»Ich find die Idee irgendwie … sexy …«
Ich war verblüfft. »Du denkst gerade an Sex?«
»Natürlich nicht, du Idiot.«
»Aber du hast doch gesagt, dass …«
»Lass uns wieder reingehen, Nicolas.«
Wir gingen wieder rein.
»Wir machen das zusammen«, verkündete ich, kaum dass wir den Raum betreten hatten.
»Wie meint ihr das?«, fragte Schranz.
»Helen und ich werden den verdeckten Einsatz zusammen durchführen.«
»Und wenn die gar keine Frauen in ihren Reihen haben?«, wandte Kerni ein.
»Also bitte«, schnaubte Helen ungehalten.
»Nein, ich meine das ganz ernsthaft. Wir wissen bislang nur von ehemaligen Soldaten, Männern anderer Spezialeinheiten und Polizisten. Nicht ein einziges Mal wurde erwähnt, dass auch Frauen darunter sind. Was, wenn die keine Frauen wollen? Was, wenn das ein eingeschworener Männerclub ist?«
»Das würde unsere Chancen, Nicolas dort einzuschleusen, erheblich gefährden«, sagte Schranz.
»Wie bitte?«
Schranz sah mich an, wiederholte wohl im Kopf den Satz, den er gerade gesagt hatte und lief rot an. »Ich meinte natürlich, dass es dann sehr schwer werden würde, Helen dort einzuschleusen.«
Ich nickte ihm gönnerhaft zu.
»Und wenn doch Frauen zugelassen sind, kann ich dich immer noch mit ins Boot holen«, fügte ich hinzu.
Helen holte Luft, um mir zu sagen, wie blöd sie meinen Vorschlag fand, aber ich kam ihr zuvor. »Ich weiß, die Idee gefällt dir nicht. Aber uns bleibt keine andere Wahl. Ich verspreche dir hoch und heilig, dass ich dich dazuhole, sobald ich weiß, dass das geht.«
Ihr gefiel der Gedanke nicht, das war ihr deutlich anzusehen. Aber sie gab schließlich nach.
»Wann ist die Talkshow?«, wollte ich wissen.
»Morgen Abend um zwanzig Uhr«, sagte Schranz ohne jede Begeisterung.
15
»Die Menschen haben Angst.«
Gisbert Kuhlmann
Einlass zur Talkshow war ab achtzehn Uhr. Ich war pünktlich und nahm in der vordersten Reihe des Atriums Platz. Links von mir saß eine Frau mittleren Alters, grell geschminkt und offenbar auf Krawall gebürstet. Rechts neben mir nahm ein älterer Herr Platz, der unmittelbar, nachdem er sich gesetzt hatte, einschlief.
Es dauerte wenige Minuten, da waren alle Plätze besetzt.
Weiß der Geier, wie Schranz es geschafft hat, eine Karte für mich zu besorgen.
Eine junge Frau betrat eine halbe Stunde vor Beginn der Show die halbrunde Bühne und gab uns Instruktionen. Sobald der Moderator erschien, sollten wir klatschten, als wären wir alle wahnsinnig und bekämen Geld dafür. Na gut, ein bisschen würde ich mitmachen.
Wir sollten auf Zwischenrufe verzichten.
Wenn wir uns zu Wort melden wollten, sollten wir nicht gleich losplappern, sondern warten, bis uns ein Hiwi das Mikro in den Hals gesteckt hatte. Dann sollten wir langsam und deutlich unsere Frage formulieren. Worte wie »Scheiße« oder so sollten darin übrigens nicht vorkommen.
Wenn wir auf unsere langsam und deutlich formulierte Frage, in der Schimpfworte nicht vorkamen, eine Antwort erhielten, war eine weitere Nachfrage erlaubt.
Auch für diese galt dieselbe Regel.
So weit, so gut.
Die Dame mit der Kriegsbemalung neben mir hatte sich tatsächlich Notizen gemacht.
Du meine Güte …
Dann ging es auch schon los und ich merkte, dass ich besser vorher aufs Klo gegangen wäre.
Gisbert Kuhlmann hatte seinen Auftritt und die Meute geriet in Ekstase.
