Das Herz des Diplomaten. J.L. Langley. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: J.L. Langley
Издательство: Bookwire
Серия: Regelence
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783958238251
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schüttelte Blaise den Kopf und richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf den Verkaufsstand. Er würde Bannon die Ohren langziehen, wenn er ihn wiederfand.

      Hinter den Reihen aus Zuckermelonen wartete ein jugendliches Mädchen mit hübschem Gesicht auf die Bestellung einer Frau in einem grauen Wollmantel und einer Haube mit Strohkrempe. Das Mädchen trug einen schlichten hellbraunen Umhang, aber bei näherem Hinsehen bemerkte er fein gearbeitete, hellere Stickereien am Revers. Am Handgelenk ging der Stoff in dunkleres, glänzenderes Braun über, wahrscheinlich Seide. Das Kleidungsstück passte viel eher zu einer Frau von einigem Ansehen aus der Mittelschicht als zu jemandem, der durch den Verkauf von Früchten auf der Straße ein mageres Gehalt verdiente. Ihre Wangen waren durch die Kälte ganz rot und sie ließ ihre Blicke über die Menschenmassen streifen, ohne ihre Kunden direkt anzusehen. Das musste die Kammerzofe sein.

      Die Kundin vor ihr schien das seltsame Verhalten der Zofe nicht zu bemerken. Sie nahm eine Frucht zur Hand, aber anstatt sie in den Korb zu legen, der an ihrem Arm hing, hielt sie sie unter ihre Nase.

      Blaise runzelte die Stirn bei dieser merkwürdigen Geste. Wer riecht denn an Melonen?

      Doch nein, sie schnupperte nicht daran. Sie wandte den Kopf leicht zur Seite, dann drehte sie ihn wieder zurück in die andere Richtung, während auch sie die Menge absuchte.

      Es hatte nichts mit der Kälte zu tun, dass die Härchen auf Blaises Armen sich unter den vielen Lagen Kleidung aufrichteten. Irgendetwas stimmte nicht. Er bahnte sich einen Weg zum Stand nebenan und beschloss, das Ganze noch etwas länger zu beobachten. Er griff nach einer Orange – oder war es eine Mandarine? Er konnte die beiden nie auseinanderhalten – und ahmte die Kundin nach, indem er die Frucht ans Gesicht hob. Dann spähte er über sie hinweg zu den beiden Frauen.

      Sie unterhielten sich, doch ihre Blicke begegneten sich nie wirklich. Als ein Mann zu ihnen trat und eine Melone nahm, wandte sich die Kundin von ihm ab.

      Der Mann warf das Geld für seine Zuckermelone auf den Verkaufstisch und ging davon. Erst dann richtete die Frau ihre Aufmerksamkeit wieder auf die Händlerin. Sie legte die Melone in ihren Korb, ohne zu bezahlen, und das Mädchen machte keine Anstalten, sie davon abzuhalten.

      Blaise ging näher heran und versuchte, an der breitkrempigen Haube vorbei einen besseren Blick auf die Kundin zu werfen, und…

      Ach du meine Galaxie! Er drückte die Mandarine an seine Lippen, um ein Keuchen zu unterdrücken. Betty Jenkins!

      Ein freudiger Schauer durchlief ihn. Es war, als würde man ein neues Musikstück beim ersten Versuch fehlerlos durchspielen. So viel Glück konnte er doch gar nicht haben.

      Sie wirkte dünner als auf den Fotos von Mrs. Jenkins, die an den Wänden der Ratsstube hingen, und ihr Haar war braun, nicht von grau meliertem Blond. Um ehrlich zu sein, sah sie eher wie eine Küchenmagd aus als wie die Tochter eines Barons, doch um die Augen war die Ähnlichkeit deutlich. Sie hatte sogar denselben Schönheitsfleck weit oben auf ihrer Wange neben ihrem rechten Auge. Er war sich sicher, dass es sich hier um die Ehefrau des Admirals handelte.

      Es verlangte ihm viel Selbstbeherrschung ab, nicht auf der Stelle ein kleines Freudentänzchen hinzulegen, aber wo war der Admiral? Blaise suchte die nähere Umgebung ab, aber niemand in der Nähe ähnelte dem stämmigen Mann.

      Betty nickte dem Mädchen zu und ging davon.

      Blaise wollte ihr hinterher, doch der Mann hinter dem Orangenstand erwischte ihn am Ärmel. »Bezahlste auch dafür oder muss ich de Büttel ruf'n?«

      Dreck! Die Mandarine oder Orange oder was auch immer hatte er ganz vergessen. »Entschuldigung!« Er warf die Frucht zurück auf die Auslage und eilte durch die Gänge. Dabei blieb er weit genug zurück, um nicht den Eindruck zu erwecken, dass er jemandem folgte. Aber das war nicht einfach.

