Das Herz des Diplomaten. J.L. Langley. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: J.L. Langley
Издательство: Bookwire
Серия: Regelence
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783958238251
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beschloss er, noch zu stöbern, um etwas mehr Abstand zwischen sich und seine hochgeschätzten Eltern zu bringen.

      »Bannon, komm da sofort wieder runter. Was, wenn dich jemand sieht?«

      Dalton erstarrte.

      Das zornige Flüstern war von irgendwo zu seiner Linken gekommen. Wer auch immer da gerade gesprochen hatte, er wisperte lauter als Daltons Cousin Tarren, was recht beeindruckend war.

      »Ich meine es ernst, Bannon.«

      Moment mal. Ein Flattern zog sich durch Daltons Magen. Das konnte nicht sein. Bannon war der Name eines Freundes seines Cousins Aiden. Und Bannons Bruder… Konnte das Daltons Adonis sein, der da gerade nach seinem jüngeren Bruder rief?

      Bevor er die Sonderausbildung begonnen hatte, war Dalton auf Urlaub zu Hause gewesen und hatte das atemberaubendste engelsgleiche Wesen erblickt, das er jemals zu Gesicht bekommen hatte. Der Mann hatte seitdem in jeder einzelnen von Daltons Fantasien mitgespielt. Dieses hübsche Gesicht hatte ihm sogar dabei geholfen, die langen Nächte zu überstehen, die er in der Brandung verbracht und an Unterkühlung und Hunger gelitten hatte. Er konnte den Mann immer noch klar und deutlich vor seinem inneren Auge sehen. Ein wahrer Diamant höchster Güte. Lord Redding, Blaise Thompson, der Erbe des Duke of Eversleigh, hatte braunes Haar und die strahlendsten grünen Augen, die Dalton je gesehen hatte – wie Smaragde im Licht der Sonne. Er hatte Lippen, die zum Küssen einluden, und seine Bewegungen waren so anmutig, dass er beinahe ätherisch wirkte. Er war wunderschön, elegant und sehr, sehr verlockend.

      Dalton war es nur nicht gelungen, es zu arrangieren, dass sie ei-nander vorgestellt wurden. Irgendwie hatten sich ihre Wege danach nicht wieder gekreuzt, was nicht überraschend war, wenn man bedachte, dass Dalton ein höllischer Schwerenöter war und Blaise… nun, anständig. Keiner von Daltons Cousins hatte ihn ernst genommen, als er um ein Treffen mit dem Viscount gebeten hatte.

      Schritte näherten sich hinter ihm. »Mylord, kann ich…«

      »Nicht jetzt!« Er wedelte mit der Hand, ohne den Mann anzusehen.

      »Hmpf. Sehr wohl, Mylord.«

      Verflucht. Dalton wirbelte herum. »Entschuldigt, Humphreys. Ich bitte um Verzeihung. Ich war in Gedanken versunken und habe mich noch nicht entschieden, aber ich lasse es Euch wissen.«

      »Sehr wohl, Mylord.« Humphreys neigte sein spitzes Kinn, machte auf dem Absatz kehrt und ging davon.

      Dalton eilte zum anderen Ende des Gangs und spähte in den nächsten. Leer. Er blieb vollkommen reglos stehen, schloss die Augen und lauschte. Wo bist du, mein Hübscher?

      »Huch.« Das Regalstück ihm schräg gegenüber auf der linken Seite wackelte. Ein schwarzer Kastorhut fiel vom obersten Regalbrett, hüpfte über den marineblauen Teppich und rollte einmal im Kreis, bevor er falsch herum mitten im Gang liegen blieb. »Oh, Dreck! Blaise, lass meine Füße los und hör auf zu ziehen…« Ein Paar schillernd grüner Augen unter einem hellroten Schopf spähte vom Regal herunter. »Oh, hallo.«

      »'allo.« Dalton grinste. Nicht nur, dass es tatsächlich Aidens Freund Bannon war, seine Nörgelei bestätigte auch, dass sein umwerfender Bruder sich in der Tat ebenfalls auf der anderen Seite dieser Wand aus Hüten aufhielt. »Könntet Ihr mir den dort reichen?«, bat Bannon.

      »Gewiss doch.« Dalton schnappte sich den Hut vom Boden und Wärme breitete sich in ihm aus, als hätte er ein Glas Whiskey getrunken. Endlich würde er den atemberaubenden Viscount Redding kennenlernen. Wurde ja auch Zeit.

      »Bannon«, zischte Blaise auf der anderen Seite.

      »Ich hab ihn«, antwortete eine weibliche Stimme genauso leise. »Bannon, komm da runter.«

      Das Regalstück schwankte.

      »Oh!« Bannons Augen wurden groß und sein Kopf verschwand langsam hinter dem obersten Regalbrett.

      Drei weitere Hüte fielen von der oberen Kante und einer aus der Mitte des Regals – genau dort, wo sich Bannons Fuß befinden musste – und landeten auf dem Boden. Im Gegensatz zum ersten Hut rollten diese nicht umher, sondern prasselten wie Pfeile herab.

