Das Herz des Diplomaten. J.L. Langley. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: J.L. Langley
Издательство: Bookwire
Серия: Regelence
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783958238251
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werden lassen. Blaise ließ seine Aufmerksamkeit mühsam nach oben wandern. Dieses Amt war ihm wichtig. So wichtig, dass er nichts tun konnte, was es gefährdete, und dazu gehörte auch, seine Konkurrenz aus dem Weg zu räumen. Ravensburgs Warnung hallte in seinem Kopf wider wie eine Totenglocke. Er konnte es sich nicht leisten, sich von Ashbourne einwickeln zu lassen. Der Mann hatte ihm Pornografie gebracht, um Himmels willen. Wie desaströs musste es um den eigenen Ruf stehen, wenn man sogar wusste, wie man an ein Sex-Video kam?

      Er schob die Speicherkarte mit seinen Fingerspitzen von sich, nahm all seinen Mut zusammen und sagte: »Nimm sie zurück. Ich kann sie unter keinen Umständen einsetzen. Und bitte bring mir nichts mehr mit. Wir sind keine Freunde. Du bist meine Wache. Das ist alles.« Da, er hatte es gesagt.

      Der Ausdruck auf Ashbournes Gesicht hätte Blaise beinahe dazu gebracht, seine Worte zurückzunehmen. Seine Miene wurde steinern, als würde er all seine Gefühle wegsperren. Kein Schmerz, keine Überraschung, nichts war von seinen Zügen abzulesen. Er hätte auch eine Statue sein können. Eine wunderschöne Statue.

      Schließlich schob er Blaise die Speicherkarte wieder hin und setzte damit seiner Starre ein Ende. »Behalt sie.«

      »Bist du fertig? Oh, 'allo auch, Ashbourne.«

      Ashbourne und Blaise zuckten beide beim Klang von Bannons Stimme zusammen.

      Teufel noch eins, er hatte das späte Mittagessen mit seinem Bruder vergessen. Es war abgemacht, dass sie sich mit ihren Eltern in der Kantine des Parlamentsgebäudes im unteren Stockwerk trafen, nachdem sein Vater seine derzeitige Konferenz beendet hatte. Er spähte zur Wanduhr hinauf. 14:20. »Es ist noch nicht so weit.«

      Er richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf das harmlose schwarze Quadrat auf seinem Schreibtisch und etwas, das Entsetzen glich, schnürte ihm die Kehle zu. Verdammter Mist! Wenn sein Bruder davon erfuhr… Nun ja, Bannon würde ihn ermutigen, sie einzusetzen; er hasste Percy etwa genauso sehr, wie Blaise es tat. Blaise schob die Speicherkarte unauffällig unter die Ecke eines Ordners auf seinem Tisch.

      Ashbourne fing seinen Blick auf und wirkte immer noch wie aus Stein gemeißelt. Dann sah er auf und ein Lächeln kehrte auf seine Lippen zurück. Nur war es diesmal nicht an Blaise gerichtet. »'allo, Bannon. Hast du den Hut bekommen?«

      »Hut?«, wollte Blaise wissen.

      »Oh ja! Danke!« Bannon klang seltsam und seine Wangen färbten sich rot. Flirtete er etwa? Bestimmt nicht.

      »Welchen Hut?«, hakte Blaise noch einmal nach.

      Sowohl Bannon als auch Ashbourne starrte ihn an, als wäre er zurückgeblieben, und dann antwortete Ashbourne: »Den Hut. Du weißt schon. Den Hut, für den er Leib und Leben riskiert hat.«

      Blaise stöhnte auf. »Und für den er den Laden des Herrenausstatters verwüstet hat. Diesen Hut meinst du?«

      Bannon verdrehte die Augen. »Vielen Dank, dass du ihn daran erinnert hast, Ashbourne.«

      Ashbourne schmunzelte. »Nenn mich Dalton.«

      Es lag Blaise auf der Zunge, die beiden darüber in Kenntnis zu setzen, dass das nicht schicklich wäre, doch dann strahlte Bannon und sagte: »In Ordnung, Dalton.«

      Blaise stöhnte erneut. Warum machte er sich überhaupt die Mühe?

      Während sich Bannon und Ashbourne über Bannons Freund und Ashbournes Cousin Aiden unterhielten, fiel Blaise auf, dass sie eine lockere Kameradschaft miteinander verband, als wären sie schon immer befreundet gewesen. Das verärgerte Blaise und diese Tatsache verärgerte ihn noch mehr, weil er sich weigerte, auf seinen eigenen Bruder eifersüchtig zu sein.

      Er ignorierte sie beide und griff nach dem Ordner, wobei er dafür sorgte, dass er die Speicherkarte ebenfalls aufsammelte. Unauffällig ließ er sie in seiner Tasche verschwinden und blätterte noch einmal auf der Suche nach dem Namen eines Planeten, der ihm vorhin aufgefallen war, durch den Hefter auf seinem Tisch.

