Das Herz des Diplomaten. J.L. Langley. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: J.L. Langley
Издательство: Bookwire
Серия: Regelence
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783958238251
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weiß, aber du musst dieses selbstzerstörerische Verhalten einstellen.« Raleigh wich zurück und hielt ihn eine Armlänge von sich. »Du hättest getötet werden können, Dalton.« Die Sorgenfalten auf seiner Stirn unterstrichen mehr als seine Worte, wie sehr ihn dieser Gedanke beunruhigte.

      »Ich wollte nie, dass die Dinge so aus dem Ruder laufen.«

      »Ich weiß.« Nachdem er eine Hand an seine Wange gelegt hatte, trat Raleigh etwas weiter in die Zelle hinein und setzte sich auf die Bank. »Aber das muss aufhören. Im vergangenen Monat hast du dir ein Duell wegen eines verheirateten Mannes geliefert, bist nackt auf einem Pferd um das Denkmal für die Gefallenen auf dem Primrose Square geritten, wurdest gesehen, wie du aus dem Madame Roux's gekommen bist, und jetzt hast du einen Unfall mit einer Kutsche verursacht. Und nicht mit deiner eigenen, möchte ich hinzufügen.«

      Wenn man es so formulierte, hörte es sich wirklich schlimm an. Dalton schätzte, er hatte sich selbst fälschlicherweise eingeredet, dass seine Onkel und Cousins nichts von seinen Ausschweifungen mitbekommen hatten. »Genau genommen habe ich mein Hemd als Augenbinde getragen, als ich um das Denkmal geritten bin, ich war also nicht nackt.«

      Raleigh hob eine dunkle Augenbraue, als er sich rücklings gegen die Wand lehnte und seine langen Beine von sich streckte.

      Dalton seufzte. Normalerweise brüstete er sich damit, wenn er das Thema der Klatschspalten war, doch diese eine Heldentat hätte er lieber unter den Teppich gekehrt.

      Raleigh verschränkte die Finger vor seinem Bauch, als hätte er nicht vor, sich bald wieder zu erheben. Anscheinend war das hier ein Verhör.

      »Es war ein Uhr morgens, um diese Zeit waren nicht viele Menschen unterwegs.«

      Die andere Augenbraue gesellte sich zur ersten.

      »Na schön. Es war dämlich.« Allerdings hatte es wahnsinnig Spaß gemacht und… »Ich habe dadurch zweihundert Pfund gewonnen.«

      »Tja, der Galaxie sei Dank.« Raleigh grinste, kaschierte es jedoch schnell. »Und das Duell?«

      »Wenn Viscount-Consort Lawson seinen Ehemann befriedigen würde, hätte sich der Viscount nicht anderswo umschauen müssen?«

      Raleigh bedachte ihn mit dem starren Blick eines strengen Vaters.

      Nicht winden, ermahnte sich Dalton selbst. Er konnte nicht anders, er wand sich. Verdammt.

      »Und was ist mit der Kutsche?«

      Die Ereignisse des heutigen Abends, die er in der vergangenen Stunde so angestrengt zu vergessen versucht hatte, stürmten wieder auf ihn ein. Er begann, auf und ab zu laufen, um etwas zu tun zu haben. Er bezweifelte, die Geschichte wiedergeben zu können, wenn er seinen Onkel dabei ansehen musste. »William hat mich gebeten, ihn an der Rennbahn zu treffen.« Das hatte er sich nicht zweimal sagen lassen. Er hatte den Debütanten am Tag zuvor beim Yardley-Musikabend kennengelernt und der schüchterne Mann war einfach bei allem rot geworden. Daltons bisherige Liebhaber waren alle erfahren gewesen, deshalb hatte die Vorstellung, einen Unschuldigen zu entjungfern, seinen ganz eigenen Reiz gehabt. »Ich habe zugestimmt. Alles lief gut, bis sein Vater aufgetaucht ist. Der, äh, Earl hat es nicht gut aufgenommen.«

      »Ich frage mich, warum.«

      Dalton ignorierte die sarkastische Bemerkung und fuhr fort: »William hat mich angefleht, mit ihm zu verschwinden.«

      »Also hast du einen der Zweispänner gestohlen.«

      »Geliehen.« William hatte erwähnt, er wäre jetzt kompromittiert, und Dalton war in Panik geraten. Er hatte den süßen kleinen Baron nur ficken wollen, von Heirat war nie die Rede gewesen. »Ich wollte ihn zurückbringen, nachdem ich William vor seinem Haus abgesetzt hatte, doch der Earl hat uns eingeholt, bevor wir den Park überhaupt verlassen konnten. Er ist vor die Pferde gesprungen und…« Dalton hielt mit dem Rücken zu seinem Onkel inne und schloss die Augen. Alle redeten immer davon, dass sich die Zeit im Augenblick einer Katastrophe zu verlangsamen schien, doch das stimmte nicht. Sie wurde nicht langsamer. Sie wurde schneller. »Ich wollte ihn nicht töten.« Tränen ließen Daltons Sichtfeld verschwimmen. Es war ihm surreal vorgekommen, bis er es laut ausgesprochen hatte.

