Waldlichter. A. V. Frank. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: A. V. Frank
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783960741800
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draufgekommen waren. Ana nickte anerkennend und stimmte uns zu. Dann nahmen wir uns ihr Rätsel vor.

      „Also mit dem Du am Ende bin ich gemeint, da bin ich mir ziemlich sicher“, begann Ana.

      „Wieso wirst du als Opfer des Kultes bezeichnet? Weißt du irgendetwas von einem Kult, der einmal in deiner Nähe seine Religion ausgeübt hat?“

      „Nein, ich bin in einer perfekt katholischen Umgebung aufgewachsen, da gab es keine seltsamen Kulte.“

      Also war dies offenbar eine der Aussagen, mit denen wir nichts anfangen konnten. Ich wandte mich gedanklich jenen beschriebenen Lebenssäften zu und erinnerte mich daran, dass irgendein griechischer oder römischer Philosoph und Arzt propagierte, wir bestünden aus vier verschiedenen Körpersäften. Vielleicht war davon ja die Rede. Soweit ich wusste, handelte es sich seiner Ansicht nach – wie hieß er denn noch mal? ‒ um weiße und schwarze Galle, Eiter und Blut. Oder waren es doch andere gewesen? Verärgert über mein schlechtes Gehirn runzelte ich die Stirn. Da bemerkte ich, dass die anderen das Thema gewechselt hatten, und ich hörte ihnen genauer zu.

      Gerade sagte Tran: „Wenn man es so sieht, dann könntest du recht haben. Ja, ich denke, das würde passen, aber es bedeutet wahrscheinlich auch, dass wir die anderen Opfer sind, die erwähnt werden. Und mich würde wirklich mal interessieren, was wir opfern sollen.“

      Verwirrt fragte ich dazwischen: „Moment mal, ich kann euch nicht folgen momentan, was ist das denn jetzt für ein Kult oder wovon redet ihr bitte?“ Ich sah, wie Ana verächtlich den Mund verzog, und konnte beinahe hören, wie sie dachte: „Na, wer ist jetzt blond?“

      Bevor ich sie jedoch für ihre Gedanken anschnauzen konnte, sagte Tran: „Ana ist auf die Idee gekommen, dass damit der Kult gemeint sein könnte, der anscheinend hier in der Gegend am Werk ist, also, dass sie eines der Opfer ist, die im ersten Satz erwähnt werden. Dann wären wir wahrscheinlich die anderen beiden Opfer und ich hab mich gefragt ...“

      „... was wir opfern müssen, so viel hab ich mitbekommen. Ja, ich denke, das könnte wirklich stimmen. Und ich hab mir was zu diesen Lebenssäften überlegt. Es gab doch mal diesen griechischen oder römischen Arzt und Philosophen, keine Ahnung, wie er hieß, der diese Theorie mit den Körpersäften hatte, weiße und schwarze Galle, Schleim oder Eiter und Blut. Vielleicht sind die ja damit gemeint.“ Die anderen starrten mich verständnislos an. Sie schienen keine Ahnung zu haben, wovon ich redete. „Habt ihr das nicht in der Schule gemacht?“, fragte ich sie unsicher.

      Da brauste Transca auf, ich hatte offensichtlich einen empfindlichen Nerv getroffen. „Wie könnte ich so etwas hier auf der Schule lernen? Wir haben nur wichtige, wirklich wichtige Sachen beigebracht bekommen und nicht, was irgendein antiker Arzt mal gesagt hat. Wofür braucht man denn so ein Wissen? Und ich bezweifle, dass das damit gemeint ist, schließlich ist hier nur von zwei Lebenssäften die Rede.“

      Verdutzt starrte ich sie an. Solche Gefühlsausbrüche war ich überhaupt nicht von ihr gewohnt. Hilfe suchend schaute ich zu Ana, die Tran genauso verwundert musterte.

      Dann fing sie meinen Blick auf und beeilte sich zu sagen: „Mir kommt das entfernt bekannt vor, aber wieso sollte ich in der Schule aufpassen? Wie du schon gesagt hast, lernt man dort kaum was Nützliches. Aber die Idee, dass vielleicht zwei dieser Lebenssäfte gemeint sein könnten, hat schon was. Und wenn man das mit den Gegensätzen bedenkt, die keine sind, fällt mir sofort die weiße und schwarze Galle auf. Schließlich scheinen Weiß und Schwarz immer Gegensätze zu sein, sind es jedoch gar nicht.“

      „Aber dann erklär mir doch bitte, wie man Galle aus dem größten Ort mit Leben entnehmen kann. Und wie willst du uns, also den Opfern, Galle abzapfen? Da finde ich es wahrscheinlicher, dass Blut gemeint ist. Es hat schon immer mehr Bedeutung gehabt als irgendwelche seltsame Galle.“ Damit hatte Tran natürlich recht. Aber wenn sie Blut sagte, wie wäre es dann mit ...

