Das Herz des Diplomaten. J.L. Langley. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: J.L. Langley
Издательство: Bookwire
Серия: Regelence
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783958238251
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er mit vollem Mund.

      »Wenn du bei mir geblieben wärst, wie du es hättest tun sollen…«, knurrte Blaise. Was hatte es für einen Zweck? Bannon war nie da, wo er sein sollte, aber… »Wegen dir habe ich sie verloren.« Er schlug seinen strengsten Tonfall an und bedachte seinen Bruder mit einem bohrenden Blick.

      Natürlich beeindruckte das Bannon überhaupt nicht. »Wenn du sie verloren hast, können wir dann jetzt gehen? Es ist langweilig hier.«

      Blaise schloss die Augen und zählte bis zehn, um sich davon abzuhalten, seinen Bruder zu erwürgen. Als er bei zehn angekommen war, musste er noch mal von vorne anfangen, doch schließlich brachte er »Wo ist Louisa?« heraus.

      Bannon zuckte mit den Schultern. »Ich habe sie am Apfelstand zurückgelassen, während ich mich mit dem netten Mann bei den Pfirsichen unterhalten habe.« Das Funkeln in seinen Augen erzählte eine ganz andere Geschichte. Er hatte mit dem Pfirsichverkäufer geflirtet, was die Abwesenheit seiner Kammerdienerin erklärte. Louisa versagte kläglich als Anstandsdame. Nicht, dass Blaise eine Anstandsbegleitung wollte oder brauchte, doch wenn irgendjemand ihn gesehen hatte…

      Als einer der Gehilfen seines Vaters – und nicht zu vergessen als sein möglicher Nachfolger – musste er auf seinen Ruf achten, aber es war unwahrscheinlich, hier auf jemanden zu treffen, den er kannte. Ein junger Lord, der sich auf einem Markt aufhielt – abgesehen von einem der Nutztiermärkte –, war… nun… es schickte sich nicht und wurde eben unterlassen.

      »Komm. Wir müssen Louisa finden.« Er schnappte sich Bannons Arm und zog ihn durch das Ganglabyrinth des Marktes.

      Sie liefen den Weg zurück, den sie gekommen waren, doch Blaise entdeckte Betty nicht noch einmal, genauso wenig wie den Mann, der sie seiner Auffassung nach verfolgt hatte. Das beunruhigte ihn. Verdammt noch mal, dieser Mann hatte Betty verängstigt und jetzt wusste sie, dass der Markt nicht sicher war. Beim nächsten Mal würde es noch schwieriger sein, sie aufzuspüren, und er konnte jetzt nicht weitersuchen. In einer Stunde musste er im House of Lords sein.

      Wichtig war, dass er sie erkannt hatte und dafür bürgen konnte, dass sie am Leben war… zumindest im Moment. Vielleicht konnte er erwähnen, sie gesehen zu haben, um seine Kollegen dazu zu bringen, etwas angestrengter nach ihr zu suchen. Er hoffte, dass der andere Mann, der ihr nachgejagt war, sie nicht erwischt hatte.

      »Redding? Bannon?«

      Blaise drehte sich um und sah Louisa mit einem breiten Lächeln auf dem Gesicht auf sie zueilen. Ihr dunkles Haar war noch immer ordentlich und elegant unter ihrer Haube hochgesteckt, doch sie hielt den Rock ihres Hauskleids gerafft, sodass ihre Knöchel zu sehen waren, als würde sie etwas in den Falten ihres Rocks tragen. Dieses Verhalten untergrub die Eleganz ihrer Garderobe und die Stellung, die sie in ihrem Haushalt einnahm, komplett. Sie hätte genauso gut ein schlichtes Kleid aus grobem Stoff tragen können so wie Betty, statt des hellblauen mit Blumenmuster und dem saphirblauen Samtcape.

      »Ich habe vier Äpfel und du nur einen Pfirsich«, flötete sie vergnügt und wackelte mit dem Kopf, als sie sich näherte. Sie faltete ihren Rock auseinander und zeigte ihnen die rotbackigen Äpfel.

      »Ich fass es ja nicht.« Finster dreinblickend stampfte Bannon mit dem Fuß auf und verschränkte die Arme, wobei er den Pfirsich noch immer in der Hand hielt. »Und du schwörst, dass du sie nicht gekauft hast?«

      Louisa lächelte noch breiter und presste sich ihre freie Hand an die Brust. »Bei meiner Ehre.« Sie streckte die Hand aus, die zuvor an ihrer Brust gelegen hatte, und wackelte mit den Fingern. »Zeit zu zahlen.«

      Bannon zog einen Schilling aus seiner Tasche und reichte ihn ihr.

      Blaise konnte nur vermuten, worum es dabei ging. Wie er und Larkinson waren Bannon und Louisa zusammen aufgewachsen und enge Freunde. Die Töchter ihrer Haushälterin, Larkinson und Louisa waren mit ihnen zusammen unterrichtet und praktisch seit ihrer Geburt dazu erzogen worden, ihre Kammerdienerinnen zu werden. Aber im Gegensatz zu ihm und seiner eigenen Kammerdienerin versuchten diese zwei ständig, sich zu übertrumpfen. Alles, was Bannon tat, musste Louisa nachmachen und umgekehrt. Es war, als gäbe es zwei Bannons.