      Dalton stellte sich vor, wie das Regal umstürzte und die anderen wie Dominosteine mit sich riss. Er raste mit ausgebreiteten Armen um die Ecke, um den Satansbraten aufzufangen, und stieß direkt mit dem Mann seiner Träume zusammen.

      Es war nicht mit der Kollision mit Tyndel zu vergleichen, denn Blaise war überhaupt nicht weich und sah Dalton nicht einmal ansatzweise kommen. Er stürzte wie ein gefällter Baum – ohne sich abfangen zu können.

      Dalton streckte die Hand aus, doch der Aufprall hatte auch ihn nach hinten taumeln lassen. Die Manschette von Blaises weichem Wollgehrock glitt ihm durch die Finger, gefolgt von einem sanften Luftzug, der das Unglück besiegelte. Dalton konnte nur noch mit offenem Mund zusehen, wie Blaise auf dem blauen Teppich aufschlug. Der Atem entwich seiner Lunge in einem kaum hörbaren Zischen.

      Blaise griff sich an die Brust und rang nach Luft. Der Schmerz und die Überraschung auf seinem Gesicht trafen Dalton so hart, als wäre er selbst gestürzt. Diese wunderschönen grünen Augen weiteten sich und verloren den Fokus. Sein kastanienbraunes Haar fiel ihm attraktiv zerzaust in die Stirn und auf den glatten Alabasterwangen breiteten sich hektische rote Flecken aus, aber trotz alldem war er immer noch der bezauberndste Mann auf ganz Regelence. Er erinnerte Dalton an einen Elfenprinzen aus einem der Märchenbücher, aus denen Großvater zur Schlafenszeit immer vorgelesen hatte.

      Bevor Dalton sich bewegen konnte, um nach seinem unglückseligen Opfer zu sehen, kreischte Bannon auf.

      Der Rotschopf hielt sich nur noch mit den Fingerspitzen fest und baumelte fast eineinhalb Meter über dem Boden. Das Regalstück wankte vor und zurück, als wäre es von einer Sturmbö erfasst worden.

      Eine junge Frau versuchte, die Regale zu stabilisieren, hatte dabei jedoch keinerlei Erfolg. Es war nur eine Frage von Sekunden, bevor das ganze Gerüst kippen würde, und wer wusste schon, in welche Richtung es dann fiel.

      Dalton eilte durch den Regen aus Hüten, die wie winzige Geschosse auf den Boden um ihn herum niederprasselten, und fing Bannon mit einem Arm auf. Nachdem er den jungen Mann auf die Füße gestellt hatte, nahm er beide Hände zu Hilfe, um das Regal ins Gleichgewicht zu bringen. Das Mädchen half ihm dabei und das Möbelstück hörte auf zu wanken, doch ein Großteil seines Inhalts war mittlerweile auf dem Teppich verstreut.

      Daltons Lippen zuckten, bis er breit lächelte, während er das Durcheinander aus Hüten begutachtete. Manche lagen auf der Seite, manche verkehrt herum, andere richtig herum und ein oder zwei rollten noch umher. In ihrer überkorrekten Gesellschaft war eine kleine, harmlose Dummheit ein Geschenk der Galaxie. Nun, beinahe harmlos. Er schätzte, dass Blaise im Moment wohl anderer Meinung wäre, doch es amüsierte Dalton trotzdem.

      Irgendwie hatten alle Hüte bis auf einen Blaise verfehlt, der mittlerweile versuchte, sich aufzurichten, während er nach Luft schnappte und an seinem Krawattentuch zerrte.

      Dalton stürzte zu ihm, nahm den grünen Hut von seinem Bauch, schleuderte ihn zur Seite und half Blaise in eine sitzende Position. Dann sank er hinter ihm auf den Boden, lehnte den Rücken des Viscounts an seine Brust und konnte ein Gefühl der Zärtlichkeit nicht unterdrücken. »Ganz ruhig, Süßer.«

      Bei der Galaxie, er roch himmlisch. Wie kalte Nächte am Lagerfeuer und das Innere eines Süßwarenladens zugleich.

      Blaise sank in Daltons Arme, so warm und voller Vertrauen, und trotz der Situation merkte Daltons Schwanz auf. Mit zusammengebissenen Zähnen wies er seinen Körper an, sich zu benehmen, und fing Blaises Hände ein. Blasse, feingliedrige Hände, die auf Daltons etwas dunklerer Haut großartig aussehen würden. Und solche Gedanken waren ganz sicher kein guter Weg, um seine Selbstbeherrschung zurückzuerlangen. Meine Güte, der Mann bekam keine Luft und Dalton verlor sich in einer Fantasie.

      Er löste das Krawattentuch und zog es von Blaises Hals. »Genau so, Süßer, beruhig dich. Versuch, langsam wieder einzuatmen.«

      Stück für Stück begann Blaise, sich zu entspannen und Luft zu