      „Ich hab’s! Der zweite Lebenssaft ist Wasser ... aus dem Meer entnommen. Blut und Wasser sind auch Gegensätze, gehören aber trotzdem irgendwie zusammen.“

      Die beiden nickten zustimmend, Tran zögerlich, Ana überzeugt.

      „Gut, dann müssen wir noch klären, wer Midjis ist. Jemand eine Idee?“

      Allgemeines Kopfschütteln folgte, bis Ana jedoch bekannte: „Von Midjis habe ich keine Ahnung, aber Nykra habe ich schon einmal gehört. Ich hatte einen verrückten Traum.“

      Tran und ich sahen uns bedeutungsvoll an. Wir schienen wirklich die drei auserwählten Träumerinnen zu sein.

      „Ich stand in einem Wald und die Vögel riefen sich etwas über den Weltuntergang zu, dann stürzte mitten im Wald eine riesige Welle auf mich zu, überrollte mich, aber ich ertrank nicht, sondern fühlte mich im Wasser wohl, und da hörte ich den Namen Nykra. Was schaut ihr so? Ich bin nicht verrückt!“

      Schnell warf ich ein: „Das sagt auch keiner. Es ist nur so, dass auch wir seltsame Träume und Erscheinungen hatten. Mir wurde gesagt, dass drei Träumer zusammenkommen müssten, um etwas zu retten. Und ich denke, wir sind diese drei. Ich habe außerdem von einer Toúta geträumt, die in Blut untergeht, wenn wir ihr nicht helfen. In dem Traum wurde mir gesagt, wenn das passierte, sei es meine Schuld, weil ich mich auf Vorurteile gestützt und nicht zugehört hätte. Und mir wurde auch ein Name genannt: Blawde.“ Ich brach ab, weil ich erneut den Raben vor meinen Füßen liegen sah und mir seltsamerweise die Augen brannten. Zum Glück sprach Tran weiter, erzählte von ihren Träumen und Erscheinungen und von dem Namen, der ihr genannt worden war: Billingra.

      Doch all diese Namen halfen uns nicht weiter. Es war zwar interessant zu wissen, dass wir alle einen anderen vernommen hatten in unseren Träumen, die anscheinend vom Untergang einer Kultur oder etwas Ähnlichem handelten, aber was hatte das mit uns zu tun? Wieso sollten gerade wir sie retten?

      Ana brach das Schweigen, indem sie sagte: „Lasst uns erst mal weiterschauen, was es in den Rätseln noch für Infos gibt. Da steht was von Leuten, die dem Regenbogen abgeschworen haben. Vielleicht sind das die Feinde unserer Toúta. Ich habe das ungute Gefühl, wir müssen erst diese Toúta finden, um Näheres zu erfahren. Aber wie sollen wir das machen?“

      „Wahrscheinlich weisen diese Rätsel uns den Weg dorthin. Lasst uns mal schauen, was wir insgesamt haben. Wir müssen in ein abgefallenes Blatt von einem Baum, auch der Blutende genannt, Wasser und Blut füllen. Blut, das wir ‒ tja, womit eigentlich? ‒ von uns abzapfen. Darum haben wir uns noch überhaupt nicht gekümmert. Bruchstücke einer Seele sollen verletzen. Aber wie können wir dadurch anfangen zu bluten?“ Ich stockte und suchte fieberhaft nach einer Möglichkeit, dass sich das logischer anhörte.

      Mit einem Mal kam Tran eine Idee. „Was ist, wenn es keine zwei Lebenssäfte sind, sondern etwas anderes? Was ist, wenn Tränen gemeint sind? Eine Seele, die in Trümmern liegt, kann einen so sehr verletzen, dass man anfängt zu weinen. Diese Wunde ist innerlich und schließt sich auch nicht so schnell.“

      Irgendetwas an dieser Auslegung störte mich, aber ich konnte nicht sagen, was es war, schließlich hörte sie sich sehr logisch an. „Glaubst du das wirklich? Kommt es dir nicht seltsam vor? Ich habe dabei nämlich kein gutes Gefühl“, gab ich zu bedenken, einfach um sicherzugehen.

      „Okay, dann zurück zu deiner Frage, wie kann eine Seele körperlich verletzen?“

      „Nicht ein Bruchstück einer Seele, sondern etwas, das dafür steht. Und was dachten früher die Leute, was die Seele symbolisiert?“, mischte sich nun Ana ein. Wir wussten es nicht. „Ein Spiegel! Deshalb sollen Vampire auch kein Spiegelbild haben, weil sie keine Seele besitzen. Lest ihr keine Vampirbücher? Na ja, auf jeden Fall, wenn einer zerbricht, dann haben wir Bruchstücke einer Seele, deshalb soll man Spiegelscherben auch nicht sofort aufheben, dem Aberglauben zufolge.“ Triumphierend schaute sie uns an und allmählich begriffen wir.

      „Natürlich, das ist es!“, rief ich aus und freute mich kurz wie ein kleines Kind. Ich konnte mich nur mit Mühe zurückhalten, um nicht in die Hände zu klatschen, und musste über mein kindisches Verhalten noch mehr lachen. Die anderen beiden sahen mich verwundert