      Als wäre einer nicht schon schlimm genug.

      »Los jetzt.« Blaise scheuchte die beiden vorwärts.

      Sie setzten sich in Bewegung, doch Bannon starrte Louisa immer noch düster an. Sie schenkte ihm im Gegenzug ein Grinsen und gesellte sich dann an Blaises Seite. »Möchtet Ihr einen Apfel, Mylord?«

      »Wahrscheinlich sind da Würmer drin.« Bannon biss ein letztes Mal von seinem Pfirsich ab und warf ihn in einen Mülleimer neben einem der Stände.

      »Nein, danke, Louisa.« Er beschloss, sie nicht darauf hinzuweisen, dass sie aus Gründen der Schicklichkeit hinter ihnen gehen sollte, und behielt ihre Umgebung im Auge. »Wie seid ihr an die Äpfel und den Pfirsich gekommen?«

      »Louie hat geschummelt, ganz sicher.« Bannon schob seine behandschuhten Hände in die Taschen seines Wintermantels und wirkte recht verstimmt.

      »Gar nicht. Wir haben gewettet, wer von uns beiden charmanter sein kann.« Jetzt feixte sie diebisch. »Ich habe gewonnen.« Plötzlich blieb sie wie angewurzelt stehen und berührte Blaise am Arm. »Du könntest wahrscheinlich einen ganzen Scheffel Äpfel ergattern. Männer werfen doch immer ein Auge auf dich.«

      Blaise bemühte sich, nicht rot zu werden. »Das bezweifle ich.« Außerdem hätte er jetzt gerade lieber eine Betty Jenkins als einen Scheffel von irgendetwas.

      Bannon schnaubte. »Das bezweifle ich auch. Blaise bemerkt es doch überhaupt nicht, wenn jemand mit ihm flirtet. Bei ihm dreht sich alles nur um die Arbeit.«

      »Das ist nicht wahr.« War das…? Nein, das war eine Küchenmagd, nicht Betty. Moment! Was hat Bannon gesagt? »Männer flirten nicht mit mir.«

      »Siehst du?« Bannon deutete auf Blaise und sah an ihm vorbei zu Louisa. »Völlig blind.«

      Blaise ignorierte seinen Bruder. Männer flirteten ganz sicher nicht mit ihm. Offen gestanden musste er den Mann, dessen Aufmerksamkeit er für sich gewinnen wollte, auch erst noch kennenlernen.

      Etwas weiter vor ihnen am Eingang zum Markt flatterte zwischen zwei Frauen ein flaschengrüner Gehrock im Wind und tauchte wieder in der Menge unter.

      »Verfluchter Mist!« Er wartete nicht, ob Bannon und Louisa ihm folgten, was wahrscheinlich ziemlich dämlich war.

      Auf dem Bürgersteig lichteten sich die Menschenmassen ein wenig und gaben den Blick auf den Mann im grünen Gehrock frei, der in einem Laden am anderen Ende der Straße verschwand. War der Mann Betty dorthin gefolgt? Die Enge in Blaises Brust löste sich etwas. Eins war sicher – wenn der Mann immer noch rannte, hatte er sie nicht erwischt. Blaise blieb immer noch Zeit, er konnte Betty als Erster erreichen!

      »Was ist denn in dich gefahren? Wo willst du hin?«, wollte Bannon außer Atem wissen, als er stolpernd neben Blaise zum Stehen kam.

      »Zum Herrenausstatter.«

      Stöhnend vergrub sich Dalton Fairfax im Rennen noch etwas tiefer in seiner Kapitänsjacke. Wie viel Pech konnte er eigentlich haben, dass Ravensburg ihn direkt am Tag seiner Rückkehr nach Regelence dabei gesehen hatte, wie er die IN-Basis verließ? Sein Vater, der Marquis of Ravensburg, war die Geißel seiner Existenz. Seine Eltern hingen ihm jetzt schon seit Wochen im Nacken, dass er wieder bei ihnen einziehen und sein Offizierspatent zurückgeben sollte. Ganz sicher nicht.

      Der Wind peitschte ihm so heftig ins Gesicht, dass seine Wangen schon vor zwei Blocks taub geworden waren. Er spähte über die Schulter zur Menschenmenge auf dem Bürgersteig, der er gerade entkommen war, lief jedoch weiter. Es war ein bisschen, als würde man versuchen, den Bordo River auf Lerdra hinaufzuschwimmen. Sollten diese Leute nicht gerade den Rausch der letzten Nacht ausschlafen? Die meisten Aristokraten standen doch nicht vor zehn oder so auf und es war gerade einmal halb sieben. Als er einem Kindermädchen auswich, das einen Kinderwagen schob, stieß er beinahe mit einem jungen Lord zusammen.

      »Achtung!«

      Dalton