      Ah, da ist er ja. Planet Skye. Der Planet hatte nicht nur abgelehnt, der IN beizutreten, er war auch der einzige Planet, der von der IN nach der ersten Absage noch einmal gefragt worden war. Das musste irgendetwas bedeuten.

      Ein Scheppern erklang.

      »Verflucht. Sie ist verschlossen«, sagte Bannon.

      Wieder schepperte es.

      »Verdammt noch mal! Blaise, kennst du die Kombination hierfür?«

      Seufzend hörte Blaise auf zu lesen und blickte über die Schulter zu seinem Bruder.

      Bannon stand vor der Vitrine, in der ihr Vater seinen Schnickschnack und verschiedene interessante Dinge aufbewahrte, die er während seines Dienstes als oberster Diplomat von Regelence angesammelt hatte. »Du hast keinen Grund, die Vitrine zu öffnen.«

      »Ich muss mir etwas ansehen. Ich habe eine brillante Idee.« Bannon zerrte erneut an der Tür der Vitrine.

      »Nein.« Blaise versuchte, sich wieder seinem Papierkram zu widmen.

      Ashbourne, der sich jetzt auf einem der Sofas rekelte, meldete sich zu Wort. »Warum darf er sich nichts aus der Vitrine ansehen? Du hast es doch gehört. Er hat eine tolle Idee.«

      Bannon nickte. »Es ist eine wirklich grandiose Idee. Du weißt, wie ich bin, wenn meine Muse mich küsst. Du kannst auch gleich nachgeben…« Er hielt sich eine Hand ans Ohr. »Wie war das, Timothy? Du möchtest, dass ich ein Lied für Blaise singe?« Und damit begann er zu singen: »Oh, Redding ist der besteste Bruder auf der ganzen weiten Welt, ganzen weiten Welt, ganzen weiten Welt. Er möchte, dass wir malen malen malen, malen malen malen…«

      Ashbourne brach in so übermütiges Gelächter aus, dass es in Blaises Magen flatterte, doch als er aufsah und Blaises Blick begegnete, erstarb das Geräusch in seiner Kehle.

      Ugh! Blaise riss sich mit etwas Anstrengung von dem Earl los und wandte sich wieder seinem Bruder zu. »Das ist emotionale Erpressung.«

      »Eher psychologische Kriegsführung… Führung Führung Führung«, sang Bannon. »Führung Führung Führung…«

      »Schon gut, schon gut. Hör endlich auf.« Was konnte es schon schaden? Es war ja nicht so, als würde Bannon etwas von ihrem Vater stehlen. Außerdem würde Bannon weitersingen, bis er bekam, was er wollte, und singen gehörte definitiv nicht zu seinen vielfältigen künstlerischen Talenten. Er verriet Bannon die Zahlenkombination und sagte: »Achte darauf, dass du sie wieder verschließt, wenn du fertig bist.«

      »Vielen Dank.«

      »Gern geschehen.«

      Bannon schnappte sich den wertvollsten Besitz ihres Vaters: eine terrestrische Schnupftabakdose aus dem 19. Jahrhundert, die einst dem König von England gehört hatte. Ihr Sire hatte sie ihrem Vater an ihrem Hochzeitstag geschenkt. Bannon betrachtete die idyllische Landschaft, die auf der Oberseite des Deckels abgebildet war. Die Malerei war verblasst und die Farbe an einigen Stellen abgeblättert, doch die Makel machten die hübsche kleine Dose nur noch einzigartiger.

      »Es ist Zeit, nach unten zu gehen«, sagte Ashbourne.

      Bannon stellte die Dose wieder in die Vitrine und wandte sich zur Tür um. Dabei ließ er die Vitrine weit offen stehen. »Es ist eine großartige Idee, oder?«

      Welche Idee? Blaise sah zu seinem Bruder und erkannte, dass Bannon nicht mit ihm sprach. Er seufzte, erhob sich von seinem Schreibtisch und ging zur Vitrine, die Bannon natürlich vergessen hatte zu schließen. Er schob die Tür zu, während Bannons und Ashbournes Stimmen aus dem Korridor zu ihm herüberdrangen. Irgendetwas über das Landschaftsmotiv auf dem Deckel.

      Blaise schnaubte. Wenigstens hatte Bannon Ashbourne nicht die Innenseite des Deckels gezeigt. Die Dose hatte ein Geheimfach mit einer erotischen Malerei, die einen Mann und eine Frau eng umschlungen beim Geschlechtsakt zeigte. Das sinnliche Bild hatte Blaise schon immer sowohl fasziniert als auch ein bisschen verstört. Er starrte den kleinen Kunstgegenstand an und legte den Finger auf das Schloss der Vitrine, hielt jedoch inne.

      Das Geheimfach war so gut versteckt, dass