Der Typ sah aus wie die Karikatur von David Hasselhoff. Groß, gebräunt und mit einem Lächeln, das einmal um seinen Kopf zu gehen schien. Selbst aus sechs Metern Entfernung konnte ich erkennen, dass er ein kleines Vermögen für die Implantate bezahlt haben musste. Als ich mich zu lediglich verhaltenem Applaus durchringen konnte, warf mir die stark geschminkte Dame einen vernichtenden Blick zu.
Ich grinste sie an, was sie rot anlaufen ließ.
Dann begann Kuhlmann seine Einführungsrede. »Vor nicht einmal acht Monaten gab es im Bundestag einen Anschlag mit dem Ebola-Virus. Hier, mitten in Deutschland! Gott sei Dank gab es nur sehr wenige Tote, aber dieser Anschlag hätte eine Pandemie auslösen und ganz Berlin dem Tode weihen können!«
Ich fand das sehr übertrieben, aber die Leute im Saal buhten und pfiffen.
»Natürlich hat die Regierung versucht, den Vorfall kleinzureden. Weil wir ja unmündige Bürger sind, die ganz schnell die Nerven verlieren, nicht wahr?«
Jetzt lachten die Gäste. Laut und schrill.
Vor allem die Frau neben mir.
»Nur durch die hartnäckige Arbeit einiger weniger Journalisten kam die Wahrheit ans Licht. Wie immer! Wir dachten, schlimmer kann es nicht kommen, aber nun haben sich die Ereignisse überschlagen. Erst stürzte ein Kampfjet über bewohntem Gebiet ab, was auch eine Katastrophe hätte auslösen können, dann wird der Verteidigungsminister der Bundesrepublik Deutschland erschossen! Ich meine, mal im Ernst, was ist hier los? Hat die Regierung die Kontrolle verloren? Können wir noch sicher sein, dass sie in der Lage ist, uns zu schützen? Fragen über Fragen. Aber mein heutiger Gast wird ganz bestimmt in der Lage sein, Licht ins Dunkle zu bringen. Immerhin handelt es sich bei ihm um den Bundesinnenminister. Wer sonst, wenn nicht er, weiß, was zu tun ist. Meine Damen und Herren, begrüßen Sie mit mir den Innenminister der Bundesrepublik Deutschland, Doktor Rainer Schranz.«
Einige klatschten, andere buhten oder pfiffen.
Die Dame neben mir buhte.
Der Herr neben mir schreckte auf, als der Lärm einsetzte.
Er blickte sich orientierungslos um und grinste unsicher. Dann stand er halb auf, buhte und klatschte dabei und ließ sich erschöpft wieder auf den Stuhl sinken.
Irgendwie mochte ich ihn.
Schranz betrat die Bühne, gab Kuhlmann die Hand, als würden sie sich erst jetzt begegnen, nickte mit ernstem Gesicht einmal in die Runde und nahm Platz.
Er tat mir jetzt schon leid.
Kuhlmann sah Schranz scharf an. »Herr Minister, erst der Anschlag mit dem Ebola-Virus, dann ist der Verteidigungsminister einem Anschlag zum Opfer gefallen. Hat die Bundesregierung die Kontrolle verloren?«
»Wie kommen Sie auf diesen abwegigen Gedanken?«
Vereinzelte Buh-Rufe.
»Nun, irgendwie geht doch alles den Bach runter, seit wir vor einigen Jahren die Flüchtlinge aufgenommen haben und sie seitdem ohne Unterlass in Scharen zu uns kommen.«
»Sie sehen da einen Zusammenhang?«
»Sie nicht?«
»Nein, überhaupt nicht. Das Thema wurde schon sehr oft diskutiert, aber ich wiederhole es gerne noch einmal: Die Entscheidung aus 2015, die Flüchtlinge, die in Ungarn gestrandet waren, bei uns aufzunehmen, war aus humanitären Gründen richtig. Danach, also nach 2015, sind die Zahlen zurückgegangen. Und was die Anschläge auf den Bundestag und den Verteidigungsminister betrifft, so suggerieren Sie den Gästen hier und den Zuschauern am Bildschirm, dass es einen kausalen Zusammenhang gibt. Dem ist aber nicht so.«
»Aber es ist doch unstrittig, dass die Islamisten, die