Diese Strategien zeigen zumeist rasch einen therapeutischen Erfolg, sie können alle nutzen, ob mit oder ohne AD(H)S. Werden sie schon praktiziert, ist schon ein Meilenstein auf dem Weg zum Therapieerfolg geschafft.
Weitere wichtige Strategien für ein Selbstmanagement bei der AD(H)S-Behandlung sind:
• Eine AD(H)S-Diagnose sollte mit umfassender Information über Ursachen, deren mögliche Vor- und Nachteile und den therapeutischen Möglichkeiten rechtzeitig erfolgen
• Die neurobiologischen Ursachen des AD(H)S akzeptieren und verstehen, um sich nicht durch unwissenschaftliche Polemik verunsichern zu lassen
• Eine autoritative Erziehung praktizieren mit guter Vorbildwirkung, Grenzen setzen und Strukturen vorgeben und deren Einhaltung konsequent einfordern
• Gemeinsam mit den Betroffenen nach vorherigen Problemanalysen wie z. B. »Was stört mich?«, »Wie kann ich das ändern?« »Warum musste das so kommen?« Problemlösungsstrategien entwickeln
• Sich selbst motivieren können, um gestellte Therapieziele zu erreichen
• Eine gute soziale Einbindung mit Verständnis und Vertrauen als wichtige Basis schaffen
• Selbst gemachte positive Erfahrungen im Umgang mit Stress und zur Konfliktvermeidung immer wieder erfolgreich anwenden
• Seine Lernbahnen durch ständiges Wiederholen und Üben festigen
• Lernen mit aktiver Pausengestaltung nach Plan
• Regelmäßig Sport und Entspannungsübungen betreiben, um Stress abzubauen und sich zu konditionieren
• Medikamentöse Therapie, sofern notwendig, als eine wichtige Hilfe akzeptieren und bei Bedarf rechtzeitig, regelmäßig und lange genug anwenden
• Routinemäßig Selbstinstruktion und Kontrolltechniken praktizieren
• Seine Fähigkeiten kennen und lernen, sie erfolgreich einzusetzen
• Misserfolge und Kritik tolerieren können, um negativen Dauerstress und Selbstwertkrisen zu vermeiden
• Mit Hilfe der AD(H)S-Therapie nicht nur die Konzentration, sondern auch gezielt Selbstwertgefühl und Sozialverhalten verbessern
Exkurs »Autoritative Erziehung« – Was bedeutet sie und warum ist dieser Erziehungsstil für Kinder und Jugendliche mit ausgeprägtem AD(H)S besonders geeignet?
Eine autoritative Erziehung erfolgt mit Konsequenz und Liebe, klaren Regeln und Anforderungen, muss aber gleichzeitig mit einem hohen Maß an Vertrauen und Zuwendung einhergehen. Dieser Erziehungsstil wird von den Erziehungswissenschaftlern als optimal angesehen. Er wurde in den 1960er Jahren entwickelt und seitdem erfolgreich praktiziert. Hierbei wird das Kind in seinen Bedürfnissen und Gefühlen geachtet, lernt aber gleichzeitig klare Grenzen kennen, in denen es sich in Ruhe entwickeln kann.
Eltern, die ihre Kinder autoritativ erziehen, stellen hierbei große Anforderungen an diese, sie fördern und fordern sie. Sie fordern die Einhaltung von Regeln, wobei sie ihre Kinder aber auch als ernst zu nehmende Gesprächspartner akzeptieren und mit Hilfe gemeinsamer Absprachen lenkend auf ihr Kind oder ihren Jugendlichen einwirken. Dieser Erziehungsstil stellt große Anforderungen an soziale und intellektuelle Kompetenzen, an Eigenkontrolle und Unterstützung. Dabei beharren die Eltern auf ihren Forderungen auch gegen den Willen ihrer Kinder und Jugendlichen. Für entstehende Konfrontationen werden gemeinsam Lösungswege erarbeitet. Das verbessert die Selbstsicherheit, Kommunikationsfähigkeit und die soziale Kompetenz der Kinder. Dieser Erziehungsstil fördert erfahrungsgemäß die eigenen Fähigkeiten und das Erlernen von verantwortungsvollen Bewältigungsstrategien zur Problemlösung am besten.