      Betty verschwand immer wieder aus seinem Sichtfeld, wenn sich Menschen zwischen sie schoben. Ihr Korb schwang vor und zurück und ihr Wollmantel flatterte hinter ihr her. Wenn sie noch schneller lief, würde sie rennen. Selbst mit seinen längeren Beinen hatte Blaise Schwierigkeiten, mit ihr Schritt zu halten.

      Ein Windstoß fegte Betty die Haube vom Kopf und verlangsamte ihre Schritte.

      Blaise griff nach seinem eigenen Hut und beeilte sich, die Lücke zwischen ihnen zu schließen, doch ein Mann mit einem Wagen voller Naschereien kreuzte seinen Weg. Er konnte gerade so einen Zusammenstoß verhindern und machte einen Satz nach links.

      Dort wurde er beinahe von einer Kinderschar niedergetrampelt, die dem Süßwarenverkäufer folgte.

      Blaise eilte nach rechts, um an dem Karren vorbeizukommen, und irgendjemand rempelte ihn an der Schulter an, sodass er zur Seite stolperte. Sternenstaub und explodierende Planeten! Sahen die Leute denn nicht, dass er es eilig hatte? Während er sich die Schulter rieb, konzentrierte Blaise sich wieder aufs Wesentliche und… Oh nein. Betty war verschwunden und etwas weiter vor ihm rannte ein Mann in flaschengrünem Gehrock und mit kastanienbraunem Hut, als würde er versuchen, jemanden einzuholen. Das musste der ungehobelte Rüpel sein, der in ihn hineingerannt war.

      Eine Gänsehaut erfasste Blaise am ganzen Körper. War dieser Mann auch hinter Betty her? Was, wenn die IN die Jenkins-Familie fand, bevor er und seine Gruppe dazu in der Lage waren? Ein waberndes Grauen nistete sich in seiner Magengrube ein und er folgte dem wogenden grünen Mantel. Er musste sie als Erster erreichen.

      Er schlängelte sich durch die Menschenmassen, wobei er halb tänzelte und halb rannte, während er angestrengt nach ihr Ausschau hielt.

      Vor dem Mann verschwand ein Streifen Grau hinter dem Bäckerstand und Blaise beschleunigte sein Tempo.

      Oder versuchte es zumindest.

      Eine Hand packte ihn an der Schulter und brachte ihn zum Stehen. Er bemühte sich, sie abzuschütteln, doch der Griff lockerte sich nicht, sondern rutschte nur an seinem Arm hinunter, um an seinem Handgelenk zu verweilen.

      Sein Herz schlug so schnell, dass das Rauschen des Blutes in seinen Ohren den Lärm der Menge übertönte. Er hatte nicht einmal in Betracht gezogen, dass er sich selbst in Gefahr bringen könnte, indem er sie suchte. Er spannte sich an und wappnete sich für einen Kampf, doch eine weinerliche Stimme ließ ihn innehalten.

      »Blaise, können wir jetzt gehen?«

      Bannon. Blaise seufzte, nahm sich aber nicht die Zeit, um die Erleichterung auszukosten. Er nahm seinen Bruder bei der Hand und zerrte ihn hinter sich her. »Komm mit.«

      Leider kamen sie nicht sehr weit; sie bogen nach rechts ab und stießen auf eine hüfthohe Steinmauer. Jenseits der Mauer wurde die andere Straßenseite durch den Verkehr verdeckt.

      Wo sind sie hin? Schwer atmend stützte Blaise die Hände auf die Knie und versuchte, zu Atem zu kommen. Er hatte den Markt verlassen und es gab keine Fußgängerüberwege oder Signalanlagen in der Nähe. Weder Betty noch der Mann in Grün waren irgendwo zu sehen. Er beugte sich für einen besseren Blick über das Hindernis, doch hinter dem Bäckerstand kauerte nur ein kleiner Junge, der sich über eine Fleischpastete hermachte. »Verflixt und zugenäht.« Er war so nah dran gewesen.

      Der Junge erstarrte mitten im nächsten Bissen. Seine haselnussbraunen Augen strahlten lebhaft aus seinem schmutzigen Gesicht. Eine rastlose Energie erfüllte ihn, so als wollte er gleich aufspringen und sich aus dem Staub machen.

      Bannon riss Blaise wieder nach hinten. »Warum rennst du so?«

      Blaise entwand ihm seinen Arm und warf einen letzten Blick zur Straße.

      Der Junge hatte die Ablenkung genutzt und raste durch die Lücke zwischen den Ständen und der Mauer davon. So viel zu dem Plan, ihn nach Betty oder dem Mann in Grün zu fragen.

      Mit einem Seufzen starrte Blaise seinen Bruder finster an. »Ich habe sie gefunden.«

      »Wen? Die Kammerzofe?« Bannon zog die roten Augenbrauen zusammen, während er einen Pfirsich zum Mund hob und hineinbiss.

      Wo hat er den her? Blaise musterte die Frucht mit gerunzelter Stirn und Bannon hielt sie ihm hin. Kopfschüttelnd