Marylin. Arthur Rundt. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Arthur Rundt
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783903005495
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Patterson beide hingelegt hatte, machte ihn schnell zum Helden.

      Bill war eine Attraktion für das Prince Albert. Überdies war er ein Mann von Erziehung, er hatte Hampton besucht und trotz seiner vierundzwanzig Jahre die medizinischen Kurse an der Howard-Universität in Washington absolviert. Bill war der bestgekleidete unter allen Gästen des Hauses, die Anzüge, die sein Athletenkörper trug, stammten aus der Werkstatt eines ersten Londoner Schneiders.

      Um Patterson und die Nummer seines Zimmers dem Gedächtnis einzuprägen, bedurfte es für Philip natürlich keinerlei Mühe. Wie alle Angestellten des Hauses wandte er ihm besonderes Interesse zu, und er suchte, so oft Bill an den Posttisch kam, die Chance, ein paar Worte mit ihm zu reden.

      »Wie geht’s, Mr. Patterson?«

      »O, danke, alles in Ordnung.« Patterson antwortete von dem Telegramm aufblickend, das er soeben geöffnet hatte.

      »Wann wird denn die Sache mit dem Holländer sein? Will natürlich hingehen.«

      Bill zog die ohne Schneiderkunst breiten Schultern hoch: »Keine Ahnung, Sir. Brown, mein Manager, kabelt mir gerade, er hofft, in der letzten Januarwoche.« Dann schob er das zusammengefaltete Telegramm in die Seitentasche seines Sakkos, nickte und ging nach dem Frühstücksraum.

      Keiner der sechs Grooms war fort, alle waren zur Stelle. Aber die Bank in der Nische war leer.

      Wenn Philip Frühdienst hatte, holte er manchmal Marylin aus dem Real-Silk-Office ab. Es lag am mittleren Broadway auf der Höhe der Vierziger Straßen.

      Der Winter hatte mit einem mächtigen Schneesturm eingesetzt. Er hatte Gebirgszüge von Wolken aus Nord-Nordwest zur Atlantischen Küste getrieben, und nun schneite es schon drei Tage und drei Nächte. Wenn in den Abendstunden dem Straßenpassanten am Broadway der Gedanke kam, aufwärts zu blicken, sah er durch einen dichten weißen Schleier hoch oben die Lichtreklamen nur als einen magisch bewegten Schein: Unklar umrissene helle Flecken tauchten auf und verschwanden, drehten sich im Kreis, wuchsen von links nach rechts in der Richtung der schreibenden Hand, verloschen dann und kamen wieder. Unten schob sich an den Häuserfronten entlang eine niedrige schwarze Mauer: New York auf dem Heimweg nach der täglichen Arbeit an Schreibmaschinen, Geschäftsbüchern und Kartotheken. Der Schnee auf dem Pflaster machte den Schritt unhörbar, vom Straßendamm her kamen Hupen, das Klingeln der Tramway und ungeduldige Rufe.

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      Philip erwartete Marylin im Haustor am Lift. Er trug ein kleines Paket, er wollte in seinem Zimmer zu Abend essen und dann auf ein Glas Tee zu Marylin kommen. Marylin aß um sieben, also verabredeten sie sich für acht.

      Philip brachte ein paar Orangen mit, und für Marylin, die es gern hatte, ein paar Stück Konfekt und Schokolade.

      Er zog eine Zigarettenschachtel hervor: »Darf ich?«

      »Natürlich. O, Melachrino? – Dann will ich auch eine haben.«

      »Sie rauchen?«

      »Ja, manchmal. Das wußten Sie nicht?«

      Sie sahen sich fast täglich, jeder wußte immer, was der andere tat, und doch wurde ihnen oft die unnatürliche Fremdheit klar, die zwischen ihnen herrschte.

      Marylin kannte den Westen und den Mittelwesten, ihr war eine neue Stadt nicht so sehr ein großes Ereignis wie für Philip. Aber bei allem Neuen, das er sah, vergaß Philip an keinem Tag, was ihn nach New York geführt hatte. Er sprach fast nie zu Marylin darüber. Er wußte, daß es auch in ihr fortlebte. Er wollte warten, ohne ungeduldig zu werden, er schwieg, so viel Beherrschung es ihn auch manchmal kostete.

      Das kleine Zimmer war überheizt, in Abständen pochte es in den Rohren, den Heizer im Keller hatten die Schneemassen wohl verführt, mehr zu tun, als nötig war.

