Das Herz des Diplomaten. J.L. Langley. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: J.L. Langley
Издательство: Bookwire
Серия: Regelence
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783958238251
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Blaise schüttelte den Kopf und beobachtete jeden von Daltons Schritten, als rechnete er damit, von ihm angesprungen zu werden. »Für Freizeit ist in meinem Alltag kein Platz.« Die Antwort überraschte ihn überhaupt nicht.

      »Das ist echt traurig. Jeder hat doch Zeit für etwas Spaß.«

      »Was tust du, um dich zu amüsieren?«

      »Na ja, ich… heute Morgen habe ich mir eine Wasserschlacht geliefert.«

      Blaise starrte ihn mit offenem Mund an. Diese Antwort hatte er offensichtlich nicht erwartet. »Wirklich?«

      »Ja. Nicht mit Absicht, aber ja, das habe ich. Jetzt sag mir, was du zur Unterhaltung tust.«

      Blaise blinzelte ihn an und schwieg eine ganze Weile. Dalton fand sich schon damit ab, dass er die Frage unbeantwortet lassen würde, doch dann sagte er: »Ich, äh… lese?«

      »Du liest jetzt gerade und es sieht nicht besonders unterhaltsam aus.« Obwohl Dalton seine gebildete Seite fast genauso gut gefiel wie der heißblütige kleine Diktator. Ein kluger Mann hatte etwas sehr Anziehendes an sich. »Was liest du da?«

      »Verträge.«

      »Ugh, es ist schlimmer, als ich befürchtet habe«, stichelte er. »Wie kannst du dich nur beherrschen? Du musst drauf und dran sein, vor schierer Freude vom Stuhl aufzuspringen.«

      Wieder ein leises Lachen. »Ich finde es äußerst interessant.«

      »Tja, dann gibt es keine Hoffnung mehr für dich.«

      Blaise knurrte, allerdings nicht, bevor seine Mundwinkel verräterisch gezuckt hatten. »Es ist wirklich gar nicht so schwer, still zu sitzen, wenn man lesen kann.«

      Dalton lachte, beugte sich vor und stützte die Hände auf Blaises Schreibtisch ab. »Touché.« Dieser verbale Schlagabtausch war sogar noch spaßiger, als Blaises Temperament zu reizen. Er warf einen Blick auf die Schriftstücke. Für ihn sah es nach einer Menge Juristenlatein aus. »Warum sind sie interessant?«

      »Nun, das liegt nicht so sehr an den Verträgen selbst, sondern an der Tatsache, dass…«

      Eine Stimme im Gang erregte Daltons Aufmerksamkeit. Obwohl Blaise weiterredete und erklärte, hörte Dalton ihm nicht zu. Ein Gefühl der Leere machte sich plötzlich in seiner Brust breit. Er nutzte die Spiegelung in der Vitrine rechts von dem Durchgang hinter Blaise, um zur Tür des Büros blicken zu können – die ja offen war, da Hobbs darauf bestand, dass Blaise jemanden brauchte, der seine Tugend beschützte. Eine Anstandsperson und eine Wache zu haben, war ein bisschen überflüssig, aber ihre Gesellschaft war eben paranoid. In Blaises Fall wahrscheinlich zu Recht, denn wer würde ihn nicht verführen wollen?

      Im Spiegelbild bewegte sich nichts, doch die Stimme erklang erneut. Diesmal näher. Scheiße! Er kannte diese Stimme. So viel dazu, seinen Eltern aus dem Weg zu gehen, bis er wieder abreiste.

      Dalton machte sich nicht die Mühe, zum Wandschrank oder in den Waschraum zu rennen, dafür blieb ihm keine Zeit mehr. Stattdessen umrundete er hastig Blaises Schreibtisch, sank auf die Knie und tätschelte den mit Stoff umhüllten Oberschenkel neben sich. »Mach mal Platz.«

      Blaise schnappte nach Luft. »Ashbourne, was tust du da?« Er hätte unmöglich noch aufgebrachter oder verklemmter klingen können. Auf gewisse Weise war es ganz niedlich.

      »Nenn mich Dalton«, korrigierte er ihn automatisch. »Shh… nicht so laut. Ich muss mich verstecken, also rutsch bitte zur Seite.«

      Auf Blaises Stirn zeichnete sich eine Furche ab, doch er rückte nach hinten. »Vor wem?«

      »Meinem Vater.« Dalton kroch unter die Tischplatte und lehnte sich zurück. Das würde klappen. Die Vorderseite des Schreibtisches war geschlossen und er musste nur den Kopf ein wenig zur Seite neigen, um darunter zu passen. Es war sicherlich nicht der schlechteste Platz, an dem er sich je versteckt hatte. Zumindest war diesmal kein eifersüchtiger Ehemann mit einem Schwert auf der Suche nach ihm.