      »Was? Wen?« Raleigh packte seine Schulter und wirbelte Dalton so abrupt herum, dass er wankte, bevor er sein Gleichgewicht wiederfand.

      Sein Blick schoss zur Bank, dann zu Raleigh. Wann hat er sich bewegt?

      Raleighs Augen wurden schmal und er schüttelte Dalton. »Wen?«

      »Den Earl of Wesley, Williams Vater.«

      Raleigh ließ die Hände an Daltons Unterarmen hinabgleiten und den Kopf sinken. Seine Brust hob und senkte sich schwer. Als er den Blick wieder hob, umspielte ein sanftes Lächeln seine Lippen. »Du hast ihn nicht umgebracht. Er ist durch den Aufprall ohnmächtig geworden.«

      Daltons Lunge füllte sich schlagartig mit Luft und seine Knie wurden weich. »Er lebt?«

      »Ja. Außerdem ist seine Geldbörse dank dir jetzt um einiges dicker. Ich musste ihm ein Vermögen bezahlen, damit er allen erzählt, er wäre mit seinem Sohn spazieren gegangen, als du sie beinahe überfahren hättest. Er wollte eigentlich, dass du das Richtige tust und seinen Sohn heiratest.«

      Mittlerweile war eine Hochzeit die geringste von Daltons Sorgen. Sein Herz hämmerte gegen seine Rippen. Er fuhr sich mit zitternder Hand durch die Haare und ließ sie schweißnass wieder sinken.

      »Ebenso musste ich Lord Henderson seinen zerstörten Zweispänner ersetzen und ihm zwei dazu passende Pferde besorgen. Er ist davon überzeugt, dass eines seiner Pferde durch deinen Unfall schwer verletzt wurde, obwohl Brooks das anders sieht. Jedenfalls war es das wert, wenn er dadurch davon absieht, Anklage zu erheben. Wenn ich die ganze Sache jetzt noch aus den Klatschspalten raushalten kann, wäre das ein Wunder. Die Skandalblätter sind ganz vernarrt in dich.«

      Brooks, die Stallmeisterin von Townsend Castle, war überragend in ihrem Metier. Wenn sie der Meinung war, dass dem Pferd nichts fehlte, dann war das auch so. »Also kann ich… nach Hause gehen?« Ihm verging das Lächeln und der Magen sank ihm wieder in die Kniekehlen. Sein Zuhause war das Schloss – nicht Fairfax House – und dorthin konnte er nicht. Diese verfluchten Regeln.

      »Nein.«

      »Ich weiß, dass ich nicht ins Schloss zurückkann, aber…«

      Raleigh begann, den Kopf zu schütteln.

      Bei dem Ausdruck des Bedauerns auf dem Gesicht seines Onkels bekam Dalton eine Gänsehaut. »Was? Du hast doch gesagt, er wäre nicht tot und ich könnte gehen.«

      Raleigh holte tief Luft, stieß sie dann wieder aus und ließ die schwarzen Strähnen flattern, die ihm in die Stirn fielen. Seine stahlgrauen Augen, die Daltons so ähnlich sahen, starrten ihn unverwandt und bestimmt an, als er in seine linke Manteltasche griff und ein paar gefaltete weiße Papiere hervorzog. »Du wirst nur unter einer Bedingung entlassen.«

      Dalton schüttelte immer noch verständnislos den Kopf.

      »Du weißt, dass ich dich liebe, Dalton. Das weißt du, oder?«

      Das tat er tatsächlich, denn sein Onkel – seine beiden Onkel – hatten es ihm in seiner Kindheit und Jugend häufig gesagt. Noch wichtiger war, dass sie ihn mit Aufmerksamkeit und einer Menge Umarmungen überschüttet hatten. Dalton nickte, doch die Härchen auf seinen Armen richteten sich auf.

      »Ich traue dir nicht zu, dass du dich zu benehmen weißt. Nicht, solange du weiter bei meinem Bruder wohnen musst.« Raleigh berührte seine Wange. »Wenn es einen rechtlichen Weg für mich gäbe, dich mit nach Hause zu nehmen, dann würde ich das tun, aber du bewegst dich in eine Richtung, von der es vielleicht kein Zurück mehr gibt, und das kann ich nicht zulassen.«

      Dalton sank ein wenig in sich zusammen. Im vergangenen Jahr hatte er Dinge getan, die er während der Zeit bei seinem Onkel niemals gewagt hätte, doch als sein Vater nach ihm geschickt und ihn gezwungen hatte, nach zehn Jahren wieder bei seinen Eltern einzuziehen, war Dalton ein bisschen durchgedreht. Er hatte sich eher wie der Achtjährige benommen, den sein Vater fortgeschickt