      Da saßen sie an einem Winterabend bei Tee und Früchten und Näschereien in diesem sehr kleinen Zimmer und rauchten jeder seine Zigarette.

      Vielleicht sprachen sie so wenig, weil beide die Nähe der Gefahr spürten.

      Marylin begann eine Orange zu öffnen. Dann hörte sie mittendrin auf.

      »Was war im Bureau?«, unterbrach Philip das Schweigen.

      »Nichts. Und im Hotel?«

      »Auch nichts.«

      Marylin war wieder mit der Orange beschäftigt. Sie hielt die Zigarette im Mundwinkel und bog den Kopf zurück, um den Rauch von den Augen fernzuhalten.

      Philip war unvermittelt aufgestanden, war von seinem Platze nach der Zimmerecke gegangen, aber war doch nur drei oder vier Schritte von Marylin entfernt.

      Er streifte mit beiden Händen über sein nach hinten gekämmtes Haar und sagte scheinbar sehr ruhig: »Ich weiß nicht – ich weiß nicht, ob es noch lange so gehen wird.«

      Keine Antwort.

      Marylins Finger, die die Orange teilen wollten, tasteten unsicher um die Frucht. Dann fiel ihre Zigarette zu Boden auf den Teppich. Sie bückte sich, Philip sprang gleichzeitig heran und war eher am Ziel.

      Er kniete vor ihr. Marylin sah über ihn hinweg ins Leere, sie spürte zwei Hände auf ihren Knien.

      Sie fühlte, daß sie zu zittern begann, schnellte in die Höhe. Philip stand neben ihr, ganz nahe neben ihr.

      Da legte er seinen Arm um ihre Schultern und preßte sie, die keinen Widerstand leistete, an sich.

      Seine Hand glitt über ihren Rücken abwärts zur schlanken Hüfte. Er spürte den Duft dieses Körpers, dem er zum erstenmal so nahe war. Ein neuer, fremdartiger, süßer Duft, er zog ihn zögernd, aber gierig ein.

      Er suchte ihre Lippen, dann ergriff er ihre Hände, küßte beide närrisch auf Rücken und Innenflächen, drückte ihre Finger gegen seine Stirn und stürzte ohne Hut aus dem heißen Zimmer.

       III.

      Newton verließ das Hotel wie gewöhnlich, nachmittags um fünf Uhr.

      Es gab immer noch ein paar kleine Hindernisse, bevor er wirklich fort konnte. Irgendein Gast verlangte eine Auskunft, wenn er schon in Hut und Mantel durch die Halle ging, einer besonders anspruchsvollen Dame waren ein paar freundliche Worte zu sagen oder einem der Beamten ein Auftrag zu erteilen.

      Als er endlich durch die große Drehtür auf die Straße gelangte und schon ein paar Schritte gegangen war, rief es hinter ihm her: »Hallo, Charlie! Wart’ einen Moment! Hab’ mit dir zu reden.« Es war Philip.

      »Wieso bist du noch da? Ich denke, du warst um drei Uhr frei.«

      »Hab’ auf dich gewartet. Es ist wichtig.«

      Newton im Dienst war ein anderer als jener Charlie, den Philip auf dem Omnibusdach getroffen hatte. Das wußte Philip, deshalb hatte er gewartet. Newton hinter seinem Pult oder Newton, wenn er, die Hände auf dem Rücken gefaltet, inspizierend über den breiten Teppichläufer des Hotels ging, hatte immer ein paar würdige Falten auf der Stirn; draußen war er trotz seiner sechsunddreißig bei keinem Streich ein Spielverderber.«

      »Was ist los, Philip?«

      »Denk’ nicht, daß ich undankbar bin. Ich weiß, wie nett du dich gegen mich benommen hast, aber ich muß aus dem Prince Albert fort!«

      Newton warf den Kopf zur Seite und sah ihn scharf an: »Was ist geschehen?«

      »Nichts, wirklich nichts. Aber ich muß mir einen Posten suchen, auf dem ich mehr Geld verdiene.«

      Newton zögerte keinen Augenblick: »Also ein Mädel?«

      »Ja. Ich bin ihretwegen nach New York gekommen, hab’ ihretwegen meinen alten Platz verlassen.«

      »Irgend so was hab’ ich mir gedacht. Aber warum – ?«

      »Wir wollen heiraten.«

      »Dafür