Ich empfehle diesen Erziehungsstil den Eltern betroffener Kinder und Jugendlicher mit AD(H)S und habe damit gute Erfahrungen gemacht. In vielen Familien wird dieser Erziehungsstil schon seit Generationen erfolgreich praktiziert, ob mit oder ohne AD(H)S. In jedem Fall ist auch hierbei die Vorbildwirkung der Eltern das A und O für das Gelingen der Erziehung.
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Nur wenn ich weiß, warum ich so bin, kann ich bewusst etwas dagegen tun
2.1 Am Anfang der Therapie steht die Problemanalyse des Betroffenen
Die Behandlung des AD(H)S beginnt mit einer Problemanalyse, der Betroffene, seine Eltern und wenn erforderlich sein Therapeut besprechen danach gemeinsam die angestrebten Ziele. Daraufhin wird ein individueller Therapieplan formuliert, eingeteilt in kurz- und langfristig zu erreichende Ziele, wobei das Endziel als roter Faden für den Therapieverlauf fungiert. Dabei gilt es immer, die vorhandenen Ressourcen zu nutzen und gemachte positive Erfahrungen zu verstärken!
Das Positive am AD(H)S herausarbeiten, seine Diagnose soweit wie möglich positiv sehen, das ist nicht nur ein wichtiger Therapiebestandteil, sondern kann als Motor der Behandlung dienen.
Deshalb empfehle ich, am Anfang einer Therapie stets den Betroffenen aufzufordern, zunächst seine Probleme aufzuschreiben. Was stört ihn bzw. sie am meisten?
Abb. 2.1: »Was möchte ich ändern?« Beispiel einer Aufzeichnung, in der ein Junge zu Beginn seiner Therapie seine wichtigsten Probleme festgehalten hat.
2.2 Die neurobiologischen Ursachen des AD(H)S und deren Folgen
Die Ursache von ADS mit und ohne Hyperaktivität, deshalb AD(H)S genannt, ist eine genetisch bedingte, also angeborene veränderte Informationsverarbeitung mit Beeinträchtigung des Verhaltens, der kognitiven und motorischen Fähigkeiten sowie der Gefühlssteuerung. Neurobiologisch betrachtet, bestehen eine Unterfunktion im Stirnhirnbereich mit Reizfilterschwäche und ein Botenstoffmangel.
Abb. 2.2: Der neurobiologische Hintergrund des AD(H)S: Mangel an den Botenstoffen Dopamin und Noradrenalin (schematische Darstellung)
Die Unterfunktion des Stirnhirns verursacht eine Reizüberflutung, dadurch wird ein viel zu fein verzweigtes Netz von Nervenbahnen angelegt, was wegen seiner vielen Nebenstrecken die Informationsweiterleitung verzögert. Das Abrufen von bereits abgespeicherten Informationen und Verhaltensweisen aus dem Langzeitgedächtnis erfolgt über diese Umwege. Dadurch wird die Entwicklung von wichtigen Lernbahnen beeinträchtigt. Hinzu kommt noch ein Mangel an Botenstoffen in den Verbindungsstellen der Gehirnnerven (Synapsen), die für die Informationsweiterleitung verantwortlich sind.
Beides kann zu folgenden AD(H)S-typischen Funktionsstörungen in den kognitiven und Verhaltensbereichen führen:
• Die Aufmerksamkeit, die Konzentration und die Arbeitsgeschwindigkeit für eine Tätigkeit können nicht konstant aufrecht gehalten werden
• Die Informationsverarbeitung erfolgt zu langsam, zu ungenau und zu oberflächlich
• Das Ausblendung unwichtiger Informationen gelingt nicht, deshalb besteht eine hohe Ablenkbarkeit
• Das Lernen ist viel anstrengender und der erwartete Erfolg bleibt oft aus
• Bereits abgespeichertes Wissen und Handlungsabläufe können nicht sofort und sicher abgerufen werden. Was zu Hause gekonnt wurde, gelingt nicht in der stressbesetzten Prüfungssituation
• Die Erfolglosigkeit demotiviert und macht hilflos
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