen Funkfrequenz ...«
*
Der Oberst kam zu sich.
Er wusste nicht genau weshalb, aber er hatte das Empfinden, an einem Stromkreis angeschlossen zu sein, der jeden einzelnen Nerv in seinem Körper unter Spannung hielt.
Stromkreis? Spannung? Elektrische Spannung? Natürlich! Von einer Sekunde zur anderen kehrte die Erinnerung zurück: der Angriff des Roboters ... der unsägliche Schmerz ... die Ohnmacht ... Und? Genau, er war nicht mehr im Gleiter, sondern lag mit dem Rücken auf hartem Boden, ziemlich weit über sich eine Decke aus Gestein.
Die Kaverne!
Ächzend wie ein alter Mann setzte er sich auf. Wie viel Zeit vergangen war, seit dieser bizarre Roboter mit seinem Blitzgewitter ihn und seine Männer ins Land der Träume geschickt hatte, vermochte er nicht zu sagen, da sein letzter Blick auf einen Zeitgeber schon etwas länger zurücklag. Vielleicht eine Minute, vielleicht zehn – vielleicht aber auch wesentlich weniger.
Dann ein neuer Laut.
Ein Laut aus menschlicher Kehle.
Gerade rappelte sich der zur Besinnung gekommene Oberleutnant auf.
»He, sind Sie in Ordnung?«, erkundigte sich Eli Jannik mit belegter Stimme.
Hardt nickte steif. Mit zusammengekniffenen Augen orientierte er sich. »Teufel auch«, stieß er hervor und grinste verzerrt, »so viel zur Unverwundbarkeit unserer Schilde. Einen schnelleren Blackout habe ich selten erlebt!«
»In der Tat«, bestätigte Jannik und kam auf die Beine. Unwillkürlich tastete er nach seiner Waffe. Sie war vorhanden! Heureka! Offenbar hatte man nicht ihre Bedeutung erkannt.
»Das ist gut«, murmelte Jannik. Seine Blicke schweiften durch die weitläufige Kaverne. Sie war bevölkert von mechanischen Geschöpfen, die zu beschreiben der menschlichen Ausdruckskraft die Worte fehlten. Maschinen, völlig ungewöhnlich im Aussehen und Funktion, bauten andere Maschinen. Vielgliedrige Einheiten, die herumsprangen und Dinge verrichteten,