      Blaise stammelte ganze zehn Sekunden lang vor sich hin. »Bist du wahnsinnig? Ich kann doch nicht hier sitzen, während du dich unter meinem Schreibtisch versteckst.« Seine Wangen waren flammend rot. Er war so unschuldig, dass er praktisch darum bettelte, verdorben zu werden.

      Daltons Herzschlag überschlug sich bereits, doch er war sich sicher: Wenn dem nicht so gewesen wäre, hätte dieses Erröten dafür gesorgt. »Warum denn n…«

      »Mylord? Lord Ravensburg ist hier, um Euch zu sehen«, verkündete Hobbs.

      Blaise ließ sich auf seinen Sessel fallen und rutschte so hastig nach vorne, dass Dalton seinen Stiefel packen musste, damit er nicht in seinem Schritt landete. »Bring ihn herein.«

      Nach wenigen angespannten Augenblicken der Stille ergriff Ravensburg als Erster das Wort: »Redding. Wie geht es Euch an diesem schönen Tag?«

      Blaise sprang wieder von seinem Stuhl auf und sagte: »Ravensburg«, wobei er mehr als nur ein wenig atemlos klang.

      Es entstand eine lange Pause, als würde Ravensburg Blaise mustern. Und wahrscheinlich tat er das auch, denn Blaise benahm sich mehr als verdächtig. »Habt Ihr die Informationen über die IN-Hundemarken, um die ich gebeten hatte?«

      »Natürlich. Lasst mich sie Euch holen.« Blaise wandte sich der hinteren Wand zu und nahm eine Speicherkarte von dem Regal neben der Vitrine. Als er sich wieder umdrehte, warf er Dalton einen grimmigen Blick zu.

      Dalton erwiderte ihn ebenso finster und formte mit den Lippen Hör auf damit.

      Ravensburg mochte zwar vieles sein, doch er war nicht dumm. Genau genommen war er in Daltons Augen sogar ein klein wenig paranoid. Es sähe ihm ähnlich, das Zimmer zu durchsuchen, wenn ihm ein Grund dafür geboten wurde.

      Blaise trat näher an den Schreibtisch heran, sodass Dalton eine perfekte Aussicht auf seine Knie hatte.

      Über ihm raschelte es und Ravensburg sagte: »Vielen Dank.«

      »Gern geschehen.«

      Gedämpfte Schritte entfernten sich und verstummten dann komplett.

      Blaise setzte sich wieder auf seinen Sessel und rollte nach hinten – vermutlich, um zu Dalton hinunterzuspähen –, doch Ravensburg unterbrach ihn dabei.

      »Redding?«

      Geh weg, drängte Dalton stumm. Er bekam langsam einen steifen Hals.

      Blaise hielt inne und erhob sich erneut. »Ja?«

      »Gut gemacht.«

      Ein paar Sekunden lang durchbrach kein Laut die Stille, doch Dalton konnte sich vorstellen, wie Blaise die Schultern zuckte und unter dem Lob errötete, obwohl seine Knie nichts in diese Richtung vermuten ließen. »Was genau meint Ihr?«

      »Ich weiß, dass Ihr sie gefunden habt.«

      Wen?

      »Was?« Blaise keuchte. »Ich…«

      »Mr. Edmonstone ist nicht einmal intelligent genug, um seine eigenen Stiefel zu finden, während er sie trägt.« Ravensburgs Tonfall war scharf und er hatte Percy mit Absicht als Mister statt als Sir bezeichnet.

      Dalton hasste es, Ravensburgs Meinung über irgendetwas zu teilen, doch er war bereits zuvor mit Percy aneinandergeraten. Nämlich, weil der Mistkerl seine große Klappe nicht hatte halten können. Er war sich sicher, dass es Percy gewesen war, der in der Nacht, als Dalton sich durch das Fenster des Viscounts hatte hinausschleichen müssen, zu Lawsons Consort gegangen war.

      »Ich weiß, dass Ihr Betty Jenkins gefunden habt«, sagte Ravensburg. »Ihr solltet nicht zulassen, dass er die Lorbeeren für Euren Erfolg einheimst. Ich weiß, dass er das schon zuvor getan hat.«

      Betty Jenkins ist gefunden worden? Darum musste es bei der Konferenz im Schloss gegangen sein. Dalton hatte sich nicht dort aufgehalten, für den Fall, dass sein Vater daran teilnahm, und es schien, als hätte er mit seiner Vermutung richtiggelegen. Er hatte sich etwas zum Anziehen von seinem Cousin Rexley geliehen, nachdem sie die letzten Reste