Abbildung 5.1: Die Seligpreisungen/Weherufe in Lukas 6,20-26
Jede der neun Aussagen beginnen mit einer Person, die Jesus „glückselig“ nennt, und es schließt sich jeweils eine Bedingung an. In der neunten Seligpreisung sind zusätzliche Zeilen eingefügt. Es fällt auf, dass sowohl bei Matthäus als auch bei Lukas die Aussage über Verfolgungen viel detaillierter ist. Dieses zusätzliche Material in der Mitte beginnt in beiden Texten mit Negativaussagen, denen als Gegengewicht Positivaussagen gegenübergestellt werden. In beiden Abschnitten erscheint eine christologische Aussage in der Mitte des „Sandwichs“. Die Texte unterscheiden sich unter anderem darin, dass bei Lukas sieben Worte bzw. Wortgruppen in der Mitte stehen, während bei Matthäus die gesamten Seligpreisungen aus sieben Sätzen bestehen. Durch diese „Sandwiches“ wird das Thema der Verfolgung besonders herausgehoben und deutlich betont. Bevor wir uns nun der ersten Seligpreisung zuwenden, bedarf das Wort glückselig einer Erklärung.
1. | Glückselig die Armen im Geist,denn ihrer* ist das Reich der Himmel. | ||||
2. | Glückselig die Trauernden,denn sie* werden getröstet werden. | ||||
3. | Glückselig die Sanftmütigen,denn sie* werden das Land erben. | ||||
4. | Glückselig, die nach der Gerechtigkeit hungern und dürsten,denn sie* werden gesättigt werden. | ||||
5. | Glückselig die Barmherzigen,denn ihnen* wird Barmherzigkeit widerfahren. | ||||
6. | Glückselig, die reinen Herzens sind,denn sie* werden Gott schauen. | ||||
7. | Glückselig die Friedensstifter,denn sie* werden Söhne Gottes heißen. | ||||
8. | Glückselig die um Gerechtigkeit willen Verfolgten,denn ihrer* ist das Reich der Himmel. | ||||
9. | Glückselig seid ihr, wenn sie euch schmähen | ||||
und verfolgen | – | ||||
und alles Böse lügnerisch gegen euch reden werden | – | ||||
um meinetwillen. | Jesus | ||||
Freut euch und jubelt, | + | ||||
denn euer Lohn ist groß in den Himmeln; | + | ||||
denn ebenso haben sie die Propheten verfolgt, die vor euch waren. |
Abbildung 5.2: Die Seligpreisungen in Matthäus 5,3-12
„Glückselig“ – keine Zukunftsmusik
„Selig“ oder „glückselig“ – das kann im Deutschen schnell gefühlsduselig klingen. In den biblischen Grundsprachen aber bezeichnet „glückselig“ kein Gefühl und auch keinen bloßen Wunschzustand, sondern eine reale Gegebenheit. Die Wörter ‘āšîr (hebräisch) und makarios (griechisch) „beschreiben […] einen schon bestehenden Zustand des Glücklichseins oder des Glücks“.68 Das heißt, sie bestätigen eine bereits vorhandene Eigenschaft geistlichen Lebens. In den Seligpreisungen steht dafür das griechische Wort makarios, das mit „selig“ oder „glückselig“ übersetzt wird. Die dritte Seligpreisung bei Matthäus z. B. sollte man also nicht in folgendem Sinne verstehen: Wenn ihr sanftmütig seid, werdet ihr das Land erben. Die Seligpreisungen als Ganzes bedeuten ebenfalls nicht: „Selig sind die Menschen, die ‚A‘ tun, denn sie werden ‚B‘ empfangen.“ Es geht nicht darum, die Menschen zu einem bestimmten Verhalten zu ermahnen. Stattdessen sollte man die Seligpreisungen mit dem Gedanken lesen: „Schaut euch das Glück der Menschen an, die ‚B‘ haben oder erhalten werden.“
Ein konkrete, vergleichbare Aussage wäre: „Wie glücklich ist die Tochter von Herrn Holtz, denn sie wird das Familienanwesen erben.“ Die Frau, um die es geht, ist bereits die glückliche Tochter